Der Golfsport auf Mallorca ist eine konfliktive
Angelegenheit. Für seine Befürworter ist er ein willkommenes
Instrument, um einen sogenannten "Qualitäts-Tourismus" von hoher
Kaufkraft anzulocken, der gerade in den kühlen Monaten zur
Entzerrung der saisonalen Abhängigkeit beiträgt. Die Golfer
bescheren den Inseln Einnahmen von 226 Millionen Euro im Jahr,
verkündete Susanna Sciavolli, Direktorin des balearischen
Tourismusamtes Ibatur, unlängst.
Für die Gegner wiederum sind Golfplätze wegen ihres
Wasserbedarfs und der sie flankierenden Bauprojekte ein
regelrechtes Attentat auf die Ökologie und die Landschaft der
Insel. Golf-Skeptiker halten die Zahl von rund 20 Plätzen auf
Mallorca für ausreichend, damit die Liebhaber der kleinen Bälle
ihrer Sportart frönen können. Zusätzliche Plätze werden abgelehnt.
Wie umstritten die Genehmigungsverfahren sind, lässt sich derzeit
an den beiden Vorhaben Son Bosc in Muro und Son Baco in Campos
beobachten.
Geht man der Frage nach, seit wann der Golfsport mit der Insel
verwurzelt ist, zucken die meisten Befürworter wie Gegner mit den
Schultern. Insider nennen den Golfplatz von Son Vida die Wiege des
Rasensports auf Mallorca. Auf dem dortigen Platz in Palmas
luxuriöser Wohnsiedlung wurde erstmals 1964 abgeschlagen. Son Vida
ist tatsächlich der älteste und heute noch bespielbare Platz der
Insel. Aber Son Vida - das war bislang nur ganz wenigen Menschen
bekannt - war nicht der erste Golfplatz Mallorcas, der das
mediterrane Licht der Insel erblickte. Denn schon exakt 30 Jahre
zuvor, im Jahre 1934, wurde in Alcúdia der Platz "Golf de Alcúdia"
in Betrieb genommen. Wie MM-Redakteur Alexander Sepasgosarian Ende
vergangener Woche bei den "6. Lokalhistorischen Studientagen von
Alcúdia" bei einer Präsentation im dortigen Auditorium vortrug,
wurde der Golfplatz im Februar 1934 feierlich eröffnet. Rund 150
geladene Gäste, Politiker und Journalisten sowie die Honoratioren
aus Palma, machten sich in Bussen auf den Weg nach Alcúdia, um dem
Ereignis beizuwohnen.
Initiator des Golfplatzes war der Mallorquiner Mariano Gual de
Torrella. Der Industrie-Ingenieur entstammte einem alten
Aldelsgeschlecht, sein Vater war einer der großen Landbesitzer im
Norden der Insel. Der Besitz umfasste auch weite Teile des
Feuchtgebietes S'Albufera, das in jenen Jahren noch viel
weitläufiger war als heute.
Mariano Gual de Torrella wollte mit zwei Gleichgesinnten - Jaume
Enseñat und Pere Mas Reus - an der Bucht von Alcúdia und ihren
weißen Sandstränden eine Urbanisation von höchstem Luxus errichten.
Die Planungen für das Vorhaben oblagen einem US-Architekten. Das
Projekt sollte mit all jenen Einrichtungen aufwarten, die der
damalige Jetset für unverzichtbar hielt. Vorgesehen waren neben
einer Vielzahl von Villen und Alleen ein Casino, ein Yachthafen,
Tennisplätze, ein eigener Flugplatz und eben jener Golfplatz.
Realisiert wurde von von dem Projekt nur sehr wenig. Denn 1936
brach der Spanische Bürgerkrieg aus und machte das Vorhaben
zunichte. Einzig der 18-Loch-Golfplatz ließ sich verwirklichen.
Zumindest startete er mit den ersten neun Löchern. Ob bis
Kriegsausbruch tatsächlich alle 18 Löcher bespielbar waren, ist
nicht bekannt.
(Ein zweiter, geplanter Golfplatz beim Hotel Formentor bei Pollença
kam 1936 wegen Kriegsausbruchs über das Projektstadium nicht
hinaus.)
Unklar ist ferner, ob der Flugplatz, wie er in dem Entwurf zu sehen
ist (Maßstab 1:2000), auch wirklich in dieser Form realisiert
wurde. Einen Flugplatz gab es in Alcúdia in jenen Jahren sehr wohl.
Vor allem eine französische Fluggesellschaft bediente die Linie
Marseille-Alcúdia-Algier. Einer ihrer Piloten war Antoine de
Saint-Exupéry, der spätere Autor der Kult-Erzählung "Der kleine
Prinz".
Wer spielte in den 30er Jahren in Alcúdia Golf? Es waren vor
allem Briten, die dem in ihrer Heimat längst populären Sport
frönten. Pollença, der Nachbarort von Alcúdia, war in der
Zwischenkriegszeit fest in britischer Hand. Die Untertanen des
Königs in London stellten die ersten ausländischen Touristen und
Residenten im Norden der Insel. Möglich, dass Mariano Gual de
Torrella und seine Geschäftspartner von britischen Bekannten auf
die Idee gebracht wurden, einen Golfplatz zu eröffnen. Vorbilder
gab es schon damals in Spanien genug: Golf-Anlagen existierten in
jenen Tagen bereits in Barcelona, Madrid, Málaga, Sevilla,
Algeciras, Santander und Sant Sebastián.
Das große Interesse der Briten an Golf spiegelte sich damals in
den Medien wider: Während die mallorquinische Tageszeitung "Ultima
Hora" der Eröffnung des Golfplatzes in Alcúdia gerade einmal sechs
Zeilen widmete und sich ansonsten auf Werbeanzeigen beschränkte,
beschrieben britische Blätter den Platz ausgiebig. Dort war zu
erfahren, das Mariano Gual de Torrella sich den Umbau des
Feuchtgebietes rund zwei Millionen Pesetas kosten ließ. Er hieß die
S'Albufera-Tümpel auffüllen und verlegte sieben Kilometer
Rohrleitungen für die Bewässerungen der Rasenflecken. Es ist ferner
überliefert, dass sich der Prinz von Wales, Edward, während seiner
Stippvisite auf Mallorca 1934 nach dem Golfplatz erkundigte. (Der
Prinz war jener spätere König Edward VIII., der 1936 nach wenigen
Monaten Amtszeit abdankte, um die bürgerliche und zweimal
geschiedene US-Amerikanerin Wallis Simpson heiraten zu können.) Ob
Edward, der im Hotel Formentor logierte, tatsächlich in Alcúdia zum
Schläger griff oder doch nur die Drachenhöhlen bei Porto Cristo
besuchte, ist nicht bekannt.
Gleicht man den Entwurf der damaligen Urbanisation mit den
Stadtplänen von heute ab, erschließt sich rasch, dass der damalige
Golfplatz das heutige Gebiet südlich der Avinguda Túcan umfasste.
Heute ist die gesamte Fläche mit Hotels, Häusern, Straßen und
Kanälen bebaut. Einzig das Clubhaus des Golfplatzes ist noch
vorhanden, wenn auch baulich stark verändert. Es handelt sich um
die alte Windmühle am Carrer d' Andorra. Das Gebäude, das für die
damaligen Golfer auch als Bar diente und sogar Spieltische für
Bridge bereithielt, war in den 1970er Jahren die bekannte Diskothek
Calypso. Heute beherbergt die Mühle das gleichnamige
Fitness-Center. Irgendwie hat das ehemalige Clubhaus also immer
noch etwas mit Sport zu tun.
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