Deutscher Durst und mallorquinischer Wein. Es
war vielleicht nicht unbedingt Liebe auf den ersten Schluck. Aber
beim zweiten oder dritten Schluck stellte sich Zuneigung ein. Fest
steht, dass die deutsche Nachfrage ihren Beitrag leistete zum
Höhenflug, den der Mallorca-Wein in den vergangenen zehn Jahren
erlebte. Das wurde und wird von vielen Winzern bestätigt: Die
Deutschen interessierten sich stärker für die Inselweine als die
Einheimischen, sagt etwa Pere Calafat, Präsident der Anbauregion DO
Binissalem. Ramón Servalls, Präsident des Verbandes der großen
balearischen Weingüter, ist voll des Lobes auf die teutonischen
Kehlen: „Der deutsche Konsument war der beste Förderer und
Unterstützer des Mallorca-Weins. Ohne seinen steten Rückhalt wäre
unser Weinsektor heute nicht das, was er ist.” Doch es blieb nicht
nur beim Konsum. Wenn jetzt in diesen Tagen die Trauben gelesen
werden, sind mehr denn je Deutsche in die Weinwirtschaft Mallorcas
integriert. Nie zuvor waren so viele Bundesbürger, aber auch
Österreicher und Schweizer als Bodega-Besitzer, Weingutsdirektoren,
Önologen, Vertriebsexperten oder Hobbywinzer auf dem Rebland und in
den Kellern der Insel aktiv.
Noch vor einem Jahrzehnt war kein einziges registriertes Weingut
in deutschem Besitz auf Mallorca zu finden. Mittlerweile sind es
fünf, die ihre Gewächse kommerziell auf den Markt bringen. Einer
der Vorreiter war das Weingut Castell Miquel in Alaró, das mit dem
Jahrgang 2002 offiziell die Vermarktung begann. Sein Inhaber, der
Unternehmer und Vizevorsitzende des Bundesverbandes der
Pharmazeutischen Industrie, Professor Michael Popp, baute das
idyllisch gelegene Weingut samt weißem Schlösschen in all den
Jahren konsequent aus. Seine „Stairways to Heaven”-Weine errangen
zahlreiche Auszeichnungen. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel vor
wenigen Wochen an ihrem 50. Geburtstag Popps
Arzneimittel-Unternehmen Bionorica in Bayern besuchte, schenkte er
ihr eine Sechs-Liter-Flasche Stairways Merlot Private
Selection.
Bereits ein Jahr vor Castell Miquel ging in Pollença das Weingut
Ca'n Vidalet mit dem Jahrgang 2001 an den Start. Das Anwesen mit
seinen 18 Hektar Rebland gehört einem Hamburger Finanzexperten und
Wirtschaftsprofessor, der es vorzieht, ungenannt zu bleiben. Auch
diese Bodega fuhr in der Vergangenheit zahlreiche Prämierungen
ein.
Jünger im Verbund der Bodegas mit deutschem Hausherrn ist
Biniagual, das Weingut des gleichnamigen Weilers auf halbem Wegen
zwischen Binissalem und Sencelles. Das Dorf samt seinen
landwirtschaftlichen Flächen gehört der Familie Graf, die auch
Eigentümerin von Puerto Portals ist. Der erste offizielle Jahrgang
wurde 2002 gekeltert. Für Schlagzeilen sorgte das Weingut fünf
Jahre später, als ein Experten-Gremium in Madrid völlig
überraschend den roten Biniagual 2005 zum besten Tinto des Landes
kürte. Hinter dem Erfolg des Weingutes steckt System. Neben sorgsam
gepflegten Weinstöcken und ausgewählter Kellereitechnik setzte
Biniagual auf die Zusammenarbeit mit den Winzern von Ánima Negra,
jener Bodega aus Felanitx, die seit einem Jahrzehnt den teuersten
und unumstrittenen Vorzeigewein der Insel kreiert.
Neu im Reigen der „deutschen” Weingüter auf Mallorca sind
darüber hinaus Son Artigues bei Porreres und Ses Talaioler bei
Manacor. In erstem Fall verschrieb sich der Sohn der
Finca-Besitzer, Marc Gayda, der Pflege der bis zu 60 Jahre alten
Callet-Stöcke. Was 2001 als Hobby begann, wurde 2004 zum ersten
zugelassenen Jahrgang. Heute werden die Weine der 45 Hektar großen
Finca bis in die USA exportiert. In Ses Talaioler sieht der junge
Winzer Sebastian Keller nach dem Rechten. Der erste amtlich
registrierte Tinto, Jahrgang 2006, kam 2008 in den Handel.
Neben den Weingutbesitzern gibt es einige Deutsche, die ihr
Auskommen im mallorquinischen Weinbau als Angestellte finden. Der
Dienstälteste dürfte Thomas Wambsganss sein. Der 33-jährige Önologe
aus der Südpfalz ist Winzer in siebter Generation und begann seine
Laufbahn auf Mallorca 2004 bei Ca'n Vidalet. Ein Jahr später
wechselte er zu Castell Miquel. Nach seinen Worten werden deutsche
Jungwinzer in Spanien gerne angestellt, weil sie über eine
umfassende Ausbildung verfügen. Die Herausforderung, einen guten
Wein zu machen, sei in Deutschland ohnehin höher. „Das ist
klimatisch bedingt. Hier auf der Insel herrscht konstantes Wetter
vor.” Bei Ca'n Vidalet ist seit Sommer 2008 Stefan Winterling als
Önologe beschäftigt. Der Pfälzer schwärmt von Mallorca, setzt aber
bei seinen Weißweinen auf deutsche Vorlieben. „Ich orientiere mich
am Riesling.” Sein Ziel: Spannung im Wein, Ausgewogenheit zwischen
Süße und Säure, „damit die Zunge nicht nach dem ersten Schluck
einschläft”.
Auch im Vertrieb der Inselweine arbeiten Deutsche. Lena-Luiza
Hertle ist ein Paradebeispiel. Die junge Frankfurterin half
zunächst auf der Bodega des Öl-Millionärs Stellan Lundqvist, Santa
Catarina bei Andratx, aus. Als der Mitbewerber Macià Batle (Santa
Maria) das Weingut 2004 in seine Regie nahm, stieg Hertle dank
ihrer Sprachkenntnisse zur Exportchefin auf. Deutsche Residenten
und Touristen, die Macià Batle besuchten, fanden in ihr eine
stetige Ansprechpartnerin. Über die Weinproben in deutscher
Sprache, die Macià Batle schließlich mit MM ins Leben rief,
wurde Hertle nahezu so bekannt wie in Deutschland die
Weinköniginnen.
Das System war so erfolgreich, dass die Bodega Son Bordils bei
Inca ebenfalls eine deutsche Ansprechpartnerin anstellte. Seit
Sommer 2008 managt dort die gebürtige Papenburgerin Christiane
Wilmes den Vertrieb.
Für nicht wenige deutsche Residenten ist der Lebenstraum von der
Finca auf Mallorca untrennbar mit dem Wunsch nach dem eigenen
Weingut verbunden. Schon vor fünf Jahren hatte Joan Mora, einer der
gefragtesten Weinberater auf Mallorca, unter deutschsprachigen
Residenten den Trend hin zur Privatbodega ausgemacht. „Das hat
seitdem weiter zugenommen”, so Mora. Ihm sind eine Handvoll
deutscher Hobbywinzer bekannt, unter anderem das Privatweingut Can
Pelut (Porreres), ein Ehepaar bei Can Picafort, ein Weinliebhaber
bei Esporles.
Hinzu kommt die reiche Prominenz, die auf Mallorca ihren eigenen
Hauswein anbaut. Dazu zählen dem Vernehmen nach etwa Rockmusiker
Maffay, Haarkosmetik-Hersteller Schwarzkopf und der Industrielle
Eisenmann.
Der wohl erste Deutsche, der auf Mallorca Wein pflanzte und
kelterte, ist der Hobbywinzer Wolf Thiele bei Pollença. Seine
ersten Trauben erntete er Mitte der 1990er Jahre. „Ich wusste
immer: Wenn ich das richtige Land habe, muss Wein her.”
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