Ein Jahr ist vergangen und die Ungewissheit
bleibt. Spuren gab es viele - doch sie führten ins Leere. Weder
Namen sind bekannt, noch scheinen die Ermittler in Madrid zu
wissen, wie viele Terroristen wirklich beteiligt waren an den
Anschlägen der ETA auf Mallorca.
Vermutet werden drei Täter - zwei Männer und eine Frau. Wann und
wie sie auf die Insel kamen, ob sie diese überhaupt wieder
verließen: ebenfalls unklar. Nur eines ist ganz gewiss. Der 30.
Juli 2009, 13.37 Uhr ist jener Augenblick, der mit einer Autobombe
alles zerfetzte: den Streifenwagen vor der Guardia Civil in
Palmanova, die Lebensträume der Beamten Diego Salvà (27) und Carlos
Sáenz de Tejada (29) und die falsche Gewissheit, die Isla de la
Calma sei vor Terroranschlägen sicher.
Mallorca verlor seine Unschuld an jenem Donnerstagmittag, als
die Explosion per Zeitzünder die jungen Männer in den Tod riss: der
erste ETA-Anschlag auf Mallorca mit Todesopfern. 1991 war in Palma
ein Sprengsatz der Baskengruppe hochgegangen - ebenfalls an einem
30. Juli - doch verletzt wurde damals niemand.
Der Anschlag in Palmanova dagegen ist anders. Es herrscht
Ausnahmezustand auf der Insel - die keiner mehr verlässt, ohne
kontrolliert zu werden. Flughafen-, Straßensperre, Verkehrschaos,
falsche Alarme, falsche Fährten. "Operation Käfig", die größte
Fahndungsaktion der Inselgeschichte mit 1600 Beamten läuft an.
Mallorca steht Kopf - und versucht doch gleichzeitig, schnellsten
wieder zur Normalität zurückzugelangen.
Doch dann das: Neun Tage später erschüttern vier weitere
Attentate die Bevölkerung. Die Bomben explodieren in Toiletten
beliebter Lokale - "Bar Nica", "La Rigoletta", "Enco" - sowie in
der Ein-kaufspassage der Plaça Major. Auch wenn sie diesmal nicht
gegen Leib und Leben gerichtet sind - die Botschaft ist klar: Es
ist ein Schlag gegen den Tourismus, ein Nachladen, um ein Klima der
Angst zu verbreiten.
Das ungute Gefühl ist bis heute im Hinterkopf geblieben. "Die
schluchzenden Guardia-Civil-Beamten beim Trauergottesdienst in der
Kathedrale, dieses Bild werde ich nie mehr vergessen", erinnert
sich Rainer Schmid, der jedes Jahr zu dieser Zeit seinen Urlaub auf
der Insel verbringt. "Ich muss gestehen, früher habe ich mich hier
sicherer gefühlt." Kann sich auf Mallorca ein schwarzer Sommer wie
der vergangene wiederholen?
Man habe aus den tragischen Ereignissen gelernt, betont Ramon
Socías, Abgeordneter der Zentralregierung auf den Balearen. Um
nicht zu sagen, ein Weltbild musste zurechtgerückt werden: Bis
dahin war die Möglichkeit eines solchen Übergriffs regelrecht
ausgeblendet worden - das Netz der Kontrollen sei zu dicht, die
Fluchtmöglichkeiten für die Täter zu schlecht, als dass Mallorca
als Angriffsfläche in Frage komme, hieß es. Nicht der Kampf gegen
den Terrorismus, sondern der Kampf gegen die Drogen stand damals im
Mittelpunkt - nun haben sich die Prioritäten gedreht.
Zum Sommer hin und mit Ankunft der Königsfamilie sind die
Sicherheitskontrollen, die Patrouillen, die Einsatzkräfte verstärkt
worden. Man sei sicher, betonen die Verantwortlichen. Aber es
schwingt mit: Wissen kann man nie.
"Wer fest entschlossen ist, Menschen zu töten, kann immer
Schaden anrichten", sagte der spanische Innenminister Alfredo Pérez
Rubalcaba anlässlich des bevorstehenden Jahrestages des Attentats.
Aber es sei als gutes Zeichen zu werten, dass die Inselanschläge
die letzten waren, die die Separatistenbewegung verübt hat.
Die ETA gilt als sehr geschwächt. Immer mehr inhaftierte
Mitglieder wurden in den vergangenen Monaten zu Abtrünnigen, in
zwei Großaktionen der Polizei gingen einige der Drahtzieher ins
Netz. "Das Baskenland ist bereit für den Wandel", habe die ETA vor
wenigen Tagen verkündet, schrieb die baskische Tageszeitung "Gara":
Man sei für eine Konfliktlösung auf demokratischem Weg offen.
Allerdings: Auch kurz vor den Inselanschlägen hatte der
Innenminister die ETA für nahezu besiegt erklärt. Eine
Fehleinschätzung.
Den Mallorquinern bleibt die Erkenntnis, dass auch über dem
Urlaubsparadies der Schatten hereinbrechen kann. "Wir reden häufig
über den Anschlag", sagt Fruto Nieto, Inhaber der Bar "Nica", deren
Innenleben durch die erste Bombe der zweiten Anschlagsserie derart
zerstört wurde, dass zuerst noch nicht einmal die Polizeihunde
hätten vordringen können.
"Der Anschlag war brutal", sagt der Wirt, einschüchtern lasse er
sich aber nicht, "hinter meinem Tresen bringt mich keiner weg -
nicht mal mit Bomben."
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