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Mallorca steht vor einer weitaus schlimmeren Wirtschaftskrise als die Politiker bislang einräumen wollten. So sieht es zumindest Antoni Riera, Direktor des Forschungszentrums für Ökonomie, das zu gleichen Teilen von der Sparkasse Sa Nostra und der Balearen-Universität getragen wird. Die Wirtschaftskrise wird für die Balearen „schmerzhaft” und „sie wird in die Geschichte eingehen”, sagte Riera bei der Präsentation des wirtschaftlichen Jahresberichts der Balearen 2007, den Sa Nostra im 40. Jahr veröffentlicht.

Doch jenseits aller Schwarzmalerei bietet die Krise auch neue Chancen, sagte Riera und plädierte eindringlich für „nachhaltige Entwicklung” mit Hilfe „grüner Strategien”. Während in Spanien und in Europa der Energieverbrauch seit 2000 gesunken sei (Euro-Zone minus 2'3 Prozent), habe er auf den Inseln stark zugenommen (plus 10'1 Prozent). Vor der Herausforderung des Klimawandels, sei es ökonomisch betrachtet günstiger, jetzt eine Änderung des balearischen Produktionsmodells anzugehen, als – bei Nichtstun – später die negativen Folgekosten bewältigen zu müssen. Diese würden um ein Vielfaches höher ausfallen.

Schonungslos rückte Riera die Strukturschwächen der Balearen-Ökonomie in das Bewusstsein von 500 Zuhörern. Der Präsentationstermin am vergangenen Dienstagabend in der Sa-Nostra-Zentrale zählt zu den Pflichtterminen balearischer Wirtschaftsvertreter und Politiker.

Schon zuvor hatte Antoni Riera die Wachstumsprognose für das laufende Jahr von zwei auf 1'5 Prozent heruntergeschraubt, wobei er in Zweifel zog, ob der neue Wert sich tatsächlich erreichen lasse.

Im Vorjahr hatte das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts 2'7 Prozent betragen; der höchste Wert seit 2001 und dem Absturz nach den Anschlägen des 11. September.

Nach Rieras Worten haben die Balearen seit Beginn des neuen Jahrtausends ein Wachstum verzeichnet, das auf den Inseln zu einer „demographischen und landschaftlichen Mutation” geführt habe. Vor allem auf Mallorca wurden in den sieben Jahren weit mehr Arbeitsplätze geschaffen als im spanischen Schnitt. Und viele dieser neuen Stellen wurden mit Ausländern besetzt. Seit dem Jahre 2000 hat sich die Zahl der ausländischen Residenten auf den Inseln mit 190.000 mehr als verdreifacht. Die Zahl der Ausländer aus Nicht-EU-Staaten wuchs im selben Zeitraum sogar um das Fünffache auf 93.840. Der Anteil der Ausländer auf den Inseln stieg von 6'5 auf 18'5 Prozent; spanienweit wuchs der Anteil von 2'3 auf zehn Prozent.

Der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts auf den Inseln hielt mit der Wachstumsdynamik der Bevölkerung keineswegs Schritt. Während der Wert aller Waren und Dienstleistungen von 2000 bis 2007 um 13'3 Prozent zulegte, stieg die Bevölkerung im selben Zeitraum um 21'9 Prozent. Das bewirkte, dass der Pro-Kopf-Anteil am Bruttoinlandsprodukt kontinuierlich abbahm. Die Balearen büßten dadurch 0'2 Prozent an Produktivität ein. Das bewirkte, dass sie im landesweiten Ranking der spanischen Regionen vom dritten auf den sechsten Platz fielen.

Eine Besserung dieser Situation sei ohne eine grundlegende „Transformation” der wirtschaftlichen Strukturen und eine Modernisierung der Gesellschaft nicht zu erreichen. Die Gründe: Die Balearen sind Schlusslicht.

Die Inseln haben im prozentualen Vergleich mit den anderen spanischen Regionen die wenigsten Hochschulabsolventen und die niedrigsten Investitionen – öffentlich wie privat – in Forschung und Entwicklung. 43 Prozent aller Jobs (Reinigungskräfte, Kellner, Fahrer, Steinmetze, Hilfsarbeiter beim Bau und in der Industrie) werden von niedrigqualifizierten Mitarbeitern wahrgenommen.

Nach Rieras Worten ging das Übermaß an Handarbeit einher mit einem überzogenen Landverbrauch. Von 2000 bis 2007 hat sich die bebaute Fläche von 0'49 auf 0'87 Prozent nahezu verdoppelt. Der damit einhergehende Verlust an Landschaftsqualität beraube die Inseln ihrer wichtigsten Stärke als touristische Destination.

„Ein Wachstum mit grünen Strategien ist möglich und notwendig”, betonte Riera. „Wir sollten jetzt anfangen zu rennen. Der Schnellere wird mehr Vorteile haben. Wer später antritt, hat höhere Kosten zu tragen.”