Laut dröhnend setzte die Propellermaschine zur Landung an. In
der Kabine primitive klapprige Sitze und solch ein Lärm , dass man
sein eigenes Wort kaum verstehen konnte. Und draußen hinter der
Landebahn ein kleiner schäbiger Militär-Flughafen, nur verbrannte
Grasnarben bis zum Horizont – eine weitläufige, karge, staubige
Landschaft und das Nichts. Sieht so das Paradies aus?
Für die Residenten, die in den 50er, 60er oder Anfang der 70er
Jahren auf die Insel kamen, war es das. Sie, die Abenteurer, die
sich ein neues Leben aufbauen wollten, flüchten mussten vor
Staatsanwalt oder Ehefrau oder gar so keck waren, das Eiland als
ihr neues Feriendomizil zu erwählen: Fünf, sechs Flugstunden und
eine Zwischenlandung von der Heimat entfernt. Selbst wenn sie sich
heute zu- rückerinnern, verklären sich bei den meisten die
Gesichtszüge und eine verloren gegangene Welt wird vor ihrem
inneren Auge wieder lebendig: Ein Mallorca mit vielen Mängeln, aus
heutiger Sicht unzumutbar erscheinenden Verhältnissen – aber schon
damals heiß geliebt.
Und ein Mallorca voller Überraschungen: Wer vermutet heute
schon, dass die Hauptstraße von Santa Ponça, die direkt bis zum
Strandboulevard führt, einst Spaniens erste Hundert Meter Autobahn
waren? Dabei war es um die Verkehrswege der Insel noch bis in die
80er eher mau bestellt: Staubige Karrenwege schlängelten sich durch
die Landschaft. Peguera war mit Palma durch einen besseren Feldweg
verbunden, der über den Galatzó-Hügel führte, auf dem heute das
Hotel Maritim Galatzó steht. Er war so eng, dass die Busse in den
Kurven anhalten mussten, um sie zu kriegen – eine Stunde dauerte
die Reise.
Auch nach Sóller kam man nur über den Berg: An Wochenenden
zuckelten die Autos Stoßstange an Stoßstange durch die Serpentinen.
Glücklich, wer ein Auto hatte: Eine Straßenbahn, Esels- und
Pferdekarren gehörten zum alltäglichen Bild und in Palma gab es
fast mehr Taxis als Privatwagen. Ampeln waren also nicht vonnöten:
Der dürftige Verkehr wurde von Polizeibeamten geregelt. Wer die
Ferien über herkam, der ließ es sich nicht nehmen, sich fürs
Fotoalbum mit einer so exotischen Pflanze wie einem Orangenbäumchen
fotografieren zu lassen.
Am Flughafen sah man die Reisenden mit dem Bademantel über dem
Arm: Erlaubt war nur ein kleines Gepäckstück, welches das
Frotteeknäuel alleine schon ausgefüllt hätte. Ebenfalls im Gepäck:
Ein Adapter für die 110-Volt-Steckdosen. Beliebt war die Insel
übrigens nicht nur bei Deutschen und Engländern: Damals verbrachten
noch viele Franzosen aus Algier hier ihre Ferien.
Untergebracht waren die Touristen in kleinen, vereinzelt am
Strand zu findenden einfachen Pensionen, meist mit vier bis zehn
Zimmern und der Toilette auf dem Gang. Im Bad kam Salzwasser aus
dem Wasserhahn, abends wurde jedem ein Kännchen mit Süßwasser zum
Zähneputzen aufs Zimmer gestellt. Ein zentrales Wassersystem gab es
nicht – das frische Nass brachte der Tankwagen, und der Strom wurde
in jedem Dorf selbst produziert: Bis Mitternacht ratterte der
Generator, dann war Zapfenstreich.
Einen Kühlschrank konnten sich nur die wenigsten leisten, und
wenn, stand er als Statusymbol in der guten Stube neben dem
Fernseher. Der lief in den 80er Jahren in den Bars heiß, wurde gar
nicht mehr ausgeschaltet. Bis in die 70er aber unterhielt man sich
mehr mit Stier- oder auch dem heute verbotenen Hahnenkampf.
Restaurants hatten die Dörfer meist nur eines und Tanzlokale
oder Kneipen waren selten – oder von höchst eigenartigem Charakter.
In Galilea gab es gar einen Dorfpfarrer, der nach dem Gottesdienst
direkt an den Zapfhahn der hinter der Sakristei angrenzenden Bar
wechselte. Bier gab es auf der Insel natürlich kein deutsches – die
Residenten tranken „San Miguel“, das kam dem Pils am nähesten.
Die Zahl der deutschen Residenten war so überschaubar, dass noch
jeder jeden kannte. Dabei wuchs die Bevölkerung exponentiell: 1970
lebten etwa in Palma mehr als doppelt so viele Menschen wie noch
1950. Um die eigene Kultur zu pflegen, kristallisierten sich nach
und nach deutsche Lokalitäten der etwas anderen Art heraus: Wie
etwa ein Lokal in Cala Rajada, in dem nicht nur die Deutschen
zusammensaßen, sondern auch mehr als 30 Katzen.
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