So fröhlich und cool war Umweltschutz noch nie: Etwa zwei
Milliarden Menschen sollen weltweit die Life-Earth-Konzerte am
Bildschirm mitverfolgt haben, mit denen im Juli 150 Musiker
unentgeldlich auftraten, um auf den Klimawandel aufmerksam zu
machen. Hollywoodstars wie Brad Pitt und Cameron Diaz engagieren
sich in Umweltstiftungen, und fahren werbewirksam in – luxuriösen –
Hybridautos zur Gala oder zur Filmpremiere vor. Al Gores
preisgekrönte Dokumentation „Eine unbequeme Wahrheit” ist einer der
erfolgreichsten Dokumentarfilme aller Zeiten. Haftete ökologischem
Bewusstsein früher der Mief von Birkenstocklatschen und der Charme
einer Jutetasche an, so ist „Nachhaltigkeit” auf einmal schick
geworden: Sich über den CO2-Ausstoß seines Mallorca-Fliegers
Gedanken zu machen, gehört heute fast schon genauso zum Lifestyle
wie die neueste Uhr von Dolce & Gabbana. Führt die Diskussion
über den Klimawandel also auch auf Mallorca zu einem besseren
Umweltverhalten der Bevölkerung, der Urlauber, der Tourismusbranche
als wichtigstem Industriezweig und der Insel-Regierungen?
„Die Balearen haben in den 90er Jahren eine Vorreiterrolle in
Sachen Ökologie gespielt”, hat Dr. Wolf Iwand, Leiter der Abteilung
Umweltmanagement des TUI-Konzerns beobachtet. Vor allem Calvià mit
der damaligen Bürgermeisterin Margarita Nájera, habe da
Unglaubliches geleistet. Davon könne heute keine Rede mehr sein.
Die bis Juli amtierende Regierung der Partido Popular (PP) habe
sehr erfolgreich ein Wohlstandsmodell vorangetrieben. Wenn man aber
Nachhaltigkeit wolle, könne das nicht so weitergehen.
Müsste er das bisherige Umweltmanagement auf Mallorca bewerten,
dann gäbe es für die Insel gerade noch eine „Zwei minus”. „Menorca
hat es geschafft, seinen Charakter zu bewahren. Auch auf Formentera
ist das Umweltbewusstsein noch lebendig.” Als beispielhafte
Tourismus-Destinationen nennt er die Kanaren, Andalusien, Marokko,
die Seychellen und Südafika. Auch in Deutschland, Österreich, der
Schweiz und Skandinavien, also den Ländern, aus denen viele
Urlauber kommen, herrsche ein ganz anderes Umweltbewusstsein. Iwand
warnt: „Wer im globalen Maßstab wettbewerbsfähig sein will, muss in
dieser Hinsicht exzellent sein.”
Die neue Balearen-Regierung wird einige Probleme meistern
müssen, will sie wieder eine Vorreiterrolle in Sachen Ökologie
erreichen: Aus der Sicht Iwands spielt die Auseinandersetzung mit
dem globalen Thema Klimawandel eine Schlüsselrolle. „Man muss
sofort anfangen, jede Energieverbrauchsquelle genau zu
kontrollieren und die Energieverschwendung zu stoppen. Jeder kann
dazu beitragen.” Nicht Verzicht, sondern neue Technologien, zum
Beispiel zur Nutzung erneuerbarer Energien, seien gefragt: „Jetzt
geht es nur noch mit großen Investitionen weiter”, so Iwand.
Vor allem der Flugverkehr hat ein Imageproblem, seitdem das
Thema Klimawandel in den Medien so hochgekocht wird. Aber nicht
einmal Umweltschützer auf Mallorca fordern dort Einschränkungen:
„Mallorca lebt vom Tourismus. Den Flugverkehr einschränken zu
wollen, wäre illusorisch”, sagt der deutsche Sprecher des
Balearischen Naturschutzbundes GOB, Gerald Hau.
Menschen, die sich über den Schadstoffausstoß ihres
Urlaubsfliegers Gedanken machen, können ihr schlechtes Gewissen mit
einem Ablass beruhigen: Die gemeinnützige Gesellschaft Atmosfair
bietet Fluggästen an, die durch ihren Flug provozierten Emissionen
durch Umweltprojekte irgendwo in der Welt wieder auszugleichen. Für
die Strecke Palma-Hamburg und zurück ist man mit 18 Euro mit sich
und der Umwelt im Reinen.
„Ich würde das nicht machen”, sagt aber Umweltschützer Hau. „Das
könnte ich mir gar nicht leisten.” Überhaupt ist er auf die ganze
Diskussion über den Klimawandel und Aktionen wie das
Life-Earth-Konzert nicht gut zu sprechen: „Ich frage mich, was das
soll. Da stumpfen die Leute doch bloß noch mehr ab. Sie gehen aufs
Konzert und damit ist die Sache für sie erledigt.” Der Klimawandel
sei ein „Modethema” und werde als Vorwand genutzt, um die
Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen. „Ich bin als einer der
wenigen Ökologen nicht davon überzeugt, dass der Klimawandel
menschenverursacht ist.” Die wirklich wichtigen Probleme würden
dabei vergessen, als da seien „Biodiversität und Erhaltung der
Kulturlandschaft”. Außerdem müsse sich Ökologie auch in sozialen
Aspekten widerspiegeln und das sei völlig abhanden gekommen: „Die
Klimwandel-Debatte geht an der sozialen Realität vorbei.” Zu einem
stärkeren Engagement in Sachen Umweltschutz habe sie seiner
Beobachtung nach bislang jedenfalls nicht geführt. Hoffnungen setzt
er auf die neue Balearen Regierung: „Da wird viel passieren.”
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