Eigentlich könnte er „die Füße längst ins Meer halten”, das
passende Domizil dazu hat Bernhard Paul sich schon vor rund zehn
Jahren auf Mallorca zugelegt. In Gènova liegt seine „Kreazienda”,
wie der Roncalli-Chef seine „Hazienda” oder Finca hoch droben auf
dem Berg liebevoll nennt. „Kreazienda” kommt von kreativ – denn
hierher will er Künstler einladen, um mit ihnen neue Zirkus-Events
zu entwickeln: „Deshalb gibt's da oben auch jede Menge
Gästezimmer”, erzählt Bernhard Paul. An einer 13
Meter-Durchmesser-Manege – „Internationales Maß!” – hat der
Hauseigner auch nicht gespart, damit die Ideen vor Ort gleich in
die Tat umgesetzt werden können. Aber: Noch kann sich der gebürtige
Österreicher nicht „zurückziehen”, denn gleich alle drei seiner
Kinder – Vivien (17), Adrian (15) und Lili (7) – wollen den Zirkus
später übernehmen: „Und solange muss ich wohl weitermachen”,
schmunzelt er.
So richtig kann man sich den Mann, der immer noch liebend gern
als rotnasiger „Clown Zippo” in die Manege klettert, ohne Roncalli
auch nicht vorstellen. Er ist nicht nur Clown und Direktor, er ist
auch Regisseur, hat ein eigenes Varieté, das Apollo, in Düsseldorf,
und zudem die Verantwortung für das Programm in zwei weiteren
Häusern in Stuttgart und Berlin. Dieses Jahr feiert das
erfolgreiche Zirkus-Unternehmen, das Bernhard Paul 1976
buchstäblich aus dem Nichts erschaffen hat, 30jähriges Jubiläum.
Über 15 Millionen Menschen haben sich seither vom Roncalli-Flair
verzaubern lassen, und es sind immer noch die persönlichen
Begegnungen, die ihn besonders berühren: „Wenn einem die Leute nach
der Vorstellung auf die Schulter klopfen und sagen: ,Bitte, machen
Sie weiter' oder ,Danke, sowas brauchen wir' – das motiviert.”
Der direkte Draht zum Publikum sei sowieso das entscheidende
Kriterium, das einen professionellen Entertainer oder „Comedian”
(„Das Wort mag ich eigentlich nicht”) ausmache. Nur: „Heute werden
die sogenannten Comedians gecastet statt entdeckt”, kritisiert
Bernhard Paul. „Sie müssen nur komisch aussehen, den Rest machen
die Gagschreiber und Techniker mit Bluebox, Zeitraffer und am
Schneidetisch.” Dann „legt man noch Publikumslacher drüber”, und
fertig sei die Comedy aus der Konserve. Nur: „Komisch aussehen ist
nicht komisch sein”, warnt der Profi. Das A und O sei das richtige
Timing, das heißt, „wann man die Pointe richtig setzt”. Und das
lerne ein Künstler nur im direkten Kontakt zum Publikum: „Entweder
es lacht – oder eben nicht.”
Im Gegensatz zu einem Entertainer wie Rudi Carrell („Der hat
noch getingelt!”) mangle es der heutigen TV-Comedy-Generation an
Schulung durch Live-Auftritte: „Die haben es nie gelernt – wo
sollen sie's da herhaben?” Überhaupt, und da kann sich Bernhard
Paul richtig empören, gäbe es einfach „zuviel Schrott im
Fernsehen”: „Diese Leute stehlen denjenigen, die wirklich etwas zu
sagen haben, Platz und Zeit.” Damit schließt er auch „Leute” wie
den Schauspieler Heiner Lauterbach ein, dessen frühzeitige
„Memoiren” gerade die „Bild”-Zeitung füllten: „Ich wundere mich,
dass er es nötig hat, über seine erotischen und alkoholischen
Jugendsünden heute noch ein ganzes Buch zu schreiben.” Interessant
sei doch allein: „Ist er ein guter Schauspieler oder nicht?” Beim
Thema „Massenverdummung” ist Bernhard Paul so richtig in seinem
Element: „Die Menschheit wird bewusst dumm gehalten.” Empören kann
er sich, wenn er als Vater sieht, wie „alle musischen Fächer in den
Schulen verschwinden”. Wenn er jeden Tag bestätigt sieht, dass nur
noch Quote (in den Medien) und Umsätze (in der Wirtschaft) die Welt
bestimmen: „Globalisieren heißt nichts anderes als
amerikanisieren”, schimpft er und outet sich als echter
„Anti-Amerikaner”: „Die Gen-Technologie in der Landwirtschaft etwa,
die braucht niemand. Dahinter stecken riesige US-Konzerne, die
damit ein Vermögen machen – zum Schaden der gesamten Menschheit.”
In Österreich gäbe es Bio-Betriebe, die gezwungen werden, weniger
zu produzieren – um mehr Produkte aus den USA zu importieren. „Die
Hauptgefahren auf dem Lebensmittelmarkt sind die
Produktionsbeschleuniger – Antibiotika, Hormone –, mit denen viel
Geld verdient wird.” Die Folgen „von diesem Scheiß-Fressen” (O-Ton
Paul) seien unübersehbar: steigende Krebs-Raten und Allergien,
Übergewicht schon bei Kindern. Das alles sei „eine
Riesen-Verarschung”, besonders wütend macht ihn dabei die Tatsache,
dass jede Minute Kinder vor Hunger sterben, während Milliarden für
Kriege wie im Irak ausgegeben werden: „Und wir müssen das noch
mitfinanzieren.”
Bernhard Paul sehnt sich zurück nach einem Europa, wie es einmal
war: „Nach französischen Filmen, nach Fellini, nach Qualität.” Wie
die Dinge stehen, könne man nur versuchen, „die Jahre, die wir hier
verbringen, halbwegs gut über die Runden zu bringen”. Und: Mit
gutem Beispiel voranzugehen. „Es geht darum, einen Beitrag zu
leisten – und mein Beitrag ist gute Unterhaltung”, so der
58jährige. Wenn es einem gut geht, habe er erkannt, sieht man die
negativen Dinge klarer: „Es gibt zu wenig kritische Stimmen.”
Auch von Mallorca aus wird Bernhard Paul sicherlich in beide
Richtungen wirken – hochkarätig unterhalten und seine kritische
Stimme erheben. Sein Haus in Gènova hat er nach den neuesten
umwelttechnologischen Kriterien errichtet: giftfreie Rohre,
unbedenkliche Baustoffe, biologische Farben. Und seine
architektonische Geschichte berücksichtigt: Das Mittelteil des
Hauses ist 200 Jahre alt und wurde entsprechend „zurückgebaut” –
mit alten spanischen Fenstern, Olivenbaumholz-Türen und nach
originalgetreuen Vorlagen. Und eine gigantische Bibliothek, nicht
nur mit Zirkus-Literatur, wird es geben – wider die Verdummung. Das
sei das Schöne am Zirkus, findet Bernhard Paul, dass er für alle da
ist: jung und alt, arm und reich. So ähnlich habe das auch Andy
Warhol einmal nach einer Vorstellung zu ihm gesagt: „Der
Intellektuelle und das Kind lachen in derselben Sekunde.”
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.