Es beginnt mit dem Pregón, jeweils am Freitag vor Palmsonntag.
Die Festrede hält immer eine bekannte Persönlichkeit der Insel, in
diesem Jahr der (MM-)Verleger Pere Serra. Damit gilt die Karwoche
als offiziell eröffnet.
Auf den Märkten – in Palma vor allem auf der Rambla – werden
bereits seit Tagen die traditionellen Palmwedel angeboten. Gläubige
und Nichtgläubige bringen die Wedel am Palmsonntag zur Messe und
lassen sie segnen. Danach werden sie über der Haustüre, am
Balkongitter oder unter dem Fenster angebracht. Das bringt Glück
fürs ganze Jahr.
Die meisten dieser kleinen Kunstwerke – die Preise richten sich
nach Größe und Aufwand – kommen aus Familienbetrieben in der
Provinz Alicante, die so etwas wie das Monopol auf diese Art von
Handel haben. Ganz Spanien bezieht die Palmwedel aus dieser
Region.
Am Montag der Karwoche beginnen dann die täglichen Prozessionen,
an denen sich jeweils mehrere der frommen Bruderschaften
(„Cofradías” oder „Hermandades”) beteiligen. Jede Bruderschaft ist
einer bestimmten Gemeinde zugeordnet. Tausende von Zuschauern
säumen in Palma während der Prozessionen die Straßen der
Innenstadt, sind in Dörfern und Städten mit dabei.
Insgesamt 50 Bruderschaften gibt es auf Mallorca, 30 alleine in
Palma. Die älteste, die „Cofradía Cruz de Calatrava”, wurde 1615,
die jüngste, die „Cofradía Santa Monica”, 2005 gegründet. Die
Mitgliedschaft in einer Bruderschaft wird meist vom Vater auf den
Sohn vererbt, neuerdings auch von der Mutter auf die Tochter. Denn
es gibt auch Bruderschaften, die nur aus Frauen bestehen.
In früheren Jahrhunderten war Frauen die Teilnahme an den
Prozessionen versagt. 1988 wurde in Palma die erste Bruderschaft
von Frauen – besser sollte man sagen „Schwesternschaft” –
gegründet. In der „Cofradía de la Agonía de Cristo” schlossen sich
zunächst 40 Frauen zusammen. Heute sind in der Bruderschaft Männer
und Frauen gemeinsam.
Jede Bruderschaft trägt ihre ganz bestimmte, an der Farbe
erkenntliche Kleidung, hat ein eigenens Banner an einer schweren
Standarte, oft eine eigene Musikgruppe, die den Rhythmus des Zuges
markiert.
Dazu sagt ein Dokument aus dem Jahr 1355: „Alle Büßer müssen
sich schwarz gewanden und das Gesicht bis auf die Augen abdecken,
damit niemand ihr Alter und ihr Geschlecht erkennen kann.”
Anonymität ist bis heute bei den Prozessionen gefragt – und
Diskretion. Niemand wird fragen, warum ein Mitglied einer
Bruderschaft, den Bußgang, oft mit Ketten an den Füßen oder einem
schweren Holzkreuz auf den Schultern, auf sich nimmt. Wer sich
besonderen Bußübungen widmet, ist von allen anderen
Verpflichtungen, auch schon während der Vorbereitungen,
entbunden.
Wobei eines klar ist – manche Mitglieder der Bruderschaften
nehmen aus reiner Tradition an den Prozessionen teil, was
sicherlich nicht für die aktiv Büßenden gilt. Ist eine Familie
einmal Mitglied, ist es sehr schwierig, die Ehre abzulehnen.
Schwerstarbeit leisten die „Costaleros”, die Träger der „Pasos”,
der Heiligenfiguren. Meist sind sie gar nicht zu sehen, denn sie
tragen die Figur mit einem mit Stoff verhängten Gestell. Die Figur
der Bruderschaft „Nuestro Padre Jesús el abandonado” wiegt immerhin
800 Kilo; 22 „hombres de trono” sind nötig, um sie zu bewegen. Sie
tragen die Figur nur auf einer Schulter und gehen neben dem „Paso”.
Manche der Prozessionen dauern bis zu sechs Stunden, enden erst
spät in der Nacht.
Männer und Frauen dürfen Träger sein. Sie haben meist ein
Gelübde geleistet, wollen Dankbarkeit bezeugen für das, was ihnen
widerfahren ist. Oder sie wollen dem Lieben Gott schlicht ein
Versprechen abringen.
Die wichtigste Prozession auf Mallorca ist die Procesión de la
Sang, die Prozession des Heiligen Blutes. „El Cristo de la Sang”,
der ans Kreuz geschlagene Christus, wird feierlich durch die Stadt
getragen.
Zu anderen Zeiten steht die Figur in der gleichnamigen Kirche
neben dem Hospital General. Sie wird von den Mallorquinern auch
außerhalb der Osterzeit am meisten verehrt.
Viel beachtet und besucht ist auch die „Kreuzabnahme”
(Devallement) in Pollença. Hier wird am Karfreitag die
Christusfigur der Kirche auf dem Kalvarienberg vom Kreuz genommen
und auf eine Art Katafalk aufgebahrt. Dann trägt man sie die 365
Stufen des Kalvarienberges hinunter zur Gemeindekirche. Zu dieser
Prozession kommen Menschen aus fast allen Teilen der Insel.
Eine Kreuzabnahme gibt es auch in Inca, die im Inneren der
Kirche Santa Maria Maior stattfindet.
Oder gehen wir nach Sineu, wo ebenfalls am Karfreitag die
„Prozession der Heiligen Grablegung und der Einsamkeit Maria”
stattfindet. Diesen Brauch gibt es in dem Landstädtchen seit dem
Jahr 1667. An dieser Prozession nehmen mit die ältesten
Bruderschaften der Insel teil, von denen manche schon seit dem
Beginn des 17. Jahrhunderts bestehen.
Jeweils zehn Bruderschaften nehmen an den Prozessionen teil, die
am Gründonnerstag und am Karfeitag in Muro stattfinden. Am
Karfreitag ist auch die „Schwesternschaft der Schwarzen Damen”
dabei.
Mit eine der ältesten Bruderschaften der Insel ist neben der der
Madonna von Lluc zugeordneten Vereinigung die Bruderschaft des
Heiligen Christus von Alcúdia. Chroniken zufolge wurde sie 1507
gegründet, nachdem die Christusstatue am 24. Februar des gleichen
Jahres auf wunderbare Weise Blut und Wasser schwitzte, was bitte
wörtlich zu nehmen ist.
Die Karwoche auf Mallorca unterscheidet sich grundlegend von den
beiden anderen großen religiösen Zentren Spaniens, in denen die
Prozessionen auf besondere Weise begangen werden. Da ist einerseits
Sevilla, wo die Karwoche fast heiter ist, vielleicht wegen der
Aussicht auf die berühmte „Feria”, die sich an die Karwoche
anschließt und ihren geistigen Kern in der Feier der Auferstehung
Christi hat. In Aragón, in Calanda und Híjar, wird die Karwoche
sehr ernst und gemessen begangen. Hier steht die Trauer um den Tod
Christi im Vordergrund.
Am Ostersonntag versammeln sich die Gläubigen – auf Mallorca vor
allem in der Kathedrale – , um die Auferstehung des Herrn zu
feiern.
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