So wie es heute aussieht, ist der Tod der Playas unausweichlich:
Der Klimawechsel und der damit einhergehende Anstieg des
Meeresspiegels werden die Küstenlandschaften der Erde gewaltig
verändern. Nicht in Jahrhunderten, sondern in Jahrzehnten: Bis zum
Jahr 2050, so das Ergebnis einer Studie des Spanischen
Umweltministeriums, wird der Meeresspiegel an der Balearen-Küste um
20 Zentimeter gestiegen sein (in Galicien und auf den Kanaren sogar
um 35 Zentimeter), Mallorcas Strände werden bis dahin
wahrscheinlich 15 Meter Breite einbüßen. Durch Veränderungen der
Wellenrichtung kann es auch sein, dass sich die Strände bewegen,
wie das derzeit bereits in der Bucht von Alcúdia zu beobachten ist:
An manchen Stellen findet man heute mehr Sand als früher, an
anderen Stellen verschwindet die Playa.
Mittelfristig, sagt Joaquin Tintoré Subirana, Direktor des
Forschungsinstituts IMEDEA (siehe Kasten), kann aber durchaus etwas
getan werden, um die Qualität der Strände zu erhalten oder sogar zu
verbessern. „So wie wir in den vergangenen 20, 30 Jahren mit
unserer Küste umgegangen sind, kann es nicht weitergehen.” Sonst
ist in zehn, 15 Jahren vom Urlaubsparadies Mallorca nicht mehr viel
übrig.
Die exzessive Bebauung bis direkt an den Meeressaum, der
bedenkenlose Bau von Häfen und anderen Einrichtungen an der Küste,
die ungebremste Nutzung der Playas durch jährlich Millionen von
Menschen und die Verschmutzung des Wassers wurden auf den Balearen
als Begleiterscheinungen des Wirtschaftswunders weitgehend klaglos
in Kauf genommen. Dass der Raubbau an der Natur auf Dauer nicht nur
ökologischen, sondern auch wirtschaftlichen Schaden anrichtet, ist
inzwischen aber nicht mehr nur Umweltschützern klar: Ein Stab von
Wissenschaftlern des IMEDEA arbeitet derzeit unter anderem im
Auftrag der Balearen-Regierung an einer dreijährigen Studie, die
das nötige Wissen für einen nachhaltigen Umgang mit der Küste
liefern soll. 2007, so Tintoré, werde er einen Katalog mit
konkreten Empfehlungen für alle beteiligten Parteien vorstellen:
Behörden, Unternehmen, Urlauber und Inselbewohner. Nun komme es
darauf an, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen – und
an vielen Stellen sogar wieder gutzumachen.
Das erscheint angesichts der zugebauten Küste und der
weitgehenden Zerstörung der Ökosysteme an den Stränden schwierig.
„Aber es ist noch nicht zu spät”, betont Tintoré. Selbst
zubetonierte Küstenstriche wie die Playa de Palma oder Cala Millor
können nach seinen Worten zumindest teilweise regeneriert werden.
„Das fordern heute sogar die Urlauber und Residenten, wie wir in
Befragungen festgestellt haben.” Beispiel Cala Millor: Weil entlang
der Playa in wenigen Metern Tiefe Posidoniawiesen gedeihen, raten
die Wissenschaftler dort strikt von künstlichen
Strandaufschüttungen ab, wie sie noch vor wenigen Jahren üblich
waren. Denn die noch relativ intakten Posidonia-Vorkommen rund um
die Balearen-Inseln gehören zu den kostbarsten ökologischen
Schätzen des Mittelmeers und sind wichtiger Faktor für eine
Strandregeneration auf natürlichem Weg (siehe Artikel unten).
Alternative zur Aufschüttung sei für Cala Millor ein Rückbau der
Strandpromenade um etwa zwölf Meter. Anstelle von Steinen sollten
sich dort künftig wieder Dünensysteme etablieren, ohne die die
dynamischen Prozesse eines Sandstrandes gestört sind. „Ein Strand
ist so etwas wie ein lebendiges Wesen, das sich ständig verändert”,
verdeutlich Tintoré. Schützen, was noch zu schützen ist, und
Stadtstrände renaturieren, ist also seine Devise.
Das „Wesen Strand” besteht eben nicht nur aus einem mehr oder
weniger breiten Sandstreifen, auf dem man sein Handtuch ausbreiten
kann, sondern aus angrenzenden Bereichen zu Land und im Wasser.
Dort, wo die Bebauung die Regenerationsprozesse verhindert,
schüttete man bis vor einigen Jahren regelmäßig mit Sand vom
Meeresgrund auf, was Umweltschützer ebenso regelmäßig kritisierten.
Die letzten großen Aktionen dieser Art fanden 2002 statt – seither
hat vielleicht ein Umdenken bei den zuständigen Behörden
stattgefunden, vor allem aber sind die Playas von allzu heftigen
Stürmen und damit Erosionen verschont geblieben. Aufschüttungen
werden wahrscheinlich auch in Zukunft nicht ganz zu vermeiden sein,
„aber man sollte sie mit dem nötigen Know-how durchführen”, sagt
Tintoré.
Zweites großes Problem der Balearen-Strände ist die exzessive
Nutzung, vor allem im Hochsommer. Als gerade noch verträglich gilt
ein Strandbesucher pro fünf Quadratmeter Fläche: „Teilweise sind zu
viele Menschen an den Stränden”. Eine Saturierung sei stellenweise
auch bei der Nutzung der Küstenstriche durch Freizeitskipper
erreicht.
Auch die Art der Nutzung ist entscheidend: Inzwischen weiß man,
dass zwei Drittel des Mülls, der im Meer schwimmt, hausgemacht ist.
„Es ist erstaunlich, wie wenig umweltbewusst sich die Leute immer
noch verhalten.” Zigarettenreste, Verpackungen, Plastiktüten
bleiben oft einfach am Strand liegen. Knapp 60 Tonnen Müll wurden
allein im August aus dem Balearengewässer gefischt.
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