Wer mit Air Berlin nach Mallorca fliegt, ist künftig nicht mehr
mit einem Billigflieger beziehungsweise Low-Cost-Carrier, wie es
auf englisch heißt, unterwegs, sondern mit einer börsennotierten
Fluggesellschaft. Mit der Ankündigung, an die Börse gehen zu
wollen, zog die Air Berlin am Mittwoch auf der Internationalen
Tourismusbörse in Berlin (ITB) alle Blicke der Reisebranche auf
sich.
Über den Schritt war im Vorfeld spekuliert worden. Dass die
Ankündigung aber so prompt kam – knapp zehn Wochen nach der
Umfirmierung der Gesellschaft von einer deutschen GmbH & Co.
Luftverkehrs KG zu einer britischen Public Limited Company (PLC)
& Co. KG – hat selbst altgediente Tourismusexperten überrascht.
„Die Würfel sind gefallen”, sagte Air-Berlin-Chef Joachim Hunold
bei der Bekanntgabe der Entscheidung zum Flug an die Börse, auch
wenn die Landezeit noch völlig unklar ist. Der Zeitpunkt des
Börsenganges werde noch mit den beratenden Banken abgestimmt.
Erst am Dienstag hatten die Anteilseigner des Unternehmens, die
mit den bisherigen Gesellschaftern identisch sind, den Beschluss
zum Börsengang gefasst. „Wenn wir im harten europäischen Wettbewerb
weiter wachsen wollen, müssen wir uns auf der Kapitalseite
entsprechend aufstellen. Unsere Anteilseigner haben jetzt die
Weichen dafür gestellt. Bereits im Vorfeld des Börsenganges haben
sie eine Kapitalerhöhung um 130 Millionen Euro vorgenommen.”
Der Berliner „Tagesspiegel” geht unter Berufung auf
Branchenkreise davon aus, dass die Airline durch den Gang an die
Börse mit einem Volumen von bis zu 800 Millionen Euro rechnen
könne. Insbesondere Mallorca werde von dem Börsengang profitieren,
sagte Joachim Hunold am Rande der ITB auf MM-Anfrage. „Mit dem
neuen Kapital wollen wir unsere Kapazitäten vergrößern und in
Europa weiter wachsen. Das führt dazu, dass es dann noch mehr
Verbindungen zwischen Mallorca und den europäischen Metropolen und
Städten geben wird”, so Hunold. Schon jetzt stellt Air Berlin auf
Palmas Airport Son Sant Joan ein Fünftel des Passagieraufkommens.
Im vergangenen Jahr reisten 4'59 Millionen Menschen in einem der
weiß-roten Flugzeuge auf die Insel. Die Nummer zwei in Palma, Air
Europa, beförderte nach Angaben des Flughafens nur etwa halb so
viele Fluggäste.
Joachim Hunold hält es für realistisch, dass sich der
Marktanteil der Low-Cost-Carrier in Europa in den nächsten Jahren
noch verdoppeln wird. „Auch nach Meinung der uns beratenden Banken
ist Air Berlin jetzt reif für die Börse. Wir sind die zweitgrößte
Fluggesellschaft in Deutschland und in den letzten 15 Jahren
kontinuierlich gewachsen.” Die Commerzbank und Morgan Stanley seien
als Joint Global Coordinator und als Joint Bookrunner mandatiert.
Über den aus der Transaktion zu erwartenden Erlös könne heute noch
keine Aussage getroffen werden. Der hänge in erster Linie vom
Umfang der Kapitalerhöhung und der Anzahl der abzugebenden Aktien
ab. Die derzeitigen Anteilseigner wollen auch nach dem Börsengang
als Aktionäre im Unternehmen bleiben. Hunold schwieg sich jedoch
darüber aus, ob sie auch nach dem geplanten Börsengang die Mehrheit
stellen werden. Über die Verteilung der Anteile zwischen Alt– und
Neu-Aktionären wurden keine Angaben gemacht. Ziel sei es, alle
Seiten zufriedenzustellen.
Air Berlin hat nach Hunolds Worten in den vergangenen Monaten
wichtige Vorbereitungen für den Börsengang getroffen. Dazu gehöre
auch die Umwandlung der Gesellschaft in eine Public Limited Company
(PLC), die in London registriert ist. Diese Gesellschaftsform
ermögliche bessere Vergleiche mit anderen Unternehmen und
erleichtere die Kapitalbeschaffung. Berlin bleibe jedoch
Betriebssitz. Ihre Steuern werde die Gesellschaft weiterhin in
Deutschland bezahlen. Für die Mitarbeiter ändere sich nichts.
Angestrebt werde eine Notierung an der Frankfurter Börse. Eine
Mitarbeiterbeteiligung am Aufsichtsrat schloss der als
gewerkschaftskritisch bekannte Air-Berlin-Chef aus. „Unsere
Rechtsform einer britischen PLC kennt keinen mitbestimmten
Aufsichtsrat.”
2005 hatte die Airline mit 13'5 Millionen Passagieren
(plus 12'45 Prozent) ihre Position als zweitgrößte deutsche
Fluggesellschaft hinter der Lufthansa weiter gefestigt. Der Umsatz
stieg um 17 Prozent auf 1'22 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor
Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Leasingkosten (EBITDAR) belief
sich im Jahr 2005 auf 153 Millionen Euro, das Eigenkapital auf 197
Millionen Euro.
Die Entwicklung 2006 beurteilt Hunold optimistisch. Bereits in
den traditionell schwachen Monaten Januar und Februar habe sich die
Passagierzahl um 10'6 Prozent und die Auslastung der Maschinen um
ein Prozent auf 68'8 Prozent gesteigert. Die Flotte der Airline
umfasst derzeit 54 Flugzeuge. In diesem Jahr werde noch die
Auslieferung von sechs Airbus A 320 aus dem bis 2011 laufenden
Großauftrag über insgesamt 60 Maschinen erwartet. Dazu sollen
voraussichtlich noch drei geleaste Airbus A 319 kommen. Das
Unternehmen beschäftigt derzeit 2679 Mitarbeiter. Allein im vorigen
Jahr wurden 613 Mitarbeiter eingestellt. Jetzt werden 600 weitere
gesucht.
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