Mallorca Wir schwimmen beinahe das ganze Jahr im Meer, tauchen,
schnorcheln, segeln oder durchqueren es mit dem Kanu, doch die Welt
unter Wasser ist selbst für Forscher größtenteils noch ein Rätsel.
Und selbst das Mittelmeer, das als eines der am besten erforschten
Gewässer der Erde gilt, hält immer wieder Überraschungen
bereit.
Dabei handelt es sich nicht nur um versunkene Wracks und
Flaschenpost, die hier immer wieder auftaucht. Erst 2006 wurde hier
das bisher größte Lebewesen der Welt entdeckt, ein
zusammenhängender Algenteppich von rund acht Kilometer Länge und
einem geschätzten Alter von 100.000 Jahren. Die Pflanze, deren
Wurzeln aus einem einzigen Samen entstanden sind, befindet sich in
einem 700 Quadratkilometer großen Unterwassergarten, der sich von
Formentera bis vor den Strand Ses Salines von Ibiza erstreckt.
Ein unvorstellbarer Schatz für das heutige Leben im Mittelmeer,
das durch den Wegbruch der Landbrücke zwischen Afrika und Europa
und der Entstehung der Straße von Gibraltar vor über fünf Millionen
Jahren begonnen hat. Der "Gibraltar-Wasserfall" aus dem Atlantik
füllte das zuvor sehr seichte Mittelmeer auf wie eine
Badewanne.
"Das Mittelmeer rund um die Balearen ist in einem akzeptabeln
Zustand, aber es könnte besser sein", sagt Dr. Enric Massutí. Seit
Dezember 2008 ist er Direktor des Ozeanografischen Instituts der
Balearen in Palma (COB) und damit einer von zahlreichen
Meeresforschern auf den Balearen, die sich mit dem Leben und
Sterben im Meer befassen. Das Zentrum in Palma ist eines von neun
Ablegern des spanischen Institutes für Ozeanografie in Madrid
(IEO), die allesamt dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung
angehören.
Doch Palma war landesweit Vorreiter auf dem Gebiet der
Meeresforschung. Bereits 1880 begann Odón de Buen, Professor für
Naturwissenschaften der Universität von Barcelona, mit seinen
Studenten Studienfahrten an verschiedene Mittelmeerküsten, unter
anderem nach Mallorca, zu organisieren. 1908 gründete er das
"Institut Oceanogràfic de Portopí", erst sechs Jahre später wurde
das nationale Ozeanografische Institut in Madrid gegründet. Jetzt
erinnert eine Jubiläumsausgabe, herausgegeben vom "Institut
d'Estudis Baleàrics", an 100 Jahre Ozeanografie auf Mallorca.
"Wir leben auf einer Insel, was liegt da näher, als das Leben im
Meer um uns herum zu erforschen", sagt Enric Massutí. Rund 50
Wissenschaftler des COB arbeiten hier mit Forschungsgeldern von der
Regierung oder aus EU-Mitteln an unterschiedlichsten Projekten.
Auch das "Instituto Mediterráneo de Estudios Avanzados" (IMEDEA)
befasst sich von Mallorca aus mit dem Leben unter Wasser. Das
Institut mit Sitz in Esporles, das ebenso wie das COB dem
Forschungsministerium unterstellt ist und ähnliche Fördermittel
erhält, arbeitet dazu mit der BalearenUniversität zusammen und
beschränkt sich nicht ausschließlich auf das Meer, sondern bezieht
auch Projekte an Land mit ein. Sowohl dessen Mitarbeiter als auch
die Wissenschaftler der renommierten nichtstaatlichen
Meeresforschungsorganisation "Oceanea Europa" in Madrid, der der
Mallorquiner Xavier Pastor als Direktor vorsteht, werden deshalb in
den nächsten Wochen und Monaten im Mallorca Magazin zu Wort
kommen, um sich zu Themen rund um das Mittelmeer zu äußern.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf das Unterwasser-Leben aus?
Mit welchen Strömungen gelangen Quallen in unsere Gewässer? Warum
vermehrt sich der Zackenbarsch wieder, sind der rote Thunfisch und
der Kaisergranat aber bedroht, und was bedeutet es für das
mediterrane Ökosystem unter dem Meer, wenn sich plötzlich fremde
Fischarten aus dem roten Meer durch den Suez-Kanal schlängeln und
hier heimisch werden? Warum gäbe es ohne Algen weniger Sand und
welche Giftstoffe gelangen ins Meer?
Das, so sagt Enric Massutí, sei nur ein Bruchteil der
Forschungen, der Licht ins Dunkel des Meeres bringen will. "Was
wissen wir über das Meer, das uns umgibt? Wir haben hier mehr als
100 submarine Vulkane entdeckt, die 1'4 Millionen Jahre alt sind,
kennen das Relief des Meeresbodens und beobachten hier Haiarten,
die es schon lange vor der Existenz von Dinosauriern gab. Aber wir
schaffen es nicht, bestimmte Fischsorten vor dem Aussterben zu
bewahren", sagt Massutí.
Dabei hat keine andere Region Spaniens so viele Meeresnaturparks
wie die Balearen. Sieben Gebiete von 58.300 Hektar stehen hier
unter Naturschutz, hinzu kommen die Gewässer um Cabrera. In wenigen
Meeren ist das Leben noch so intakt wie hier. Es lohnt sich, etwas
genauer hinzuschauen und abzutauchen in die faszinierende Welt
unter Wasser.
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