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Mallorca Magazin: Die Autobahn von Palma nach Port d'Alcúdia schreitet voran. Bis hinter Inca ist man schon. Sie wohnen bei Pollenca, sind aber oft in Deutschland. Finden Sie es nicht klasse, dass Sie bald bestimmt eine Viertelstunde auf dem Weg zum Flughafen sparen?
Peter Maffay:
Wenn man das Thema auf ein paar eingesparte Minuten reduziert, dann kann man das wohl so sehen. Da ich aber seit mehr als drei Jahrzehnten auf die Insel komme und hier zeitweise wohne, muss ich und will ich das anders sehen.

MM: Also keine Freude über die bessere Anbindung?
Maffay:
Nein, die Autobahn ist ein Synonym für eine völlig entgleiste Vision einiger weniger auf Mallorca. Zu Lasten der Umwelt und zu Lasten der Gesamtbevölkerung. Es gibt ein paar Gewinner in diesem Prozess und viele Verlierer.

MM: Aber die Bevölkerung im Norden profitiert doch von der Autobahn, oder? Wer zum Beispiel in Alcúdia wohnt und in Palma arbeitet, spart täglich Zeit.
Maffay:
Der Anteil dieser Leute ist extrem gering. Natürlich gibt es welche, die zwischen dem Norden und Palma pendeln, aber im Vergleich zu denen, die unter den Auswirkungen leiden, sind es wenige. Unter meinen Freunden und Bekannten, seien es Mallorquiner oder Deutsche, empfinden ausnahmslos alle die Situation im Moment als extrem belastend. Ich glaube, dass das, was zur Zeit mit dieser Insel passiert, der absolute Wahnsinn ist. Um es mal auf den Punkt zu bringen.

MM: Was kritisieren Sie genau?
Maffay: Die Autobahn ist ein herausragender Aspekt der Erosion. Zersiedelung und Versiegelung von Land, Zuwanderung, Müllbeseitigung, Wasserkonsum, all dies spielt eine Rolle.

MM: Von Seiten der Politik ist doch aber oft zu hören, dass an Mallorcas Umwelt gedacht wird. Dazu gehören Stichworte wie Tarjeta Verde, Moratorien, Umweltsteuer ...
Maffay:
Für mich ist das alles Augenwischerei. Meinetwegen gibt es eine Tarjeta Verde oder Ecotaxen – die Autobahn wird trotzdem gebaut und die ganzen Häuser, die ganzen Gettos entstehen dennoch. Wenn man über die Insel fährt, kommt es einem vor, als wäre alles eine große Baustelle. Und es gibt ja Leute, die es richtig und wichtig finden, noch mehr zu bauen. Wo soll das hinführen? Wir leben auf einer Insel. Wieviel kann diese Insel überhaupt noch an Bebauung verkraften? Wollen wir irgendwann eine Bevölkerungsdichte wie in New York oder in Monte Carlo haben?

MM: Die Autobahn beschert doch aber zumindest denen, die im Norden Grund und Boden besitzen, mehr Wohlstand. Allgemein wird erwartet, dass die Immobilienpreise in der Region steigen.
Maffay: Bei den Leuten, mit denen man sich unterhält, und die meisten davon sind Einheimische, besteht die Erwartung beziehungsweise die Befürchtung, dass die Zersiedelung der Landschaft im Norden immer weiter voranschreitet. Wenn die Preise steigen, kann sich Otto Normalverdiener, der mit Familie auf der Insel lebt, Wohnraum noch weniger leisten. Zuziehen werden Leute von außen, die ihr Haus vielleicht vier Wochen pro Jahr nutzen. Immobilienbesitzer, deren Eigentum jetzt im Wert steigt, können sich natürlich freuen. Aber das ist kurzsichtig, wenn die Entwicklung so weitergeht, werden sie in zehn Jahren aufwachen. Denn dann wird es keinen mehr geben, der die Preise zahlen will. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass hier jeder jetzt sofort sein Haus verkaufen will.

MM: Wie soll man aber ohne Autobahn dem immer stärker werdenden Verkehrsaufkommen Rechnung tragen?
Maffay: Zum Beipiel durch einen Ausbau des Schienennetzes. Dadurch wird viel weniger Landschaft versiegelt. Es wird Zeit, aufzuwachen. Man muss ja nur mal aufs spanische Festland schauen.

MM: Wohin genau meinen Sie?
Maffay: Von Nord bis Süd ist die gesamte Küste inzwischen zugebaut. Dieser Landstrich ist, auf gut deutsch gesagt, schon versaut. Diese Entwicklung droht auch auf Mallorca. Zu Lasten der Qualität. Das wird zum Beispiel auch dazu führen, dass die Leute, die hierher gekommen sind, um in einer gewissen Qualität zu leben, integriert zu leben, wahrscheinlich irgendwann wieder abwandern, wenn sie diese Qualität eines Tages verlieren.

MM: Denken Sie dabei auch an Ihre eigene Zukunft?
Maffay: Ja, das kann auch bei mir so sein. Wenn die aktuelle Entwicklung anhält, glaube ich nicht, dass ich große Lust habe, hier alt zu werden. Ähnlich dürfte es vielen gehen, die Mallorca als zweiten Wohnsitz gewählt haben. Glauben Sie mir, die Namensliste wird jeden Tag länger.

MM: Aber Ihr Sohn Yaris soll doch auf Mallorca groß werden ...
Maffay: Wenn die von mir erwähnte Qualität nicht mehr da ist, sehe ich keinen Grund, meinen Sohn hier aufwachsen zu lassen. Dann werde ich die Konsequenzen ziehen. Das ist jetzt aber noch nicht der Fall. Gott sei Dank nicht.

MM: Sie selber betreiben ökologische Landwirtschaft. Und nutzen die Gegebenheiten auch, um durch Ihre Stiftung traumatisierte Kinder mit der Natur in Kontakt zu bringen.
Maffay: Ja, weil es dieses intakte Umfeld bei uns noch gibt.

MM: Das war bei Ihnen vor der Haustür auch nicht immer sicher.
Maffay: Stimmt. Wir selber haben Grundstücke, die früher ein Golfplatz werden sollten. Heute sind selbst diejenigen, die das initiiert hatten, froh, dass es nicht so gekommen ist und wir Landwirtschaft betreiben. Das ganze Tal von Campanet sollte zersiedelt werden. Für Leute, die sich für viel Zaster eine Bude in die Landschaft stellen und sie dann nur ein paar Wochen pro Jahr nutzen. Zum Glück ist das nicht geschehen. Man muss aufpassen, dass solche Zonen nicht ganz verlorengehen. Es wäre traurig, wenn Kinder, mallorquinische wie ausländische, die jetzt nachwachsen, von dieser Landschaft nie mehr etwas sehen würden.

MM: Sprechen Sie sich auch gegen Golfplätze aus?
Maffay: Ach Gott, immer wenn es um wertigen Tourismus geht, müssen die armen Golfplätze herhalten. Ich bin Landwirt. Ich kann es nicht gut finden, wenn Wasser dafür verbraucht wird. Jetzt kommt sicher wieder das Argument: Es handelt sich doch um aufbereitetes Brauchwasser. Klar. Das kann man aber auch in der Landwirtschaft verwenden. Dann erzeugt man etwas Essbares.

MM: Also keine weiteren Golfplätze auf Mallorca?
Maffay: Es gibt ein paar wunderschöne Plätze auf der Insel, die sind für viele Leute sehr attraktiv und das ist auch völlig okay so. Aber weitere muss man nun wirklich nicht mehr bauen.

MM: Sie sagten gerade, dass Sie Landwirt sind. Den überwiegenden Teil Ihres Geldes verdienen Sie aber wohl immer noch als Rockmusiker. Was dürfen Ihre Fans als nächstes von Ihnen erwarten?
Maffay: In diesem Jahr steht das Projekt „Begegnungen 2” auf dem Programm, ich werde viel auf Reisen sein.

MM: Sie wollen wieder, wie bei Ihrem ersten Begegnungen-Projekt, Lieder zusammen mit Musikern aus anderen Ländern, aus anderen Kulturen singen?
Maffay: Ja. Es wird immer eine Dreieckskonstellation geben. Der Künstler bringt seinen Einsatz für ein soziales Projekt mit, sozusagen als Eintrittskarte. Dazu gibt es dann einen Paten. Am Beispiel Ukraine ist das Ruslana als Sängerin, ihr Projekt ist Tschernobyl, der Pate ist Juschtschenko. Und das mal zwölf.

MM: Welche Länder sind vorgesehen?
Maffay: China, Afghanistan, Ukraine, wahrscheinlich Schweden, Deutschland, USA, Peru, Kapverden, Südafrika, Palästina und Indien.

MM: Das soll jetzt aber nicht heißen, dass Sie all diese Länder in den nächsten Monaten bereisen?
Maffay: Doch, genau das heißt es. Wir werden auch einen Film drehen. Die CD soll am 3. Oktober veröffentlicht werden.

MM: Von Mallorca, Ihrer Frau Tania und Sohn Yaris werden Sie aber 2006 nicht viel sehen ...
Maffay: Ich bin zwischendurch immer mal wieder hier, zum Teil reisen Tania und Yaris auch mit, wenn es ungefährlich ist. Aber zum Beispiel nach Afghanistan würde ich die beiden niemals mitnehmen.

MM: Ist auch ein Künstler von Mallorca an dem zweiten Begegnungen-Projekt beteiligt?
Maffay: Aber ja! In einer besonders schönen Form. Das gesamte Artwork, also CD-Cover, Tourneeplakat und so weiter, wird von Gustavo gestaltet, mit dem wir befreundet sind. Der künstlerische Input kommt von ihm, mit einem Grafiker-Team sorgt er für die gesamte Corporate Identity. Gustavo ist sozusagen mein Major-Partner. Ich bin für die Musik verantwortlich, er für das Bild.