Es klang fast wie ein Angriff auf die mediterrane Lebensart: Die
Siesta hat ausgedient, hieß es zum Jahreswechsel in den Medien.
Grund ist die Neuregelung der Arbeitszeit in den staatlichen
spanischen Behörden. Die lange Mittagspause wird dort gestrichen
und die Arbeitszeit gleicht nun der in nordeuropäischen Ländern.
Für tiefgreifende Änderungen im Alltag der spanischen Bevölkerung
gibt es dennoch bislang keine Anzeichen. Die neuen Arbeitszeiten
greifen nur in einem begrenzten Rahmen, während das Leben auf
Mallorca und den anderen Provinzen weitgehend im selben Rhythmus
weitergeht wie bisher auch.
Entgegen der Annahme manch Nordeuropäers ist dieser Rhythmus
nicht etwa von weniger, sondern mehr Arbeitszeit geprägt. Die
Erfahrung, dass auf Mallorca häufig mehr Arbeitsstunden für weniger
Lohn geleistet werden müssen als im vergleichbaren Job in
Deutschland, machen viele deutsche Einwanderer auf der Insel. Was
den Zeitaufwand für die Arbeit anbelangt, liegt Spanien nach Japan
an der Spitze. Laut einer Studie des spanischen Círculo Empresarial
(Unternehmerkreis) entspricht der Aufwand aber keineswegs der
Produktivität: Nur knapp zwei Drittel der Arbeitszeit würde
effizient eingesetzt, heißt es in einer anderen Studie.
Nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch die Familie leidet
häufig darunter, wenn der Arbeitstag durch eine mehrstündige
Mittagspause bis in den Abend verschoben wird. Die Verkürzung der
Mittagspause auf eine Stunde ermögliche es den Beamten, sich besser
um Familie und Freunde zu kümmern, so die spanische Regierung. Da
heute die meisten Firmen und Büros mit Klimaanlagen ausgestattet
sein dürften, scheint die Siesta inzwischen auch in
gesundheitlicher Hinsicht überflüssig geworden zu sein.
Wenn es nach der spanischen Regierung geht, dann sollen die
neuen Arbeitszeiten der etwa 500 Angestellten der zentralen
Verwaltung in Madrid auch in der Privatwirtschaft Schule machen.
Doch wie weit macht eine Umstellung Sinn? Der Lebensund
Arbeitsrhythmus der spanischen Gesellschaft zeigt sich unter
anderem im Handel – durch verbraucherfreundliche Öffnungszeiten bis
21 Uhr und länger. Viele Kunden hoffen, dass sich daran nichts
ändern wird.
Bislang hat die Nachricht vom Sterben der Siesta auf Mallorca
kaum für Aufmerksamkeit gesorgt: Weder in den Behörden der
Zentralregierung in Palma noch im Inselrat oder den Rathäusern
hatte man davon überhaupt Notiz genommen: „Bei uns läuft alles wie
bisher auch”, hieß es einmütig. Der Grund: Dort wird seit eh und je
von 8 bis 15 Uhr gearbeitet.
Auch in anderen Bereichen des Insellebens gelten eigene Regeln.
Im wichtigsten Wirtschaftssektor, dem Tourismus, richtet sich alles
auf die Saison aus, wenn die Urlauber kommen. Die Menschen in den
Dienstleistungsberufen wie Kellner oder Hotelangestellte können in
der Hochsaison kaum auf einen regulären Acht-Stunden-Tag hoffen.
Dafür sind viele von ihnen in der Winterzeit arbeitslos – oder
versuchen dann zumindest einen Ausgleich für die fehlende Freizeit
im Sommer zu schaffen. Am härtesten trifft es wahrscheinlich die
kleinen Unternehmer wie zum Beispiel Gastwirte oder Betreiber von
Wassersportzentren, die in sechs oder acht Monaten das gesamte Ge–
schäft des Jahres machen müssen. Manche von ihnen arbeiten
monatelang ohne freien Tag durch – mit oder ohne Siesta.
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