Mehr als 35 Tonnen Meer und Gischt gewordene
Farbe, Stalaktiten, wie sie die Drachenhöhle bei Porto Cristo nicht
gewaltiger in Szene setzt, ein 1400 Quadratmeter großes Signal der
Hoffnung, des Dialogs und der Toleranz: Angesichts der
Großartigkeit von Miquel Barcelós neuestem – und wie einige
Kunstkritiker sagen – bedeutendstem Kunstwerk sind die meisten
kritischen Stimmen verstummt. Am Dienstag, bei der Einweihung der
neuen Kuppel, die der mallorquinische Künstler in den vergangenen
13 Monaten mit rund 20 Helfern im „Saal der Menschenrechte und der
Allianz der Zivilisationen“ im Sitz der Vereinten Nationen in Genf
geschaffen hat, überschlugen sich die Redner fast vor Lob. Über
Geld wollte zumindest an diesem Tag niemand reden.
Das 20 Millionen Euro teure Deckenbild, das Spanien dem
europäischen Hauptquartier der UNO spendiert hat, soll die
zeitgenössische spanische Kunst in aller Munde bringen, so der
spanische Regierungschef José Luis Rodriguéz Zapatero. „Das ist das
Werk eines Genies, eines spanischen Genies“, sagte er bei der Feier
in Genf. Barceló habe ein „bewegendes Werk geschaffen, eine
Metapher für die Welt und seine Komplexität“. Es sei das beste
Kulturprojekt, das Spanien seit Jahrzehnten hervorgebracht hat und
ein bedeutendes Kunstwerk für das 21. Jahrhundert, pflichtete
Miguel Zugaza, Direktor des Prado-Museums in Madrid, bei. Die
„unzweifelhafte Schönheit und Aus-druckskraft“ des Kunstwerks
bewunderte der spanische König Juan Carlos. „Es wird die Fantasie
aller, die hier arbeiten, beflügeln“, befand UNO-Generalsekretät
Ban Ki-moon vor über 700 geladenen Gästen aus Politik und
Wirtschaft, unter ihnen die mallorquinische Familie des Künstlers,
Freunde aus Paris und Mali, wo er seine Winter verbringt, und nicht
nur eine Delegation der spanischen Regierung, sondern auch eine der
Balearen. Hat doch die Regierung des Archipels ebenfalls 150.000
Euro für das Monumental-Werk beigesteuert. Dafür darf die
Heimatregion des 51-jährigen Starkünstlers aus Felanitx den
Dokumentarfilm über die Entstehung der bunten UNO-Höhle für
Werbezwecke verwenden.
Barceló, der wie immer ohne Krawatte auftrat, machte selbst
keine großen Worte. Er beschränkte sich darauf, einen Text über
seine Arbeit in drei Sprachen – Französisch, Katalanisch und
Spanisch – vorzulesen. Während er die meiste Zeit vor dem
offiziellen Teil bei den Besuchern aus seiner Heimat verbrachte,
war sein Platz während der Reden neben der Frau des spanischen
Ministerpräsidenten, Sonsoles Espinosa.
Unter den Gästen befanden sich auch Vertreter der spanischen
Großkonzerne, die 60 Prozent der Kosten über die Stiftung Onuart
tragen. 40 Prozent des Gelds muss der spanische Staat aufbringen.
Ins Gespräch gekommen war das Kunstprojekt, als bekannt wurde, dass
dafür 500.000 Euro aus einem Fonds für Entwicklungshilfe abgezweigt
worden waren: Wie viele Impfungen, Brunnen, Renovierungen, wie
viele Tausend Kinder hätten mit dem Geld bedient werden können“,
fragte der Sprecher der konservativen Oppositionspartei PP. Die
Regierung sprach von „billiger Polemik“, das Geld sei für die
Unterstützung internationaler Organisationen vorgesehen gewesen, zu
denen auch die UN gehöre.
Barceló selbst soll sein Honarar als angemessen bezeichnet
haben. Er betonte, dass 80 Prozent der Kosten auf architektonische
und technische Leistungen zurückgehe. Damit sich die
UNO-Delegierten künftig zum Palaver im „Höhlenmeer“ zurückziehen
können, musste er „gegen die Schwerkraft anmalen“, wie er es
nennt.
Damit die Tonnen von Farbmasse, die er mit Paintball-Gewehren
gegen die Decke schleuderte, auch tatsächlich dort haften bleiben
und die bunten Stalaktiten nicht irgendwann abfallen, ersetzte er
die alte Kuppel durch eine neue mit einem Aluminiumgerüst und
beschäftigte Teilchenphysiker, Architekten, Ingenieure, einen Koch
und einen Höhlenforscher.
Wenn dort gerade keine Debatten stattfinden, soll der
Sitzungssaal künftig für Besucher geöffnet werden.
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