Es ist eine nette Geschichte, die man erst auf Nachfrage
erfährt. „Ich habe schon als Kind immer wissen wollen, was das für
Steinhaufen sind, dort auf der Wiese.” Aber niemand konnte Paula
Amengual eine befriedigende Antwort geben. Schließlich verschrieb
sich die Abiturientin aus Montuïri ganz dem Studium der
geheimnisvollen Quader. Nach vielen Semestern und einem Examen an
der Universität Barcelona kehrte Paula Amengual in ihr Heimatdorf
zurück. Dort widmet sich die Archäologin im Vollberuf der
Erforschung der steinzeitlichen Talaiot-Stätte von Son Fornés,
direkt am Ortsrand von Montuïri gelegen. Eine glühendere Kustodin
als diese junge Mallorquinerin hätte der archaische Steinhaufen
nicht finden können.
Wenn Paula Amengual wie vorgesehen am 14. Juni eine
deutschsprachige Führung durch das Talaiot-Museum und die
Ruinenstätte von Son Fornés begleitet, per Dolmetscher, dann ist
den Besuchern eine spannende Zeitreise in Mallorcas finsterste
Vergangenheit garantiert (siehe Info).
Son Fornés ist ein einzigartiger Glücksfall für die
Wissenschaft. Denn die Fundstätte wurde erst 1975 entdeckt. Sie war
vollständig mit Erde bedeckt, und quasi jungfräulich, als die
Archäologen mit modernsten Techniken und Herangehensweisen sich
dort Schicht um Schicht in die Tiefe gruben. Seit der Eisenzeit
hatte keine Zwischenzivilisation den konservierten Urzustand der
Talaiot-Siedlung verfälschen können.
Die Talaiots – jene kegelartigen, sich nach obenhin verjüngenden
Rundtürme mit einer Säule aus Quadern im Zentrum – bleiben auf
Mallorca beschränkt. „Es gibt zwar ähnlich aussehende Gebäude in
anderen Ländern, doch deren Bauweise ist ganz und gar
unterschiedlich”, erklärt Amengual.
Lange Zeit haben Altertumsforscher gerätselt, welchem Zwecke die
Bauten dienten. Wegen ihrer Wuchtigkeit hielt man sie für
Wohntürme, für Verteidigungsanlagen, für das Haus eines mächtigen
Hordenführers. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Son Fornés
widerlegen all diese Thesen. Auf dem Gelände der Fundstätte, die
erst zu 15 Prozent ausgegraben ist, finden sich zwei Rundtürme. Der
größere von ihnen war im Innern übersät mit Ochsen- und
Schweineknochen. Die Überreste wiesen Schnittspuren auf. „Alles
spricht dafür, dass der Bau der Schlachtung und Zerteilung von
Tieren diente, einer Metzgerei gleich, in der Fleisch zerlegt
wird.” Die zusammengehörigen Knochen von so manchem Rind und Eber
fanden sich verstreut in den schlichten Behausungen, die rund um
den Talaiot errichtet waren. Dort gab es auch Feuerstellen,
Haushaltswaren wie Töpfe, Schlafnischen. „Die Rundtürme selbst
waren nicht bewohnt. Es findet sich keine Spur von häuslichem
Alltagsleben.”
Den zweiten Talaiot mit stufenartigem Eintritt von oben fanden
die Forscher ganz anders vor: Er enthielt lediglich drei getöpferte
Kelchgefäße, wie sie unter den vielen Keramik-Gerätschaften in den
anliegenden Wohnbehausungen kein zweites Mal zu entdecken waren,
betont Amengual „Es muss sich um einen besonderen Gemeinschaftsraum
gehandelt haben. Vielleicht wurden hier die wichtigen
Entscheidungen der Sippe gefällt.”
Son Fornés wurde um 550 vor Christus von seinen Bewohnern
fluchtartig verlassen. „Es gibt Spuren einer Brandkatastrophe.” Die
Menschen hetzten fort oder wurden verschleppt und kehrten nie mehr
zurück, bauten ihr Heim nicht wieder auf. „Sie nahmen nichts mit.
Auf den Herdstellen blieben selbst die Töpfe zurück.”
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