Mallorca – Vor genau 80 Jahren blickte die Welt nach Spanien. Im
Mai 1929 eröffnete in Barcelona die Weltausstellung. An der
"Exposición Internacional" beteiligten sich 29 Staaten und Tausende
Privataussteller. Mit mehr als 5'8 Millionen Besuchern bis Januar
1930 war die Schau sowohl wirtschaftlich als auch touristisch ein
großer Erfolg für die katalonische Metropole. Es wird kein Zufall
gewesen sein, dass zeitgleich mit dem Auftakt der Weltausstellung
auf Mallorca das neue Luxus-Hotel Formentor eröffnete.
Die Welt feierte den letzten Sommer der "Goldenen Zwanziger
Jahre", jene angeblich gute, alte Zeit des Optimismus, des
wachsenden Wohlstands und des technischen Fortschritts. Kaum jemand
konnte sich vorstellen, dass nur wenige Monate später an der New
Yorker Wall Street mit dem "Schwarzen Freitag" vom 24. Oktober 1929
die Weltwirtschaftskrise ihren Anfang nehmen würde. In Deutschland
verschärften sich die sozialen Verhältnisse dramatisch und
verhalfen am Ende einem populistischen Verführer wie Hitler zur
Macht.
Doch noch wähnte sich die Welt damals weitgehend auf der
Sonnenseite. In Barcelona präsentierte sich das Deutschland der
Weimarer Republik mit einem Pavillon, der zur Hauptattraktion der
Messe wurde. Der sogenannte "Barcelona-Pavillon" setzte vollkommen
neue ästhetische und bautechnische Maßstäbe und gilt seither als
eines der bedeutendsten Werke der modernen Architektur überhaupt.
Das Repräsentationsobjekt sollte durch seine Neuartigkeit und
Präzision die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie
symbolisieren.
Hinter dem Barcelona-Pavillon stand der deutsche Architekt
Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969). Der spätere Direktor der
Kunst-, Design- und Architekturschule des Bauhaus in Dessau entwarf
für den Pavillon auch das Mobiliar. Der Sessel "Barcelona 29" ist
ein Klassiker, wie er heute noch in vielen designbewussten
Immobilien zu finden ist.
Der deutsche Pavillon prägte eine ganze Generation
mallorquinischer Architekten. Ihr bedeutendster Vertreter war
Francisco Casas (1905-1977), der in jener Zeit in Barcelona
studierte. In Anlehnung an die moderne Architektur, wie sie vom
Bauhaus oder auch von Le Corbusier propagiert wurde, entwickelten
avantgardistische Inselarchitekten einen eigenen modernen Baustil,
der wegen seiner durchdachten Funktionalität und Sachlichkeit
"Racionalismo" oder "arquitectura racionalista" genannt wird. Diese
Strömung war in den 1930er und 40er Jahren in Palma prägend. Der
Spanische Bürgerkrieg erwies sich auf dem Gebiet der Architektur
nicht als Bruch.
Weitere Vertreter des Racionalismo auf der Insel sind Gabriel
Alomar, Josep Maria Monravà, Carlos Garau, Guillem Muntaner, José
de Oleza Fratés. Guillem Forteza reiste gar zu Studien nach
Deutschland.
Wer aufmerksam durch Palma läuft, erkennt die Häuser an ihren
wohlproportionierten Fassaden, den abgerundeten Ecken, den
rhythmischen Betonbändern. Manche der Gebäude sind geschüzt, andere
stark heruntergekommen, dritte grotesk umgebaut. Die Bauwerke
dieser architektonischen Stilrichtung sind wie Perlen, die unter
einer dicken Schicht Staub darauf warten, neu entdeckt zu
werden.
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