Auch wenn der November ungewöhnlich warm und sonnig war, und es
so gar nicht den Anschein hatte: Auf Mallorca hat der Winter seinen
Einzug gehalten. Das gilt zwar nicht für das Wetter und noch
weniger fürs Kalenderjahr, aber um so mehr für die
Tourismusindustrie. Nach Angaben des mallorquinischen
Hotelverbandes haben im Verlauf des Novembers 75 Prozent aller
Herbergen auf der Insel ihre Pforten dichtgemacht und die Arbeit
bis zum nächsten Frühjahr eingestellt. Im März dann nehmen die
ersten Häuser wieder den Betrieb auf.
Mallorca versinkt im Winterschlaf und manche touristischen Orte
im Norden und Osten der Insel sind wie ausgestorben: Neben den
Hotels sind auch viele Lokale und Geschäfte geschlossen. Wo in den
Urlaubszentren nicht einmal ansatzweise dörfliche Strukturen
vorhanden sind, trifft man mit etwas Glück allenfalls streunende
Katzen an.
Außerhalb der Saison haben auf der Insel lediglich ein Viertel
aller Hotels geöffnet, sagt Pere Cañellas, Präsident des
mallorquinischen Hotelverbandes. Die Unterkünfte konzentrieren sich
an der Bucht von Palma, von Palmanova bis nach Arenal. So finden
Wintergäste meist im Großraum der Inselhauptstadt eine Bleibe. Es
handelt sich zum einen um Langzeiturlauber aus Ländern nördlich der
Alpen, die mit Aufenthalten von vier bis acht Wochen dem Winter in
ihrer Heimat entfliehen. Zum anderen besuchen einige Tausend
spanische Rentner mit dem Imserso-Programm des Madrider
Sozialministeriums für einige Tage die Inseln.
Eine weitere Gruppe sind Urlauber, die Mallorca gerade im Winter
zu schätzen wissen. Sie kommen, um hier bei vergleichsweise mildem
Wetter ihren Hobbys und Sportarten zu frönen. Die Bandbreite ist
groß, unter ihnen finden sich Wanderer, Golfer, Radfahrer, Reiter,
Segler. Aber die Insel bietet im Winter auch für Menschen
Möglichkeiten, die vor allem Ruhe und Entspannung suchen.
Gleichwohl ist der Unterschied Mallorcas als Sommer– und
Winterdestination gewaltig. Dass lässt sich an Zahlen ablesen: Im
Jahre 2005 besuchten nach Angaben des balearischen
Tourismusministeriums fast 8'8 Millionen Urlauber Mallorca. Bezogen
auf die Monate November, Dezember, Januar und Februar wurden 1'02
Millionen Besucher registriert. Das bedeutet, dass in den kalten
Monaten lediglich ein Zehntel aller Touristen anreisen, während in
den übrigen acht Monaten 90 Prozent aller Urlauber die Insel
besuchen.
Drastisch fällt der Unterschied auch bei der Flughafenstatistik
ins Auge: Im August dieses Jahres wurden auf dem Airport von Palma
3'16 Millionen Passagiere gezählt. Im Januar wares es mit 803.000
nicht einmal ein Drittel so viele.
Es gab aber Zeiten, in denen waren selbst in den Wintermonaten
weitaus mehr Hotels geöffnet als jetzt. Insbesondere in den Jahren
1999 und 2000 hatten bis zu 35 Prozent der Herbergen dem
Winterschlaf die kalte Schulter gezeigt, erinnert sich Pere
Cañellas. Doch in den vergangenen fünf Jahren habe sich die Tendenz
der saisonalen Abhängigkeit jedes Jahr verstärkt. „Damals dauerte
die Sommersaison sieben, wenn nicht gar acht Monate.” Heute sei
nach sechs Monaten Schluss.
Ist der stets von der Balearen-Regierung propagierte Kampf um
mehr Winterurlauber damit verloren gegangen? „Das nicht unbedingt,
aber wir haben in den vergangenen fünf Jahren vor allem darum
kämpfen müssen, die uns verlorenen gegangenen Sommerurlauber
zurückzuerobern”, sagt Cañellas. Für den Schwund habe es mehrere
Ursachen gegeben. Die Politik der Vorgängerregierung mit ihrer
Sondersteuer für Hotelgäste („Ecotasa”) sowie ihren
Tourismus-skeptischen Äußerungen sei dafür ebenso verantwortlich
wie die damals starke Konkurrenz von Mittelmeerländern wie Ägypten
und der Türkei.
Mit dem „historischen” Touristenjahr 2006, in dem so viele
Mallorca-Besucher wie noch nie gezählt wurden, sieht zumindest die
Balearen-Regierung ihr Ziel erreicht, die Sommerurlauber wieder für
die Insel zurückgewonnen zu haben. Jetzt soll sich das Augenmerk
verstärkt dem Wintertourismus und der Entzerrung der saisonalen
Abhängigkeit widmen. Zur Förderung der erfolgreichen Segmente des
Winter-Geschäfts wie dem Wander-, Golf, Radfahr- und
Sport-Tourismus sollen bestehende Infrastrukturen verbessert und
erweitert werden. Bis zum Ende der Legislaturperiode im kommenden
Mai wird die Balearen-Regierung allein in den Bau– und Ausbau von
Sportstätten und Radwegen rund 80 Millionen Euro investiert
haben.
Nicht nur die öffentliche Hand investiert, auch die Hoteliers
stecken Geld in die Modernisierung ihrer Herbergen. 45 Prozent der
knapp 1000 im Verband organisierten Unternehmen nutzen die
Winterpause, um kleinere und größere Renovierungsarbeiten
auszuführen. Aufgrund der schlechten Ertragslage in den vergangenen
Jahren seien damals viele Arbeiten unterblieben.
Für Pere Cañellas gehen die Bemühungen der Balearen-Regierung,
mehr Winterurlauber anzulocken, in die richtige Richtung. Nach
seinen Angaben wollen im kommenden Frühjahr rund 20 Prozent der
Hoteliers die Eröffnung vorziehen. Nicht erst im Mai, schon im
April wollen sie ihre neuen Gäste willkommen heißen.
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