Sommerzeit ist Grabungszeit auf Mallorca. An zahlreichen
Fundstätten rücken wieder Archäologen mit Spaten, Spachtel und
Pinseln an, um dem Erdreich der Insel Geheimnisse zu entlocken.
Knapp ein Dutzend kulturhistorische Vorkommen werden dabei in guten
Jahren von Universitäten und Stiftungen unter die Lupe genommen.
Gesucht werden Antworten auf Fragen, die Forscher der
verschiedensten Fachrichtungen beschäftigen. Jedes Team hat sich
dabei auf "seine" Grabungsstätte spezialisiert. Eine übergeordnete
Koordination besteht kaum.
Vor- und Frühgeschichtler wollen wissen, wann und wo sich die
ersten Menschen auf Mallorca niederließen und wer die gigantischen
Talaiots errichtete. In Alcúdia wiederum gehen Studierende der
Universität Granada der römischen Epoche Mallorcas auf den Grund.
Andere Forscherteams widmen sich den "dunklen" - weil kaum
dokumentierten - Jahrhunderten Mallorcas, jener Phase, als die
Insel zum Byzantinischen Reich gehörte und die frühen Christen ihre
Basiliken auf dem Eiland errichteten. Einige wenige Forscher
konzentrieren sich wiederum auf die islamische Epoche
Mallorcas.
Die Ergebnisse dieser Forschung sind mal stümperhaft, mal
vorbildlich in den Museen der Insel ausgestellt (Achtung: Das Museu
de Mallorca hat derzeit wegen Umbauarbeiten geschlossen). Auch so
mancher Grabungsort steht Besuchern offen.
Eine Frage, die viele Archäologen umtreibt, ist die Suche nach
den ersten Mallorquinern. Es ist nach wie vor unklar, wann sich die
ersten Menschen auf dem Eiland niederließen. In seinem 2007
erschienenen Buch "Enigmas de la arqueología balear" (Rätsel der
balearischen Archäologie) geht der Forscher Javier Aramburu von
einer sehr späten Besiedlung um 2500 vor Christus aus. Nach der
Übereinstimmung von Keramikfunden wird vermutet, dass die ersten
Siedler aus Katalonien oder Südfrankreich stammten.
Mythen zufolge waren die Nachkommen der Trojaner, die Griechen
oder die Phönizier die Ersten, die die Balearen besiedelten.
Aramburu, der seit 20 Jahren zu den aktivsten Archäologen der
Inseln zählt, sorgte unlängst mit einem neuen Fund für Aufsehen. Er
stellte auf Keramikscherben die Namen der ersten - wenn man so will
- ausländischen Residenten auf den Balearen fest. Es handelte sich
um "Aris" und "Bodmilgart", zwei phönizische Weinhändler, die im 4.
Jahrhundert vor Christus auf Ibiza lebten und ihre tönernen
Amphoren mit einem Stempel versahen. Gefunden wurden die Scherben
2005 bei Ausgrabungen in der wohl ältesten talaiotischen Siedlung,
Ses Païsses, bei Artà.
Die Bräuche der Mallorquiner während der Talaiot-Zeit sind nur
wenig erforscht. Die Toten wurden offenbar so lange im Freien
gelagert, bis vermutlich Insekten sämtliches Fleisch entfernt
hatten. Danach begruben die Angehörigen die Hände und Füße der
Toten im Erdreich unweit der eigenen Haustüre. Vermutlich
versprachen sie sich davon einen gewissen Schutz. Derzeit gräbt
Aramburu bei Llucmajor eine archaische Wohnsiedlung aus, bei der
die Archäologen auf Hunderte Hand- und Fußknochen stießen.
Ein Rätsel der Forschung ist auch der kulturelle Umbruch auf
Mallorca um 600 vor Christus. Damals kam es vielleicht durch
Überbevölkerung zu einer krisenhaften Entwicklung, die mit Krieg
und Zerstörung einherging, sagt die Archäologin Paula Amengual, die
an der Ruinenstätte Son Fornés bei Montuïri forscht. Die
Feuersbrunst brach über die Talaiot-Siedlung herein, die Menschen
flüchteten oder wurden verschleppt. Sie hatten nicht einmal Zeit,
ihre Kochtöpfe vom Herd zu nehmen.
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