So kann sie auch ausgehen, die Geschichte vom Auswandern nach
Mallorca. Obdachlos, mittellos, auf fremde Hilfe angewiesen. Ina
Wölfel lebt seit fünf Jahren auf den Straßen von Palma, und sie ist
nicht die erste Deutsche, die hier zum Sozialfall wird.
Erst zehn Jahre ist es her, dass die gebürtige Westfälin, die
bei München aufwuchs, nach Mallorca kam. Zusammen mit ihrem
damaligen Freund wollte sie sich in Cala Figuera niederlassen,
arbeitete lange als Küchenhilfe in verschiedenen Restaurants. Die
heute 52-Jährige hält sich an ihrem Maskottchen fest, während sie
ihre Geschichte erzählt.
Eine Bank an der Plaça Cardinal Reig ist zurzeit ihr Zuhause.
Doch Presslufthammer reißen gerade den Beton direkt neben ihrer
Bleibe auf. „Sie haben mir schon gesagt, dass ich hier bald weg
muss, aber das macht nichts, dann ziehe ich eben eine Bank weiter.“
Viele Sachen hat sie nicht dabei. Ein paar Taschen mit Kleidung,
Heften und Büchern, ein paar Decken, einen alten Schlafsack.
Der Lärm ist so ohrenbetäubend, dass ein Gespräch hier kaum
möglich ist. In der benachbarten Bar ist es ruhiger, und Ina Wölfel
bestellt einen Tee. Hunger habe sie keinen, es gebe Leute hier, die
ihr Essen, Bücher oder alte Kleidung bringen. Vor allem
Kreuzworträtsel, damit rette sie sich oft über den Tag. „Es ging
mir schon schlechter, vor fünf Jahren, als mein Freund mich von
einem auf den anderen Tag aus unserer Wohnung warf.“ Dann sei sie
noch angefahren worden, kam ins Krankenhaus und anschließend in ein
Wohnheim, doch dorthin würde sie nie wieder zurückkehren. „Da war
alles voller Betrunkener und Drogenabhängiger, sie haben mich
gequält, mir meine Papiere gestohlen, da habe ich es hier auf der
Straße besser.“
Einmal habe sie versucht, über das Konsulat einen neuen Pass zu
bekommen. „Der kostet aber 70 Euro, woher soll ich die nehmen?“ Und
außerdem könne sie sowieso nicht nach Deutschland zurück, dort habe
sie niemanden mehr. „Ich tue doch niemandem etwas, die Polizei
lässt mich in Ruhe, ich nehme keine Drogen und stehle nicht, ich
lebe von den Almosen der Leute hier. Und wenn ich meine
Schmerztabletten brauche, bekomme ich die meist gratis aus der
Apotheke oder aus dem Ärztezentrum.“
Auch in der Bar ist sie bekannt, sie komme öfter her auf einen
Tee oder einen Kaffee, sagen die Inhaber. Natürlich sei es schlimm,
dass jemand auf der Straße lebt, seine Notdurft hinter den Büschen
verrichtet und auf Hygiene komplett verzichtet. „Aber sie tut auch
niemanden etwas.“
Was macht sie bei Regen, bei Kälte oder Krankheit? Fast verwirrt
reagiert sie auf die Frage: „Das ist kein Problem, gegen Regen gibt
es Hauseingänge, und schlimm krank bin ich zum Glück noch nicht
gewesen.“ Nur die Schmerzen im Arm seit dem Unfall, die seien
schlimm.
Ina Wölfel ist kein Einzelfall auf Mallorca. Wer durch die
Straßen der Hauptstadt streift, sieht ab und zu Obdachlose, die
versuchen, als Parkeinweiser oder Bettler ein paar Cent zu sammeln.
Sie leben auf Parkbänken, unter Brücken, in verlassenen Häusern und
sogar in Höhlen bei Cala Blava.
Genaue Zahlen über Deutsche, die hier auf der Straße leben, gibt
es laut Deutschem Konsulat in Palma nicht. Da sie nirgendwo
registriert seien, könne man sie auch nicht zählen.
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