Der 16. August ist ein ebenso ignoriertes
wie geschichtsträchtiges Datum für Mallorca und insbesondere für
Manacor im Inselosten. Mit der Landung des republikanisches
Expeditionsheeres 1936 bei Porto Cristo – mit rund 8000 Soldaten
und Milizionären – wurde der Spanische Bürgerkrieg auch auf
Mallorca virulent. Manacor selbst fand sich über Nacht als
Frontstadt wieder. In den Hügeln zwischen dem Industrieort und der
Küstenlinie wurde 20 Tage gekämpft, geschossen, bombardiert.
Hunderte von Soldaten verloren dabei das Leben. Dann zogen die
Landungstruppen unverrichteter Dinge wieder ab.
Das Expeditionsheer unter dem Fliegerkommandanten Albert Bayo
wollte Mallorca für die Spanische Republik und die gewählte
Regierung in Madrid zurückerobern. Die Insel befand sich seit knapp
einem Monat, dem 19. Juli, in der Hand aufständischer Militärs. Die
Gefolgsleute des Generals Franco, die bereits am Vortag auf dem
spanischen Festland losgeschlagen hatten, konnten auf Mallorca
rasch die Macht an sich reißen – nahezu ohne jede Gegenwehr. Die
Anhänger der Republik – Politiker, Lehrer, Arbeiterführer – wurden
überrumpelt, inhaftiert, mundtot gemacht. Die Franquisten brachten
Zeitungen und Rundfunkstationen auf Linie, beschlagnahmten
Parteizentralen und Gewerkschaftsbüros. Das Militär hatte bei dem
Umsturz auf ganzer Linie gesiegt und hielt, auch durch vereinzelte
Hinrichtungen, die Situation unter Kontrolle.
In diese trügerische Ruhe platzte die Invasion Bayos und ließ
den Krieg radikalisieren. Die nervösen Inselverteidiger, die kaum
über Flugzeuge und schwere Waffen verfügten, verlegten ihr
Hauptquartier eilig nach Manacor und griffen brutal mit
Repressalien durch. In ihrem Machtbereich wurden weder potenzielle
Anhänger der Republik noch deren Helfershelfer geduldet. „In den
vier ersten Nächten nach der Invasion fanden in Manacor
Massenerschießungen statt”, sagt der Historiker und Buchautor
Antoni Tugores. Die Inhaftierten wurden mit Lastwagen aus den
Dörfern der Umgebungen herbeigeschafft und unverzüglich an der
Mauer des alten Friedhofs erschossen. Es waren pro Nacht ganze
Ladungen von Menschen. Die Leichen wurden an Ort und Stelle
verbrannt. Heute befindet sich dort, am Abzweig der Landstraße nach
Son Carrió, eine kommunale Grünzone.
Wie kaum ein anderer Forscher hat Tugores den Geschehnissen in
seiner Heimatstadt nachgespürt und ein Buch über Manacors letzten
republikanischen Bürgermeister, Antonio Amer, geschrieben, der
ebenfalls 1936 von den Franquisten hingerichtet wurde.
Der 16. August, der Beginn der Invasion, hat nach Angaben von
Antoni Tugores keinerlei Bedeutung für Manacor, denn: „Man hat hier
die gesamte Erinnerung an den Bürgerkrieg ausradiert.” Lange wurde
geschwiegen, vor allem bei den überlebenden Opfern der Repressalien
und ihren Angehörigen, aber auch auf Seiten der Täter. Nur in
persönlichen Gesprächen hinter vorgehaltener Hand hat Tugores,
Jahrgang 1948, von den Zeitzeugen und in Archiven Details erfahren,
die er in Jahren der Forschung wie Puzzleteile zusammenfügte.
Tugores selbst hat keine familiären Opfer des Bürgerkriegs zu
beklagen. Es gehe ihm auch nicht um politische Forderungen. „Ich
will den Opfern ihre geraubte Lebensgeschichte, ihre menschliche
Würde zurückgeben.”
Die Schauplätze des Geschehens finden sich überraschend
unverändert in Manacor wieder. Etwa jener Ort, an dem fünf
republikanische Rotkreuzschwestern nach ihrer Gefangennahme
verhört, massenvergewaltigt und vermutlich sogar dortselbst getötet
worden waren. Die jungen Frauen waren beim fluchtartigen Abzug des
Expeditionsheeres in der Nacht zum 4. September in einem
Feldlazarett in den Hügeln zurückgelassen worden. „In der
mündlichen Überlieferung in Manacor hieß es lange, sie seien
Prostituierte der Milizionäre gewesen”, sagt Tugores. Aber das sei
nicht wahr. Einige von den Frauen waren noch Jungfrauen, als sie
vergewaltigt wurden.
Der Abzug des Expeditionsheeres erfolgte, wie man heute weiß,
auf Befehl aus Madrid (siehe MM 32/2006). Die Franquisten
auf Mallorca legten ihn jedoch propagandistisch als großen
Eigenerfolg aus. In Manacor fanden auf der zentralen Plaça de Sa
Bassa siegestrunkene Paraden statt. Mit dabei war der italienische
Faschistenführer Conde Rossi, der weder Graf war noch tatsächlich
so hieß. An dem Todesurteil der fünf Krankenschwestern war er
maßgeblich beteiligt. Der Balkon über dem Platz, wo Rossi eine
feurige Rede hielt, hat all die Jahre unverändert überdauert.
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