Wenn die Uhr am Abend auf halb acht springt,
ruft ihn Ehefrau Regine. Gustavo verlässt dann sein Atelier und
eilt vor den Fernseher. Die „Abendschau” des Rundfunks
Berlin-Brandenburg ist Pflicht. Die Weltstadt an der Spree war fast
20 Jahre die Heimat des Spaniers, der deutsche Tugenden wie
Verlässlichkeit und Pünktlichkeit liebt. Und obwohl Gustavo schon
seit 1995 wieder auf Mallorca lebt, wo er auch aufgewachsen ist,
will er immer noch täglich wissen, was in der deutschen Hauptstadt
passiert. „Ich liebe Berlin so sehr. Nach meinem Tod soll ein Teil
meiner Asche ins KaDeWe kommen”, sagt der Künstler, der stets für
einen Scherz gut ist, es diesmal aber offenbar ernst meint.
An diesem Samstag, 11. April, wird Gustavo wohl die „Abendschau”
verpassen. Denn der im spanischen Cartagena geborene Künstler, der
1946 mit seinen Eltern nach Mallorca gezogen ist, feiert seinen 70.
Geburtstag. „Wir werden in einem Restaurant in Palma essen, ich
rechne vielleicht mit zwei Dutzend Gästen. Genau weiß ich das aber
nicht. Das organisiert alles Regine, es soll eine Überraschung
werden.” Gustavo hat zumindest schon mitbekommen, dass er Menschen
begrüßen kann, die er schon seit vielen Jahren nicht gesehen
hat.
Weil er so lange in Deutschland gelebt und gearbeitet hat, zählt
er dort zu den wichtigsten und bekanntesten zeitgenössischen
spanischen Künstlern. In Berlin durfte er sogar ein Hochhaus
gestalten, in der ihm eigenen Art.
Gustavos Bilder sind fröhlich, verspielt, man erkennt sie auch
an den kräftigen Farben. Und an den stets ungewöhnlichen Titeln,
die der Wahl-Mallorquiner seinen Werken gibt. So fertigte er zum
Beispiel anlässlich des 70. Geburtstags eine Skulptur, die
„Pensionierte Stewardess mit Propellernostalgie” heißt.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Kunst von Gustavo. Sie
ist markant, lässt sich nicht in eine Schublade packen. Manche
Kritiker halten es deshalb für denkbar, dass Gustavo-Werke erst
Jahre nach seinem Tod richtig boomen werden. Der Künstler selbst
beschreibt seinen aktuellen Stil so: „Es ist ein Kaleidoskop von
allem, die Summe von vielen Phasen.”
Wenn Gustavo in seinem Atelier Son Turó in Capdepera die in
seinem Kopf entstandenen Bilder auf Leinwand bannt, läuft immer
Musik. Mal Jacques Brel, mal die Callas, dann wieder ein ganze
Woche Mozart. Rock aber eher weniger. „Das war mehr in meiner
politischen Phase. Ende der 60er, Anfang der 70er. Ich mochte zum
Beispiel Frank Zappa und Pink Floyd.”
Gustavo malt immer an mehreren Bildern gleichzeitig. „Ich
brauche Emotionen. Wenn ich ein Bild angefangen habe, dann verliere
ich nach zwei oder drei Tagen die Emotionen. Kein Mensch kann einen
Orgasmus von drei oder vier Tagen haben.” Also wechselt er das
Werk, kehrt später mit neuen Emotionen zurück.
In 46 Jahren hat Gustavo 4000 Ölbilder gemalt. In den
vergangenen Wochen hat er sich um einige von ihnen bemüht, braucht
die verkauften Bilder als Leihgaben. Denn anlässlich seines 70.
widmet der Rundfunk Berlin-Brandenburg dem „Abendschau”-Fan eine
Ausstellung, die am 14. Oktober im Hauptsitz des RBB an der
Masurenallee eröffnet werden soll. Es wird ein Streifzug durch das
künstlerische Leben Gustavos. Viele seiner Bilder für die
Ausstellung findet er bei Sammlern in Berlin, rund 90 Prozent der
Gustavo-Kunden stammen aus Deutschland.
Zum Freundeskreis von Gustavo zählen viele Prominente. Einer
davon wird die Eröffnungsrede der Ausstellung halten: Berlins
Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Die beiden kennen sich
schon seit den 80er Jahren und sind gut befreundet.
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