Mallorca - Die mit den Fingerspitzen zu lesende Blindenschrift,
auch „Braille” genannt, prangt schon seit zwei Jahren auf den
Etiketten der Weinflaschen aus dem Hause Jaume Mesquida in
Porreres. Jetzt hat das Weingut seine Pforten für blinde Menschen
weit aufgestoßen. In Zusammenarbeit mit der spanischen
Blinden-Organisation ONCE und dem balearischen Agrarministerium
veranstaltete das Weingut vergangene Woche erstmals eine Führung
speziell für Nicht-Sehende.
„Legen Sie überall Ihre Hände auf und ertasten Sie, so viel Sie
möchten”, sagte die Weingutdirektorin Bàrbara Mesquida zu den 15
Besuchern. Die Gäste erhielten nicht nur Gelegenheit, Holzfässer
und Betonbehälter zu erfühlen, wie sie in grauer Vorzeit in dem
Familienbetrieb zur Weinherstellung verwendet worden waren. Im Hof
stand für die Geladenen ein knorriger Weinstock samt Wurzeln
bereit, im Keller konnten die Gäste verschiedene Glasgebinde in die
Hand nehmen, um etwa den Unterschied zwischen einer Burgunder– und
einer Bordelaiser-Flasche zu ertasten. Der Höhepunkt der Führung
war indes eine Weinprobe, bei der die Besucher sich ausgiebig über
die Duft– und Geschmacksaromen austauschten.
Der Bodegabesuch ist ein neuartiges Angebot, den das
Agrarministerium in sein Programm „Agrorutas del Bon Gust”
(Landpartien des guten Geschmacks) aufgenommen hat. Hierbei werden
regelmäßig ausgewählte Lebensmittelbetriebe wie Weingüter,
Käsereien und Wurstfabriken besucht, um die Produktpalette an
balearischer Feinkost einem breitem Publikum vorzustellen. Neben
den herkömmlichen Routen, die sich samstags an herkömmliche
Ausflügler richten, gibt es organisierte Fahrten für Rentner,
Schulklassen und jetzt eben auch für Blinde.
„Wir haben uns für Jaume Mesquida entschieden, weil sich diese
Bodega schon seit Langem für Menschen mit körperlichen
Beeinträchtigungen stark macht”, sagte die Agrarministerin
Margalida Moner, anlässlich des Besuchs. Hinzu komme, dass die
gesamte Bodega umgebaut worden sei. Es gebe weder architektonische
Barrieren etwa für Rollstuhlfahrer noch gefährliche Stufen und
Kanten für Nicht-Sehende.
Die junge Weingutdirektorin Bàrbara Mesquida, die den vor 62
Jahren gegründeten Betrieb in vierter Generation fortführt, greift
bei ihrer täglichen Arbeit in der Bodega auf Erfahrungen aus
engstem Familienkreis zurück: Ihr Vater Jaume Mesquida, der
inselweit unangefochten als Erneuerer des mallorquinischen Weinbaus
gilt, ist seit einem schweren Verkehrsunfall im Jahre 1999 an den
Rollstuhl gefesselt.
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