In gut 40 Jahren ist es geschafft: Dann schwimmt kein Fisch mehr
in den Weltmeeren. Das Wasser, das die Baleareninseln umspült, wird
nur noch eine trübe Suppe voller Mikroorganismen sein. Mit dem
Fisch verschwindet nicht nur ein Stück mediterrane Lebensart von
unseren Tellern, sondern in weiten Teilen der Erde eine wichtige
Nahrungsgrundlage für die Ärmsten der Armen.
Die Vernichtung der Meeresbewohner wird weitere ökologische
Desaster nach sich ziehen. Das Horrorszenarium wird nach Ansicht
von Wissenschaftlern mit Sicherheit Wirklichkeit – vorausgesetzt,
alles läuft so weiter wie bisher, und die Fischereinationen einigen
sich wider besseren Wissens nicht auf Quoten und Fangmethoden, die
eine nachhaltige Nutzung der Meere ermöglichen.
Der Mallorquiner Xavier Pastor, Leiter der internationalen
Meeresschutzorganisation Oceana in Europa, vergleicht die Situation
der Meere heute mit den Warnungen vor dem Klimawandel vor 20
Jahren: „Man wusste damals schon, was passieren wird, aber keiner
hat auf die Wissenschaftler gehört. Erst seit etwa zwei Jahren
reden alle darüber. Mit dem Fischfang ist es ähnlich: Jetzt wäre
die Katastrophe noch mit einfachen Mitteln zu verhindern. Und alle
würden davon profitieren, die Verbraucher ebenso wie die gesamte
Fischereinidustrie.” Die Lösung sei auf einen ganz einfachen Nenner
zu bringen: „Die Fischereiflotten der Welt müssten, verallgemeinert
gesagt, um die Hälfte reduziert werden.” Das Meer wäre jetzt noch
in der Lage, sich relativ rasch zu regenerieren.
Grundlage von Xavier Pastors Äußerungen ist eine vor Kurzem in
der Zeitschrift „Science” veröffentlichte Studie. Besser gesagt
handelt es sich um die zusammenfassende Auswertung vieler
verschiedener Studien, die sich mit dem Thema Artenreichtum und
Fischvorkommen in den Weltmeeren beschäftigen. „Die einzelnen
Fischgründe werden seit 50 Jahren recht gut erforscht”, sagt
Pastor.
Daher wisse man auch, dass drei Viertel der Fischarten bereits
zu stark ausgebeutet wurden. Nur etwa 20 bis 25 Prozent würde auf
eine vernünftige, sprich nachhaltige Art und Weise befischt.
Besonders stark haben Großfische wie Thunfisch und Schwertfisch
gelitten: Ihr Bestand sei im Vergleich zu vor 50 Jahren bereits um
90 Prozent reduziert worden.
Heute landen nach Berechnungen von Naturschutzorganisationen pro
Jahr mindestens 85 Millionen Tonnen Fisch auf den Tischen der
Weltbevölkerung, nicht mitgerechnet etwa weitere 20 Millionen
Tonnen Fisch, der als unverwertbarer Beifang in den Netzen landet.
Durch den Einsatz von Hochseefangflotten, Kühlsystemen, immer
größeren Netzen und einer raffinierten Ortungstechnik ist der
Fischreichtum in wenigen Jahrzehnten drastisch gesunken. „Teilweise
können die ausgehandelten Quoten heute schon gar nicht mehr erfüllt
werden, weil sie über dem tatsächlichen Bestand liegen”, sagt
Pastor.
Jedes Jahr legen die Fischereiminister der Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union die Quoten fest. In der Regel, so die
Organisation Oceana, ignorieren sie dabei die Empfehlungen der
beratenden Wissenschaftler. „In diesem Jahr ist es so schlimm wie
noch nie”, heißt es in einer Mitteilung von Oceana. Nach
Einschätzung von Pastor versuchen alle Mitgliedsstaaten, ihre –
kurzfristigen – nationalen Interessen durchzusetzen. Für Seehecht
(merluza), Petersfisch (gallo), Seeteufel (rape), Seezunge
(lenguado), Kaisergranat (cigala) überschreiten die Quoten die von
den Wissenschaftlern empfohlenen Limits. 50 Prozent der
europäischen Fischereiflotte kommt aus Spanien, sagt Pastor: „Die
spanische Fischereiindustrie hat in Brüssel eine große Lobby.”
Das Meer hat zwar keine Grenzen, aber es gebe doch regionale
Unterschiede, was seine Ausbeutung anbelangt. Im westlichen
Mittelmeer sei das Balearengewässer noch in einem vergleichsweise
guten Zu– stand: „Die hier verbreiteten traditionellen kleineren
Fischerboote sind kein so großes Problem”, sagt Pastor. Dafür aber
die etwa 20 Schleppnetz-Schiffe der Inseln: „Die sollte man
abschaffen, am besten mit Hilfe von Subventionen für die
Fischer.”
Muss man sich als Verbraucher angesichts dieser trüben
Aussichten den Appetit auf Fisch verderben lassen? „Ich esse auch
weiterhin Fisch”, beruhigt Pastor. „Aber bei manchen Arten sollte
man seinen Konsum schon einschränken: bei Thunfisch, Schwertfisch,
Kabeljau und Seehecht vor allem.” Wer etwas für die Erhaltung der
Fischgründe tun will, kann beim Fischkauf auf zertifizierte Ware
aus nachhaltigem Fang zurückgreifen.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.