Schenkt man den offiziellen Zahlen Glauben, dann boomt der Tourismus auf Mallorca wie zu allerbesten Zeiten. Die Hotels sind gefüllt bis unters Dach. Die Betten sind ausgelastet, wie es sich deren Eigentümer nur wünschen können. Nach Angaben des spanischen Statistik-Instituts (INE) sollen die Einnahmen der Hoteliers allein im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5'7 Prozent zugelegt haben.
Sieben Millionen Übernachtungen auf Mallorca bewirkten, dass die Balearen 40 Prozent aller Übernachtungen in Spanien auf sich vereinten. Zuwachs: Plus 1'1 Prozent gegenüber Juli 2006. Mallorca war zu 90'9 Prozent ausgebucht, Spitzenreiter Alcúdia brachte es auf 99 Prozent. Palmas Airport meldete für Juli mit 3'1 Millionen Passagieren einen neuen Monatsrekord. Und den Angaben der Balearen-Regierung zufolge sollen nach dem positiven August die Buchungen auch für September über denen des Vorjahres liegen, das ohnehin als touristisches Rekordjahr gilt.
Nun ist nicht davon auszugehen, dass die offiziellen Daten falsch sind. Gleichwohl gibt es auf Mallorca auch andere Wahrnehmungen, nach denen sich nicht so viele Urlauber auf der Insel aufhalten wie in vergangenen Sommern. Das sind, zugegeben, subjektive Eindrücke, ohne statistische Erhebungen. Aber es gibt Plätze und Straßen in bestimmten Touristenorten der Insel, die scheinen besonders im Juli und August längst nicht so belebt gewesen zu sein wie sonst. Wo früher viele Menschen abends in den Straßencafés die Tische belagerten, herrschte teils gepflegte Leere.
Diesen Eindruck, den MM bereits Anfang August mit „Uns wundert's” kommentierte (MM 32/2007), hatten auch andere. In einem Brief schrieb etwa MM-Leser Gerd Wollny aus Peguera (MM 34/2007): „So langsam reichts mit der Münchhausen-Insel Mallorca: Der Juni war angeblich besser als im Vorjahr, obwohl jeder gesehen hat, wie leer es überall war. Juli/August waren angeblich ausgebucht, dabei braucht man im Internet nur eine Minute, um Hunderte Hotelangebote in allen Regionen zu finden.”
Wie ist dieser Widerspruch zu erklären? Die Vorstellung, die Belegungszahlen seien geschönt, passt nicht mit Erfahrungen aus der Vergangenheit zusammen. Besonders die Hoteliers sind meist schnell zur Stelle, wenn es gilt, über rückläufige Entwicklungen oder Gewinneinbußen zu klagen. „Hast du diesen Sommer schon einen einzigen Hotelier jammern hören?”, fragt ein langjähriger spanischer Tourismusredakteur. „Die Insel ist so voll wie nie, die Unternehmer sind damit beschäftigt, ihr Geld zu zählen.”
Doch nicht aus allen Branchen, die von den Urlaubern leben, ist zufriedenes Schweigen zu vernehmen. Über „zu wenig los” beschweren sich je nach Zone die Betreiber von Restaurants und Lokalen, wie eine Umfrage des Verbandes der kleinen und mittelständischen Unternehmen (Pimem) vor Kurzem ergab. Zum einen habe die Hochsaison für diese Branche mit Mitte Juli später als sonst begonnen. Zum anderen litten gerade jene gastronomischen Betriebe am stärksten, die sich in der Nähe von Hotels mit All-inclusive-Angeboten befänden.
Insbesondere im Norden der Insel, vor allem in Can Picafort und Port d'Alcúdia, mache sich das Ausbleiben der Restaurantbesucher stärker bemerkbar als in den vergangenen Jahren. Gleiches gelte für den Raum Porto Cristo und mit Abstrichen auch für Cala Millor. Zuwächse in der Gastronomie werden dagegen in Sóller und in Palma verzeichnet. Im Südwesten der Insel erwarten die Wirte und Kellner ähnliche Erlöse wie im Vorjahr.
Insbesondere in Andratx läuft die Saison den INE-Angaben zufolge gut, weil mehr Touristen vom spanischen Festland registriert werden. Demnach habe die Zunahme der spanischen Touristen den Marktanteil der Briten bereits überflügelt. Möglich, dass dies mit ein Grund ist, warum sich der Eindruck aufdrängt, es seien weniger Touristen auf der Insel: Im Gegensatz zu den Briten und Deutschen werden die spanischen Urlauber auf den ersten Blick vermutlich als Einheimische wahrgenommen.
Der Handel auf Mallorca, der ebenfalls stark vom Tourismus lebt, rechnet in diesem Sommer mit rund 93 Millionen Euro Einnahmen, 2'7 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Der Geldsegen verteilt sich indes nicht gleichmäßig auf der Insel. Während nach einer Prognose des Einzelhandelsverbandes (Pimeco) die Ladenbesitzer in Palma mit mehr Erlösen rechnen, fallen die Zuwächse in den anderen Orten anscheinend gering bis rückläufig aus.
Das bestätigt einmal mehr, was Mallorcas Hotelverband bereits im Frühjahr verkündet hatte: Palma hat sich mehr und mehr zu einer attraktiven Shopping-Meile entwickelt. Und zwar als Ganzjahres-Ziel, unabhängig von den Zyklen der Sommer– und Wintersaison. Und damit auch unabhängig von touristischen Spitzen im Hochsommer, die Beobachter dann als ein Überlaufen des Stadtzentrums mit Urlaubern wahrnehmen würden.
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