Es hatte sich abgezeichnet: Schon seit Monaten häufen sich die
Vorwürfe gegen Eugenio Hidalgo, den Bürgermeister des vor allem bei
Deutschen beliebten Küstenortes Andratx. Seit mehr als einem halben
Jahr ermittelt die Staatsanwaltschaft. Und doch schlug die
Nachricht von seiner Verhaftung am vergangenen Montagmorgen wie
eine Bombe ein.
Um Punkt halb zehn stürmten Dutzende Zivilgardisten das Rathaus
von Andratx: „Aufstehen und Hände weg von den Computern”, so das
Kommando der Beamten, bevor sie kistenweise mögliches
Beweismaterial einpackten und schließlich Hidalgo mit Handschellen
gefesselt abführten – unter den Augen staunender Anwohner, aber
auch zur Verwunderung der Lokalpolizei von Andratx, die der
Stadtverwaltung untersteht und ihr Hauptquartier unmittelbar neben
dem Rathaus hat.
Aber Hidalgos Verhaftung war nicht der einzige Schlag der
Guardia Civil an diesem Tag. Zeitgleich gab es an mehreren Orten
der Insel Razzien. Vier weitere Personen mussten hinter Gitter,
unter ihnen Jaume Massot, Generaldirektor für Raumordnungsfragen
bei der Balearen-Regierung. Jaume Gibert, für Baugenehmigungen
zuständiger Verwaltungsbeamter in Andratx, rechnete schon bei
seiner Verhaftung mit einem längeren Gefängnisaufenthalt: Mit
Bettdecke und Kopfkissen im Arm ließ er sich aus seiner Wohnung
abführen.
Vor allem der teure Lebensstil der Beschuldigten weckte in
Andratx Neid und bei der Staatsanwaltschaft Misstrauen. Hidalgo,
früher einmal Autoverkäufer und Beamter der Guardia Civil, machte
kein Geheimnis aus seiner Schwäche für schicke Autos, teure
Kleidung und erlesene Kunst. Bei der Verhaftung trug er edel
schimmernden Zwirn. Hidalgo ist Besitzer mehrerer Immobilien in
Andratx und Mitinhaber verschiedener Firmen – zum Teil gemeinsam
mit anderen nun Beschuldigten.
Gibert, der als williger Helfer des Bürgermeisters gilt, dürfte
mit seinem Verwaltungsjob nicht mehr als 2000 Euro verdient haben.
Dennoch ist auch er mehrfacher Immobilienbesitzer und erfreut sich
an wertvollen Bildern, die die Wände seines Hauses schmücken.
Persönlichen Besitz der Beschuldigten im Wert von insgesamt rund
sieben Millionen Euro beschlagnahmte die Polizei.
Die Staatsanwälte in Palma müssen nun klären, woher diese
unverhofften Reichtümer stammen. Bürgermeister Hidalgo selbst hatte
dafür stets eine denkbar einfache Erklärung: Er will im Lotto
gewonnen haben, und zwar gleich zweimal innerhalb von vierzehn
Tagen. Auch die Lose, die ihm angeblich einen Gewinn von mehr als
einer Million Euro brachten, werden nun voraussichtlich von der
Staatsanwaltschaft überprüft. Es wäre nicht das erste Mal, dass
Lotterie-Lose zur Geldwäsche benutzt wurden.
Die eigentliche Herkunft von Hidalgos Reichtum wird in
kriminellen Machenschaften vermutet: Er soll sein Amt und die damit
zusammenhängenden Kompetenzen bei der Vergabe von Baulizenzen zur
persönlichen Bereicherung genutzt haben. Der zuständige Richter in
Palma untersucht nun rund 70 Fälle, in denen Baugenehmigungen
möglicherweise zu Unrecht erteilt wurden. Herausfinden will er, ob
im Gegenzug Schmiergeld geflossen ist.
Opposition und Umweltschützer kritisieren schon länger, dass in
Andratx immer wieder Villen oder auch Mehrfamilienhäuser an Stellen
aus dem Boden gestampft werden, die eigentlich kein Bauland sind.
Hidalgo berief sich dagegen immer wieder auf die städtische
Bauordnung und auf die Rechtmäßigkeit aller seiner
Entscheidungen.
Andratx ist einer der teuersten Immobilienstandorte Mallorcas,
dementsprechend groß ist die Nachfrage nach Bauland. Wem es
gelingt, eine Baugenehmigung für ein Grundstück zu bekommen, das er
zuvor billig als unbebaubar erworben hat, kann über Nacht viel Geld
verdienen.
Das Problem besteht allerdings schon länger, als Hidalgos
Amtszeit dauert. Die Staatsanwaltschaft prüft auch
Baugenehmigungen, die noch aus der Regierungszeit von Hidalgos
Vorgängerin Margalida Moner stammen. Moner ist wie Hidalgo Mitglied
der konservativen Volkspartei (PP) und mittlerweile zur
Landwirtschaftsministerin der Balearen-Regierung aufgestiegen.
Die endgültigen Ausmaße des Skandals sind also noch gar nicht
sichtbar. Die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen dürfte noch
einige Überraschungen zu Tage fördern. Laut Polizeiangaben hat sich
die Zahl der Personen, gegen die ermittelt wird, schon nach den
ersten Zeugenaussagen auf mehr als 40 erhöht: Neben Politikern und
Funktionären könnten auch Architekten und Bauunternehmer in die
Machenschaften verstrickt sein. Spanien scheint nach Marbella einen
zweiten großen Korruptionsskandal zu haben – dementsprechend war
Mallorca in dieser Woche auf fast allen Titelseiten vertreten.
Polizei und Staatsanwalt richten sich auf längere Ermittlungen ein.
Gleiches gilt auch für die spanische Tageszeitung Ultima Hora. Die
hat eigens ein Logo entworfen, das Artikel zum Thema in Zukunft
kennzeichnen soll: es zeigt einen Baukran und ein Euro-Zeichen.
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