Bei Gustavo ist alles groß. Und
großartig. Die Energie, die Kreativität, die Gastfreundschaft, die
Produktivität. Selbst das Atelier in seinem Haus Can Turó bei
Capdepera hat die Ausmaße eines mittleren Hangars. Die Menge der
bunten Yoghurt-Töpfchen, in denen er seine Farben anrührt, ist
beachtlich. Die Zahl seiner Bilder, die er seit Beginn seiner
künstlerischen Tätigkeit gemalt hat, liegt bei über 3500. Dazu
Wandteppiche, Skulpturen, Objekte, Porzellan. Rund hundert
Ausstellungen verzeichnet sein Curriculum.
Die vielleicht wichtigste Ausstellung wurde am Mittwoch in
Berlin im Foyer des Fernsehsendezentrums des Rundfunks
Berlin-Brandenburg eröffnet. Anlass ist Gustavos 70. Geburtstag. Es
ist eine Retrospektive, die mit rund achtzig Werken - Bilder und
einige Skulpturen - das Schaffen des Malers von 1963 bis heute
zeigt.
Die Laudatio hielt der regierende Bürgermeister von Berlin,
Klaus Wowereit. Mit ihm ist Gustavo seit vielen Jahren
befreundet.
Gustavo wurde im April 1939 als Gustavo Penalver Vico im spanischen
Cartagena geboren. Mit sechs Jahren siedelte er mit seinen Eltern
nach Mallorca über, studierte in Barcelona, lebte in Paris und
Brüssel, kam immer wieder einmal nach Mallorca zurück. Dann, 1976,
folgte er seiner großen Liebe: Berlin. "Neben meiner Frau Regine
natürlich", sagt er.
Dort fühlte er sich sofort zu Hause, dort hatte er Erfolg.
Großen Erfolg. Zwanzig Jahre blieb er in Berlin: "Mit meinem
spanischen Pass verbrachte ich häufig die Wochenenden in Ostberlin,
wo ich viele Freunde hatte." Sammler wie Heinz Knobloch,
Hans-Joachim Rust, Kai Alexander Moslé und - auf Mallorca -
Marianne Mögel, rissen sich um seine Bilder. Und tun es bis
heute.
Als verspielt werden die Bilder beschrieben, als leicht,
fröhlich, naiv, surrealistisch. Doch trügt der Schein? "Fröhlich?",
sagt Gustavo. "Aber nein. Es ist immer Kritik dabei, soziale,
politische Kritik. Ich sehe, wo ich auch hinschaue, absurde
Situationen, groteske Personen. Ich sehe, was ich male."
Am wenigsten mag er das Wort "bunt" im Zusammenhang mit seinen
Arbeiten, auch wenn seine Farben wahrlich kräftig sind. Eben weil
seine Bilder immer einen politischen Unterton haben, nutzt er viel
Grün, die Farbe der Uniformen der Guardia Civil oder das Blau der
faschistischen Falange-Partei.
Jedes kleinste Detail seiner Bilder hat Bedeutung: Menschen, die
rückwärts gehen, die Punkte, die Anordnung der Augen, die halben
Gesichter. Immer sind es die menschlichen Schwächen und
Befindlichkeiten, die er aufs Korn nimmt.
Die Titel seiner Bilder sind berühmt geworden: "Antiklerikaler
und empfindsamer Buchhalter mit Mittelscheitel" oder "Golfspieler
feiern die Erfindung eines neuen Golfspiels ohne Löcher mit
schwarzen Bällen."
Im Laufe seiner Karriere gab es expressionistische,
neokubistische, politisch-poetische und geometrische Phasen, auch
wenn die Farbenpracht immer im Vordergrund stand. Gab es
Vorbilder?
"Natürlich die Maler der 'Brücke', aber vor allem George Grosz
oder Otto Dix." Es ist kein Zufall, dass diese beiden sich vor
allem als Kritiker der Gesellschaft verstanden.
Viele von Gustavos Arbeiten sind von anderen Künstlern
inspiriert, ganze Serien hat er ihnen gewidmet: Jacques Brel, Woody
Allen, Federico Fellini, Udo Lindenberg.
"Ich erzähle Geschichten. Vielleicht auch, weil mich viel stört.
Am besten gefällt mir der deutsche Ausdruck: Das letzte Hemd hat
keine Taschen. Ich nehme mir die Freiheit, die Wahrheit zu sagen,
wie ein Narr." Aber Gustavo ist kein Narr, auch nicht im Sinne der
bewussten Narrenfreiheit. Er sagt: "Wenn du zeichnen kannst, kannst
du dich dem naiven Surrealismus verschreiben." Und zeichnen kann
er.
Mit nur ein paar Strichen setzt er seine absurden Personen aufs
Papier, sieht Formen und Farben schon lange, bevor ein ungeübtes
Auge die Zusammenhänge erkennt.
In Berlin hat er sich selbst bereits ein Denkmal gesetzt: Das
Gustavo-Haus ist ein riesiges Wohnhaus mit 21 Stockwerken im
Stadtteil Lichtenberg, dessen Fassade er in der Farbe nach seinen
Vorstellungen gestaltet hat. Es ist das größte Kunstwerk
Europas.
"Bei schönem Wetter ist das Haus beim Anflug auf Berlin von oben
zu sehen", sagt Gustavo. Und nach Berlin fliegt er häufig, seitdem
er 1996 wieder nach Mallorca zog: "Regine wollte denn doch lieber
im Süden leben. Und - ein Atelier wie dieses hätte ich mir woanders
gar nicht leisten können."
Dennoch Berlin - Tag für Tag sieht er auch auf Mallorca die
Berliner Abendschau. Wird das Wort nur ausgesprochen, springt Hund
Mimi schon an seine Seite. "Berlin", sagt Gustavo, "ist für mich
die Stadt überhaupt. Wenn Kennedy gesagt hat: Ich bin ein Berliner,
kann ich nur sagen: Ich liebe Berlin. Paris und London - schön und
gut. Aber diese Städte machen Siesta, während Berlin tanzt." Wie in
den 20er Jahren, als George Grosz seinen Spott über die sogenannte
gute Gesellschaft ausgoss? Wenn man Gustavo fragt, in welcher
Periode der Geschichte er gerne gelebt hätte, sagt er sofort: "Im
Berlin der 20er Jahre." Und er fügt hinzu: "Was unterhaltsam ist,
muss nicht immer leicht sein."
"Die anderen Farben" , eine Retrospektive zum 70. Geburtstag
von Gustavo. Vom 15.10. bis 25. 11. in Berlin, RBB, Foyer des
Fernsehsendezentrums, Masurenallee 8-14. Geöffnet von Dienstag bis
Freitag von 11-18 Uhr, Samstag und Sonntag von 11-15 Uhr
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