Eigentlich kommt Tomeu kaum vorwärts. Alle paar Meter trifft er
neue Bekannte. Mit „Uep, com anam?”, hallo, wie geht's?, begrüßt
man sich lautstark, spricht über das Befinden, das Wetter, die
Familie, die Marktlage. Was an Auslagen auf der Herbstmesse von
Marratxí, der „Fira de Tardor” zu sehen ist, das nimmt Tomeu so
nebenbei in Augenschein. Denn im Grunde ist der Palmesaner nicht
zum Einkaufen gekommen. Er will einfach nur sehen, was geboten ist.
Und sich unterhalten. „Man trifft einfach viele Leute, die man
kennt.”
Wie Tomeu zog es am vergangenen Sonntag viele Schaulustige nach
Pòrtol, dem Zentrum Marratxís. Über 50.000 Menschen suchten den
Platz vor der Kirche auf und schlenderten unter den stattlichen
Kiefern an den Ständen mit Kunsthandwerk und Lebensmitteln entlang.
Nicht jeder hielt sich mit dem Kaufen zurück wie Tomeu. Honig,
Kerzen, Töpferwaren, Sobrassada, Bauernbrot und Stickereien
wechselten eifrig die Besitzer. Es war das elfte Mal, dass Marratxí
zu seiner Herbstmesse einlud, und die Fira scheint begehrt wie nie.
Allein die Zahl der Aussteller wuchs dieses Jahr um 25 auf 240.
Firas auf dem Land und in den Dörfern liegen im Trend. Neben den
traditionellen Festen zu Ehren der Schutzheiligen, den Sommerfesten
mit Tanz und Musik („Verbenas”) sowie den Feiern, die auf
historische Ereignis zurückgehen (wie die Kostümspektakel „Moros i
Cristianos”) stellen immer mehr Kommunen eigene Verkaufsmessen auf
die Beine. Meist sind sie einem Motto oder einem regionalen
(Agrar-)Produkt wie Wein, Oliven, Pilzen, Honig gewidmet. Diese
Firas erobern sich im Jahreskalender zunehmend ihren festen
Platz.
Am vergangenen Sonntag erwies sich nicht nur Marratxí als Magnet
in der Gunst der Schaulustigen. Nur wenige Kilometer entfernt fand
in Inca zum dritten Mal eine Fira mit mittelalterlichem Markt
statt. Schon auf der Autobahn herrschte dichter Verkehr,
innerörtlich war kaum durchzukommen. Die Zahl der Verkaufsstände
betrug 83, das waren 26 mehr als im Vorjahr. Wie bei Firas üblich,
hatten in Inca auch Läden und Geschäfte geöffnet. Die Organisatoren
wählten als Motto Christoph Kolumbus. Im 500. Todesjahr des
Entdeckers gewinnt die These, der Seefahrer habe das Licht der Welt
auf Mallorca erblickt, mehr und mehr Anklang. Um das Zeitalter
Cristóbal Colons ins rechte Bild zu setzen, waren einzig
Verkaufsstände mit traditionellen Kunsthandwerk und
Lebensmittelprodukten zugelassen. Vor dem Rathaus gab es eine
Guillotine sowie archaisches Folterwerkzeug zu bestaunen.
Ländlich-bäuerlich wartete die Fira in Marratxí auf. Begleitet
von Musikkapellen zogen die Riesenfiguren „Gegants” durch die
Menge. Und natürlich durfte die obligate Schau mit Nutztieren aus
der Landwirtschaft nicht fehlen. Daneben wurde ein umfangreiches
Programm für Alt und Jung geboten: Ein Reitturnier samt Pony-Reiten
für Kinder, ein Wettbewerb für Rassehunde, eine Oldtimer-Schau,
Verkehrserziehung für die Jüngsten per Fahrrad und Tretauto,
Dampflok-Züge zum Befahren, Hüpfburgen, Karussells ... Es herrschte
ein Rummel wie auf einem Jahrmarkt, kombiniert mit den Offerten
eines gediegenen Wochen– und Kunsthandwerkermarktes samt zahlloser
bewährter mallorquinischen Regionalprodukte.
Die Zahl der Firas in den Dörfern hat nach Beobachtungen des
Autors und Publizisten Josep Moll Marquès („So sind wir
Mallorquiner”) in den vergangenen drei, vier Jahren stark
zugenommen. Vor 30, 40 Jahren habe es neben den Wochenmärkten und
den Patronatsfesten nur wenige Firas gegeben. Die bekanntesten
waren (und sind) der „Dijous Bo” im November in Inca sowie die
„Fira de Maig” im Mai in Sineu. Josep Moll vermutet hinter dem
Interesse an den Firas ein „Revival von Werten”, die bei anderen
Freizeitaktivitäten offenbar nicht erfüllt werden. Bei allem Rummel
und Geschäftssinn komme es bei den Ausflügen in die Dörfer für
Viele zu Berührungen mit der traditionellen bäuerlichen Kultur der
Insel. „Das ist offensichtlich etwas, das den Mallorquinern aus der
Seele spricht.”
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