Pünktlich eine Woche vor dem Weltfrauentag am 8. März, der als
„Día de la Dona“ auch dem Rathaus in Palma ein mehrtägiges Programm
wert ist, gingen die Menschen in Madrid gegen „Macho-Gewalt“ auf
die Straße. Demonstrationen, die man sonst nur kennt, wenn
baskische ETA-Terroristen einen Mordanschlag verübt haben.
Paradox: Einerseits kann Spanien inzwischen fast als Vorreiter
in Sachen Gleichstellung gelten, zumindest was die Vertretung von
Frauen in hohen politischen Ämtern angeht - und das ist auf
Mallorca nicht anders. Andererseits werden Frauen in Spanien immer
noch auffällig häufig Opfer männlicher Aggressionen. Gerade
erschütterte eine neue Welle von „Macho-Gewalt” das spanische
Festland: In nicht einmal 24 Stunden wurden Mitte letzter Woche
vier Frauen in verschiedenen Städten von ihren (Ex-) Ehemännern
oder Lebensgefährten ermordet – so viele Opfer wie noch nie zuvor
an einem Tag. Nur eine der getöteten Frauen hatte ihren Partner
zuvor wegen Misshandlung angezeigt. Insgesamt wurden seit Beginn
des Jahres in Spanien insgesamt 17 Frauen von ihren Partnern
ermordet.
An der politischen Spitze des Landes indes herrscht
Frauen-Power. Im europäischen Vergleich (Durchschnitt: 23 Prozent)
liegt Spanien mit 41 Prozent Frauen in politischen
Schlüsselpositionen an dritter Stelle nach Finnland (60 Prozent)
und Schweden (45 Prozent) – Deutschland wartet mit gerade mal 31'6
Prozent Frauenanteil im Bundestag auf. Auf Mallorca haben die
Frauen in der Politik ebenfalls die Nase vorn. Nachdem Maria
Antònia Munar von der Unió Mallorquina ganze zwölf Jahre
Inselratspräsidentin war, und jetzt Präsidentin des
Balearenparlaments ist – hat die Sozialistin Francina Armengol nun
ihr Amt übernommen. Ob PP-Vorsitzende Rosa Estaràs oder Palmas
Bürgermeisterinnen, die nach Catalina Cirer jetzt mit Aina Calvo
weiterhin unter sich bleiben: Die Handschrift der Politik auf
Mallorca ist weiblich.
Nicht umsonst hat Spanien als erstes EU-Land im März 2007 ein
Gesetz zur Gleichstellung verabschiedet, um Frauen bessere
Startbedingungen in Politik und Wirtschaft zu eröffnen. Danach sind
die Parteien verpflichtet, bei Wahlen mindestens 40 Prozent Frauen
aufzustellen, ab 2015 soll dies auch für Verwaltungsräte gelten.
Unternehmen mit mehr als 250 Angestellten müssen schon jetzt einen
Gleichstellungsplan vorlegen. Hinzu kommt ein Anspruch von Vätern
auf zwei Wochen Vaterschaftsurlaub, der ab 2013 auf einen Monat
ausgeweitet wird. Bei Auftragsvergaben begünstigt der Staat
Unternehmen, die eine gleichberechtigte Politik verfolgen.
Inwieweit solche Gesetze tatsächlich das Leben von Frauen
erleichtern, kann nur die Praxis beweisen.
Gerade beim Thema „Häusliche Gewalt” dürfte die Dunkelziffer
nach wie vor hoch sein – solche Alltagsprobleme lassen sich eben
nur bedingt durch Paragraphen lösen. Das sieht man vor allem auf
dem Arbeitsmarkt, wo sich die Situation für Frauen kaum gebessert
hat – in Spanien wie auch im übrigen Europa. Der Jahresbericht 2006
der Europäischen Kommission zur Gleichstellung verweist auf noch
„beträchtliche Diskrepanzen“: Deutlich mehr Frauen (32'6 Prozent)
als Männer (7'4 Prozent) üben eine – relativ schlecht bezahlte –
Teilzeittätigkeit aus.
Frauen stellen nur 32 Prozent der Management-Kräfte in
Unternehmen. Lediglich 10 Prozent der Vorstandsmitglieder und 3
Prozent der Geschäftsführer sind weiblich. Frauen verdienen nach
wie vor beträchtlich weniger als Männer, pro Arbeitsstunde rund 15
Prozent. Die Umsetzung der Gleichberechtigung im Alltag gestaltet
sich also nach wie vor zäh. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass
Frauen in Spanien erst seit 1931 wählen dürfen (in Deutschland:
1918), und die Verhütung – nicht die Abtreibung! – erst 1978 den
Status einer strafbaren Handlung verloren hat.
Nach wie vor sind, nicht nur in Spanien, politische und
wirtschaftliche Initiativen nötig, um die Gleichstellung
voranzutreiben - wie mit der Aktion „women@ceBIT” in Hannover, die
den Frauen den Zukunftsmarkt IT erschließen soll. Auf Mallorca
nehmen die Frauen das Ruder selbst in die Hand. Etwa die „Mujeres
Geniales”. Das Netzwerk wurde 2005 gegründet, um „Frauen, die auf
Mallorca leben oder Mallorca sehr verbunden sind, eine Plattform zu
bieten, um Gleichgesinnte kennenzulernen“.
„Mädchen-Power“ herrscht zurzeit auch in der spanischen
Königsfamilie. Ob das so bleibt? Laut Verfassung würde Infantin
Leonor – nach ihrem Vater Felipe an zweiter Stelle in der
Thronfolge – , mit jedem Bruder um eine Position zurückfallen. Ob
die Verfassung in diesem Punkt geändert werden soll, wird die
Regierung das Parlament frühestens 2008 abstimmen lassen.
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