Auch sechs Tage nach dem schweren Schiffsunglück sitzt den
Ibizenkos noch der Schrecken im Nacken. Das Eiland ist nur knapp
von einer Katastrophe verschont geblieben. Es hätte auch ein
vollbeladener Tanker und nicht nur eine Frachtfähre sein können,
die einen der vielen, dem Hafen von Ibiza vorgelagerten Felsen
rammte. Mit Techno und Chillout kommen zwar die Partyjünger in
Fahrt, ihre Autos aber nicht.
Dennoch, die Besorgnis bleibt. Die Zeitbombe in 45 Meter Tiefe
tickt weiter. Immer noch strömen geringe Mengen Öl und Diesel aus
kleinen Lecks des 142 Meter langen Iscomar- Schiffes ,,Don Pedro".
Taucher konnten zwischenzeitlich die grössten Risse versiegeln, die
kleinen Lecks sind für sie aber nur schwer zu lokalisieren.
Helikopter suchen weiterhin die Meeresoberfläche ab. Zwei grosse,
rote Spezialschiffe der Seenotrettung schiessen mit ihren
Wasserkanonen auf Ölflecke rund um die Unglücksstelle, um diese zu
zerstäuben. Kilometerlange schwimmende Barrieren sollen das Öl von
der Küste fernhalten. aber es wird immer noch Treibstoff
angeschwemmt, wenngleich täglich weniger.
Ingesamt 90 der vermuteten rund 200 Tonnen gebunkerten Schwer-
und Dieselöls, so das balearische Umweltministerium, konnten
bislang eingesammelt werden. Die beiden Strände von Ibiza-Stadt
(Platja de ses Figueretes und Talamanca) sind für das Baden nach
wie vor gesperrt. An der zur Nachbargemeinde Sant Josep de sa
Talaia gehörenden Platja d'en Bossa gab es am Dienstag Entwarnung
Die rote Flagge wurde gegen eine gelbe ausgetauscht, die dicken
Öl-Absperrwülste auf den Strand gezogen. Aber die Playa ist
verwaist. Noch hat sich die gute Nachricht nicht
herumgesprochen.
,,Normalerweise ist es um zwölf Uhr hier rappelvoll," sagt ein
Kellner der ,,Bar nassau". Heute sitzt hier nur eine Handvoll
Medienvertreter, und zwei Arbeiter vom Strandsäuberungskommando
gönnen sich ein Kaffeepäuschen. Auch Liegenvermieter Ramón hat
nicht viel zu tun. ,,Schau dich um, nicht einmal ein Zehntel der
Liegen sind belegt". Strandmasseurin Marga knetet schon seit Tagen
keinen Urlauber mehr durch. Am Strand Figueretes ist noch weniger
los. Rettungsschwimmer Antonio flirtet mit argentinischem Akzent
gelangweilt mit zwei blassen Engländerinnen. Auf mehr Schäfchen
muss er an seinem Abschnitt heute nicht aufpassen. ,,Eine Playa
ohne Leute ist schon verdammt trist."
Strandverkäufer gibt es keine, Souvenirstände an der Promenade
werden erst gar nicht aufgebaut. Carmen sitzt in ihrem kleinen
Kabuff des dortigen Touristen-Informationsbüros und versucht den
enttäuschten Urlaubern Inselausflüge abseits der Ölpest schmackhaft
zu machen oder erklärt den Weg zu nicht verschmutzten Stränden.
,,Ich kann den Urlaubern auch nur sagen, was im Fernsehen berichtet
wird. Ofizielle Informationen habe wir keine." Normalerweise würde
Carmen den nahegelegenen Strand im Naturschutzgebiet Ses Salines
als Ersatzplaya empfehlen. Aber dorthin weichen jetzt alle
Reiseveranstalter und Hotels aus. Sie bieten ihren Gästen
kostenlose Bustransfers an. ,,Da wimmelt es jetzt nur von
Urlaubern."
Wer die Möglichkeit hat, sich ein Auto zu mieten, verbringt die
Strandtage an den mehr als 50 weiteen touristisch erschlossenen
Playas der Insel. Aber die Nachfrage nach Leihwagen kann nicht
immer befriedigt werden. Günstige Modelle gibt es gar nicht mehr.
Am Strand von Talamanca ist das Katastrophenszenario am
deutlichsten präsent. Dutzende der rund 150 Mitarbeiter, die im
Kampf gegen das Öl eingesetzt werden, waten hier in ihren einst
weissen Schutzanzügen durch das seichte Wasser, um mit Schaufeln,
Rechen und sogar Spachteln Ölrückstände aufzuklauben. Zahlreiche
Schaulustige räkeln sich in der Sonne und beobachten die Plackerei.
Von morgens um acht wird Zentimeter für Zentimeter das Areal
durchgekämmt. Tausende und Abertausende Male bücken sich die
Arbeiter, um Ölklümpchen in der Grösse einer Münze in ihre Eimer zu
werfen.
,,Geht mal weiter hinten schauen", ruft ein Arbeiter der Presse
zu. Da gibt's richtig was zu sehen. Mehrere Männer stehen dort bis
zu den Waden und kämpfen schwitzend mit dem Schwerölschlick. Nur
manche tragen Gummihandschuhe. Atemmasken hat niemand auf. Einige
Arbeiter greifen mit ihren zu einer Schaufel geformten nackten
Händen nach der hochgiftigen Masse und fördern mit nur einer
baggernden Bewegung gleich mehrere Kilo hochgefährlichen Schlamm
zutage. Kaum klickt die Kamera, schreitet ihr Chef ein, behindert
und beschimpft den Pressefotografen und droht mit Polizei und sogar
dem Zivilschutz. Vermutlich, so der Fotograf, werden hier
elementare Arbeitsschutzverordnungen nicht eingehalten.
,,Von mir aus kann der Zivilschutz gerne kommen, das gibt neue
Motive." Weniger Probleme mit den Medien hat der Präsident des
Hotelierverbandes Ibiza und Formentera, Roberto Hortensius. ,,Ibiza
hat als Insel ein sehr schlechtes Image bekommen. Denn die meisten
wissen nicht, dass die Hauptstadt der Insel auch Ibiza heisst. Und
im Prinzip waren nur deren Strände betroffen . Alle anderen Playas
sind topsauber. Aber wir sind sicher, dass wir diesen falschen
Eindruck schnell korrigieren können."
Wirtschaftliche Einbußen werden nicht befürchtet. Stornierungen
habe es aufgrund des Unfalls so gut wie keine gegeben.
Umweltschützer teilen den Optimismus der Hoteliers nicht. So lange
die ,,Don Pedro" nicht geborgen werde, sei es nur eine Frage der
Zeit, bis korrosionsbedingt wieder Öl in grossem Masse
auslaufe.
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