Tierschützer haben sich natürlich auch
schon bei ihm gemeldet, sagt Flohzirkus-Direktor Marco Assmann.
Doch er konnte sie beruhigen. Denn, so fragt er, was werde als
Erstes gemacht, wenn Hunde oder Katzen im Tierheim landen? „Sie
werden entfloht.” Und das weiß er zu verhindern: „Bevor ihr sie
tötet, gebt sie mir!”
Ein Flohzirkus arbeitet tatsächlich mit den rund zwei Millimeter
großen Artisten. Auch er selbst habe es anfangs kaum glauben
können, sagt Marco Assmann – wie die meisten: „Jeder hat davon
gehört, doch kaum einer hat ihn je gesehen.” Zur Ansicht hat der
36-Jährige einige seiner Lieblinge in einer Petrischale mit nach
Mallorca gebracht – obgleich er diesmal nur zum Golfen auf die
Insel gekommen ist –, sie sind allerdings nicht lebendig. Denn, so
der Experte, Flöhe sind nicht sehr flugtauglich: „Sie vertragen die
Air-Condition nicht.”
Mit dem Zaubern hat er schon als Sechsjähriger angefangen, als
selbständiger Flohzirkus-Direktor ist der gelernte Hotelfachmann
aus Lauenthal (Harz) seit neun Jahren unterwegs: „Ich hatte immer
schon ein Faible für nostalgische Jahrmarktsattraktionen wie alte
Schiffsschaukeln oder Karussellpferde.” Als ihm dann ein Bekannter
verrät, dass er in London in einem Antiquitätengeschäft 120 Jahre
alte Miniaturutensilien entdeckt habe, die aus einem Flohzirkus
stammen, gibt es für Marco Assmann kein Halten mehr: „In
Nottinghill habe ich meine Ausrüstung erstanden und mich nach und
nach schlau gemacht.”
Die „Ausrüstung”, das sind unter anderem Mini-Wagen und
-Kutschen, die von den Winzlingen gezogen werden. Und wie muss man
sich das „Dressieren” vorstellen? „Das Floh-Gehirn ist jetzt nicht
so groß, dass man ihm viele Kunststücke beibringen könnte”, erklärt
Marco Assmann. Ah, ja. Was nicht heiße, so der Experte weiter, dass
„es Flöhen nicht wehtut, wenn sie sich den Kopf stoßen”. Heißt: Um
ihnen das Hüpfen abzugewöhnen – „Sonst könnte mir ja jeder Hund die
Show stehlen!” – hält er sie in verschieden hohen Dosen: „Erst zwei
Wochen in zwölf, dann in sechs, zum Schluss in ein bis zwei
Zentimeter Höhe.”
Wird der Floh nun bei der „Show” ins helle Rampenlicht gerückt,
will er nur eines: zurück ins Dunkle. Damit er nicht ausbüxt, wird
er zuvor mit einer winzigen Schlinge aus einem 0'12 Millimeter
dünnen Golddraht etwa vor eine Kutsche „gespannt”: „Und die zieht
er dann.” Weibliche Flöhe, die nach dem ersten Blutansaugen größer
sind als die Männchen, ziehen naturgemäß kräftiger: „Dafür aber
geradlinig immer in eine Richtung”, so ihr Direktor. „Die Männchen
schlagen auch gern mal ein paar Bogen.” Das Kutschen-Rennen ist nur
eine von vielen Floh-Nummern: In der Mini-Manege wird auch
„Fußball” mit XXS-Styroporkügelchen gespielt oder von einem Turm
ins Wasser gesprungen – Spritzer inklusive.
Gefüttert werden die Mini-Artisten mit Menschenblut, zumeist
seinem eigenen, sagt Marco Assmann und zeigt auf seinen Unterarm.
Er findet seine Lieblinge, wie erwähnt, in Tierheimen, „züchtet”
sie, unter „natürlichen Bedingungen” – Teppich, Filz, Haare – aber
auch selbst. Ihre Lebenserwartung – nach erstem „Ansaugen” –
beträgt etwa neun Wochen, danach „nimmt ihre Kraft ab”. Dann kommen
sie in Marco Assmanns „Seniorenresidenz für Flöhe,” wo sie alle
zwei Tage gefüttert werden und „ihren Lebensabend genießen
können”.
Klar, sagt er, müsse man schon „ein wenig verrückt sein” für
diesen Posten als Zirkusdirektor. Die ganze Manege passt in einen
Koffer, die Show findet in einem zwei mal drei Meter kleinen
Zirkuswagen oder einem Zelt von vier Meter Durchmesser statt. Um
eine authentische Atmosphäre zu verbreiten, läuft neben der
Popcorn-Maschine immer auch die Drehorgel: „Ich möchte einfach das
Flair und die Poesie des guten alten Jahrmarkts erhalten”, so der
Zauberer.
Eine Vorstellung dauert rund 20 Minuten, aber hinterher, sagt
Marco Assmann, seien die Menschen oftmals ganz verändert: „Viele
sagen: Wir waren in einer anderen Welt.” Und das sei sein schönster
Lohn. Wie neulich, als ein etwa 85-jähriger alter Herr hinterher
mit Tränen in den Augen zu ihm sagte: „Das war jetzt wie in meiner
Kindheit in Königsberg.”
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