Mallorca will sein Müllproblem langfristig in den Griff
bekommen. Unter anderem soll die Müllverbrennungsanlage von Son
Reus um zwei leistungsfähige Hochtemperaturöfen erweitert werden.
In einer von der Opposition als undurchsichtig bezeichneten
Blitzaktion wurde Ende vergangener Woche das Thema im
mallorquinischen Inselrat zur Abstimmung vorgelegt, konnte aber
wegen der Abwesenheit einer Abgeordneten nicht verabschiedet
werden. Deshalb soll Anfang Oktober die Modifizierung des
Müllplanes nachgeholt werden.
Durch die beiden Müllverbrennungsöfen kann ab 2008 mehr als
doppelt soviel Unrat verbrannt werden wie bisher. Die beiden
bisherigen Öfen von Son Reus haben eine Kapazität von 300.000 Tonen
Müll pro Jahr. Mit der Erweiterung können bis zu 650.000 Tonnen
jährlich verbrannt werden. Damit, und mit der geplanten Forcierung
der Mülltrennung, rechnet der für die Abfallbeseitigung zuständige
Direktor im Inselrat, Guillem Riera, vor, habe man das jährlich
anfallende Müllvolumen in den nächsten 25 Jahren im Griff.
Zumindest mathematisch.
„Im Jahr 2004 fielen auf Mallorca insgesamt 554.000 Tonnen Müll
an. Davon konnten 300.000 Tonnen verbrannt werden. 170.000 Tonnen
wurden auf der Müllhalde von Son Reus deponiert, der Rest
recycelt.” Damit habe man bisher das Problem halbwegs in den Griff
bekommen. „Aber die Müllhalde wächst und wächst. Und dies seit 30
Jahren.” Inzwischen habe der Müllberg Ausmaße von 220.000
Quadratmetern und eine Höhe von 35 Metern erreicht. „Wir leben auf
einer Insel, haben nur begrenzt Land und können nicht auf Halden
setzen.”
Spätestens mit der Inbetriebnahme der neuen Öfen soll Mallorcas
letzte Müllkippe geschlossen und versiegelt werden. „Damit sind wir
dann die einzige Region in Europa ohne Mülldeponie.” Noch vor zehn
Jahren habe es auf der Insel 40 Müllhalden gegeben. „Bald haben wir
keine mehr.” Dies hat allerdings seinen Preis. 325 Millionen Euro
sollen in die Modifizierung des Müllplanes investiert werden. Mehr
als 250 Millionen allein für zwei Verbrennungsanlagen.
Das Vorhaben wird von den Umweltschützern als wirtschaftlich und
ökologisch untragbar kritisiert. „Das ist der reinste Wahnsinn”,
meint Miguel Ángel March vom GOB. Man müsse auf Müllvermeidung und
Mülltrennung setzen und nicht die Atmosphäre mit
Verbrennungsabgasen belasten und ein Vermögen verpulvern.
Was die Kosten anbelangt, akzeptiert Guillem Riera die Kritik
seiner Gegenspieler. „Es gibt weitaus billigere
Müllverbrennungssysteme. Wir wollen aber das Effektivste und
Sicherste, was es derzeit auf dem Markt gibt. Das Beste ist uns
gerade gut genug, das sind wir Mallorca schuldig.” Außerdem würden
sich die Kosten bei einer geschätzten Betriebsdauer von 25 Jahren
durchaus relativieren. Zumal auch die Finanzierung von der
Betreiberfirma Tirme vorgeschossen werde. „Derzeit bezahlen wir für
die Verbrennung einer Tonne Müll 90 Euro. Mit den neuen Öfen wird
sich der Preis für die Entsorgung zwischen 110 und 115 Euro pro
Tonne bewegen.” Damit liege man - dank EU-Subventionen - deutlich
unter den 150 bis 180 Euro, die in anderen EU-Staaten bezahlt
würden.
Die teuren Öfen hätten aber nichts mit der beschlossenen
Anhebung der Müllverbrennungsgebühren zu tun. Für 2005 wird die
Tasa de Incineración von 78'6 auf 90'96 Euro angehoben und ist
damit dreimal so hoch wie noch vor zehn Jahren.
Müllverbrennung habe ihren Preis, sei aber die einzige
wirkungsvolle Antwort auf die Konsumgesellschaft. 13 der 15 alten
EU-Länder setzten auf dieses System. Lediglich Griechenland und
Irland bevorzugten Halden.
Müllreduzierung, vor allem bei Verpackungen, sei schwierig. Eine
diesbezügliche Gesetzgebung müsste vom Staat kommen. „Die Zeit, in
der die Leute mit dem Korb einkaufen gingen und das Wasser aus dem
Hahn tranken, kommt nicht wieder. Wir leben auf einer Insel, und
alles, was geliefert wird, kommt verpackt. Vom Zementsack bis zur
Milch.”
Auch bezüglich der durch die Verbrennung entstehenden Abgase
sieht Riera keine Gefahr. Ab 2006 tritt eine neue EU-Norm in Kraft,
die den Ausstoß von Stickoxiden von derzeit 200 Milligramm pro
Kubikmeter auf 70 Milligramm reduziert. Mit den neuen Öfen und der
nachgerüsteten alten Anlage würden maximal 40 Milligramm
ausgestoßen. Das einen Steinwurf von Son Reus entfernte
GESA-Kraftwerk, das von der neuen Norm nicht betroffen sei,
schleudere ein Vielfaches an Treibhausgasen in die Luft. „Die
Energiewirtschaft hat die einflussreichere Lobby.”
Auch sei klar erwiesen, dass die auf den Müllhalden entstehenden
Methangase den Klimawandel 25mal stärker vorantrieben als die bei
der Verbrennung anfallenden Gase. „Ich wohne gleich neben der
Verbrennungsanlage in Bunyola und kann guten Gewissens durch die
Straßen gehen.”
Das einzige noch gelöste Problem bei der Verbrennung sei die
Asche. Nicht verbrannte Metalle und Mineralien könnten
wiederverwertet werden. „Mit der Asche ist dies kompliziert.” Etwa
zwei Prozent des verbrannten Volumens bleibt als Asche zurück.
Diese wird mit Zement gebunden und könnte theoretisch für Bauzwecke
benutzt werden. Durch die hohen Transportkosten sei Mallorca aber
nicht konkurrenzfähig.
Ab 2006 wird auch Bauschutt getrennt behandelt. Acht Anlagen
verarbeiten dann die jährlich eine Million Tonnen zu neuem
Baumaterial. Natürlich sei auch Mülltrennung für den Inselrat ein
wichtiger Aspekt, zumal ab 2008 laut EU-Norm 68 Prozent des
recycelbaren Abfalls getrennt gesammelt werden müssen. Aber
Mülltrennung, das weiß auch Riera, hat sich in der Bevölkerung noch
längst nicht durchgesetzt. Auch wenn sich die Zahl der gelben,
grünen, blauen und neuerdings auch braunen Container binnen fünf
Jahren vervielfacht habe. „Wir hinken Zentral- und Nordeuropa in
Sachen Umweltbewusstsein um mindestens 15 Jahre hinterher. Es geht
zwar stetig voran, aber nicht von heute auf morgen.”
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