Er möchte „seiner Familie näher sein”: Rüdiger Peter Oyntzen.
Der deutsche Arzt, der auf Mallorca eine 34-jährige Haftstrafe
wegen der Ermordung seiner beiden Kinder verbüßt, hat beantragt, in
ein Gefängnis nach Deutschland verlegt zu werden. „Das Gesuch ist
eingereicht”, bestätigte der deutsche Rechtsanwalt Klaus Schroth
dem Mallorca Magazin. Schon während des Prozesses 1998
hatte er Oyntzens Rechtsbeistand übernommen, ist seither mit ihm in
Verbindung geblieben und vertritt ihn nun auch bei seinem
gegenwärtigen Antrag. Als künftigen Aufenthaltsort in Deutschland
nennt er Baden-Württemberg, allerdings „muss das Land zustimmen”,
so Klaus Schroth. Und: „Die Vollstreckungskammer des Gerichts ist
noch nicht festgelegt.” Als „Arzt, der seine beiden Kinder
totspritzte”, ging der aus Breisach (Baden-Württemberg) stammende
Radiologe 1996 durch die Medien. Während eines Mallorca-Urlaubs im
September 1996 tötete er seinen sechsjährigen Sohn Matthias und
seine Tochter Katharina (8) im gemeinsamen Ferienapartment in Sa
Coma mit Giftspritzen. Als Motiv gab er an, er habe verhindern
wollen, dass die Kinder zu seiner Ex-Frau zurückkehrten, der man
das Sorgerecht zugesprochen hatte. Ein Geschworenengericht in Palma
verurteilte Oyntzen im Juni 1998 nach vier Verhandlungstagen zu 34
Jahren Haft.
Nach spanischem Recht muss der Deutsche maximal 20 Jahre seiner
Haftstrafe verbüßen – inklusive der Untersuchungshaft hat er davon
gut 13 Jahre abgesessen. Grundsätzlich ist eine Verlegung von
Strafgefangenen in ihre Heimatländer möglich, indes müsse
sichergestellt sein, dass das Land das spanische Urteil
respektiere.
Schon damals stellte Oyntzens deutscher Rechtsbeistand einen
Überstellungsantrag nach Deutschland. Zudem hielt Klaus Schroth das
Strafmaß damals „für sehr hoch” und zeigte sich „sehr verwundert,
dass das ausführliche Oyntzen-Gutachten im Prozess keine Rolle
gespielt hat”. Ein Facharzt vom Psychiatrischen Institut Tübingen
habe den Angeklagten 17 Stunden lang „exploriert” und eine
„erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit” nachgewiesen.
Allerdings: Was die Tat von damals besonders befremdlich macht,
ist gerade der fehlende Affekt: Der Doppelmord wurde geradezu mit
klinischer Präzision durchgeführt. Der Radiologe hatte die
Medikamenten-Dosis, mit denen er die Kinder totspritzte, im
Reisegepäck nach Mallorca. Und: Oyntzen protokollierte ihr Sterben
wie bei einer wissenschaftlichen Studie. Nachdem er ihm die
tödliche Injektion verabreicht hat, hält er über seinen Sohn
Matthias fest: „Um 0.35 Uhr hörte er auf zu atmen. Völlig
friedlich.” Anschließend will Oyntzen nach eigenen Angaben fünfmal
versucht haben, sich selbst zu töten – schließlich stellt er sich
der Polizei.
Auch wenn der Doppelmord von Ermittlern und Justiz detailliert
analysiert worden ist: Erklärbar oder gar fassbar ist das
Verbrechen bis heute nicht. Eine Tragödie, die mit ihren
kriminologischen und psychologischen Momenten ein Rätsel bleiben
wird. „Ich hatte ein sehr herzliches und inniges Verhältnis zu
meinen Kindern”, erklärt Oyntzen dem Geschworenengericht im Juni
1998. Er habe ihnen auf Mallorca einen „kindgerechten Urlaub
ermöglichen” wollen.
Die drei wohnten in einer Hotelanlage in Sa Coma, Fotos von
damals zeugen von fröhlichen Ausflügen ins Marineland, den
Safari-Park, einer Fahrt mit dem U-Boot Nemo. Dabei war das
Familienglück schon zerbrochen, als sich Oyntzen am 23. August 1996
in den Flieger nach Mallorca setzt: Seine Frau hatte die Scheidung
eingereicht, die Sozialgerichte hatten ihr das alleinige Sorgerecht
zugesprochen, auch beruflich waren seine Pläne für eine eigene
Praxis gerade gescheitert. Vor ihm türmte sich ein Schuldenberg von
damals rund 1'6 Millionen Mark.
Allesamt Umstände, die den Angeklagten in eine tiefe Depression
hatten fallen lassen, wie die Verteidigung damals argumentierte.
Zudem war Oyntzen davon überzeugt, dass seine Kinder bei seiner
Frau in schlechten Händen seien und sogar misshandelt würden.
Das letzte Wort nutzte der Angeklagte dennoch, um seine
„fürchterliche Schuld gegenüber den Kindern und Familien”
einzugestehen. So wie zuvor schriftlich beim Hoteldirektor in Sa
Coma entschuldigte er sich nun vor Gericht bei den „spanischen,
balearischen und mallorquinischen Bürgern, dass ich ihnen, ohne es
zu wollen, diese Probleme bereitet habe”.
Nach 13 Jahren Gefängnis möchte Rüdiger Peter Oyntzen nun
„seiner Familie näher sein”. Statt maximal 20 Jahre Haftstrafe wie
in Spanien kann er in Deutschland womöglich nach 15 Jahren mit
seiner Entlassung rechnen. Zudem könnte die Dauer der U-Haft in
Palma dort doppelt angerechnet werden. Aber das, so Rechtsanwalt
Schroth, sei noch „individuell” zu verhandeln. Mit einem ersten
Bescheid zum Antrag sei in etwa zwei bis drei Monaten rechnen.
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