Wenn unsere Häuser hier tatsächlich abgerissen werden, dann
müssen Hunderte von Immobilienbesitzern auf Mallorca anfangen zu
bangen, und auch potenzielle Käufer könnten sich ihrer Sache nicht
immer sicher sein.” Christian Lempelius ist einer der vier
Hausbesitzer von Llucalcari, denen jetzt aufgrund illegal erteilter
Baugenehmigungen der Abriss droht. Im Falle von Lempelius 17 Jahre
nach dem Kauf des Hauses.
Wer auf Mallorca an Bausünden und Zerstörung intakter Natur
denkt, hat allerdings ein anderes Bild vor Augen als das der vier
Natursteinhäuser an der Küste von Deià.
Doch genau hier soll jetzt ein Exempel gegen illegale Bebauung
statuiert werden, ausgelöst durch eine Klage des Naturschutzbundes
GOB vor 16 Jahren. Zurecht hatte er beklagt, dass Baugenehmigungen
für eine geschützte Terrassenlandschaft erteilt wurden. Für die
Käufer der Häuser war dies jedoch nicht erkenntlich, da alle
erforderlichen Genehmigungen scheinbar korrekt erteilt worden
waren. Geplant und erbaut wurden die Gebäude derzeit vom
Architekten und ehemaligen Hotel–Residencia–Besitzer Axel Ball.
Im April 2005 war es dann soweit: Der oberste balearische
Gerichtshof entschied den Abriss der Häuser und ordnete an, dass
die Landschaft wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt
werden müsse (MM 13/14–2005). Das Gericht sah es als erwiesen an,
dass die Gemeinde Deià für den Bau der Villen 1988 Genehmigungen
erteilt hatte, die rechtswidrig waren. Dass es sich in diesem Fall
um vier äußerst gepflegte Häuser und Grundstücke handelt, die sich
perfekt in das Landschaftsbild integrieren, interessiert die Kläger
nicht. Ignoriert wird ebenfalls, dass die Beseitigung der Häuser
ökologisch bedenklicher sein könnte als deren Erhalt.
Nicht nur die Besitzer der Häuser – vier Deutsche, unter ihnen
der Architekt Axel Ball, der dort nicht selber wohnt, sondern
vermietet – sind fassungslos. „Wir haben beim Kauf 1989 alle
erforderlichen Genehmigungen erhalten, von einer illegalen Bebauung
war keine Rede”, erzählt Christian Lempelius. Zusammen mit seiner
Frau Marlene Richter hat er hier als einziger der vier Eigentümer
seit Jahren seinen ersten Wohnsitz. Jetzt muss er mit dem Abriss
des Hauses rechnen. „Rein rechtlich ist alles entschieden, die
Grundlage für Enteignung und Abriss ist gegeben”, sagt Lempelius.
Auch der anhängigen Klage vor dem Verfassungsgericht wird von den
Anwälten wenig Aussicht auf Erfolg bescheinigt. Doch der Eigentümer
hofft auf die allgemeine Verwirrung, die jetzt im Rathaus von Deià
herrscht. Hier wird nämlich zur Zeit – bisher noch ohne Ergebnis –
geprüft, wer für den Schaden verantwortlich ist. Und der ist nach
Auskunft der Anwälte der Betroffenen enorm. Nach ersten groben
Berechnungen wird der Abriss inklusive Wiederherstellung der
Landschaft und Entschädigungszahlung auf 18 bis 20 Millionen Euro
geschätzt.
Wer das allerdings zahlen soll, ist noch völlig unklar. Laut
Bügermeister Jaume Crespí wurden alle Baugenehmigungen damals
zusammen mit der Inselregierung erteilt. „Die Gemeinde Deià trifft
in diesem Fall die geringste Schuld”, beteuerte Crespí im Anschluß
an das Urteil.
Der Inselrat indessen, der inzwischen für diese Angelegenheiten
zuständig ist, ist ähnlich planlos. Eine gemeinsame Kommission soll
nun klären, wer verantwortlich war und wer für die Entschädigung
aufkommen muss, ein Prozess, der dauern kann. Allein auf diese
„Verschleppung” hoffen die Eigentümer nun, denn dass ein Abriss
ohne ein korrektes Enteignungs– und Entschädigungsverfahren
stattfindet, kann sich hier niemand vorstellen.
„Der logische Weg wäre hier, im Rahmen einer Enteignung einen
Wert festzustellen und die Besitzer abzufinden, bevor es zum Abriss
kommt”, erklärt Rechtsanwalt Jaime Lamas. Auch wenn in diesem Fall
kein „öffentliches Interesse” bestehe, müsse das gleiche Verfahren
angewendet werden, meint Lamas. „Wir haben unsere materiellen
Forderungen bei der Gemeinde gestellt”, sagt Lempelius, „aber wir
sind an der Entschädigung gar nicht interessiert, wir möchten hier
wohnen bleiben.” Ähnlich sieht dies Fritz Seikowsky, seit 14 Jahren
Eigentümer des sogenannten „Fernando-Schwartz-Hauses”, das er
Anfang der 90er Jahre dem spanischen Schriftsteller und
TV-Moderator abkaufte. „Ich wusste beim Kauf von den
Schwierigkeiten mit den Genehmigungen, aber da alle erforderlichen
Unterlagen vorlagen und sogar nachträglich noch von der Gemeinde
die Erlaubnis für bauliche Veränderungen am Haus erteilt wurde,
sind wir nie davon ausgegangen, dass es einmal zu einem so
drastischen Urteil kommen würde”, sagt Seikowsky heute.
Auch er habe noch ein Fünckchen Hoffnung, doch wenn die Häuser
tatsächlich der Abrissbirne zum Opfer fallen, dann würden hier
eindeutig die Falschen bestraft. „Wir Eigentümer sind nur
Betroffene, nicht Beteiligte in diesem Krieg zwischen Parteien und
Gemeinden. Wir haben die Häuser in gutem Glauben mit allen
erforderlichen Genehmigungen gekauft”, so Seikowsky.
Wenn dieses Urteil tatsächlich vollstreckt werde, und so sehe es
zur Zeit aus, dann könne sich künftig kein Immobilienkäufer auf
Mallorca mehr auf erteilte Baugenehmigungen verlassen. Das
Schlimmste, so der deutsche Unternehmer, sei für ihn zur Zeit die
Ungewissheit. „Sie sagen uns, dass abgerissen wird, aber nicht wann
und zu welchen Bedingungen.”
Auch die Gemeinde Deià sieht im Falle einer Vollstreckung des
Urteils schwierigen Zeiten entgegen, rund 800 bis 1000 Häuser soll
es allein im Traumuntana-Gebirge geben, die unter ähnlichen
Bedingungen erbaut wurden. Die Prozessflut, die dann möglicherweise
losgetreten würde, wäre für Gemeinden und Inselrat ein
Horrorszenario.
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