Er ist ein waschechter Mallorquiner und kann seine Vorfahren aus
Binissalem lückenlos bis ins Jahr 1500 zurückverfolgen. Auch aus
seiner eigenen Kindheit weiß er, dass Schokoladeneier eigentlich
nicht zum mallorquinischen Osterfest gehören. Nach Inselbräuchen
befragt, lässt der über 70jährige Juan Marti zu Ostern nur diese
gelten: Empanadas, Crespells, Rubiols und den typischen
Lammbraten.
Der heutige Inhaber des Blumenladens Azahar in Son Rapinya
erinnert sich, dass es Rubiols, die süß gefüllten Teigtaschen, und
die Mürbeteigkekse „Crespells” in seiner Jugend wesentlich häufiger
gegeben hat als die „Empanadas”, was einen einfachen Grund hatte:
Die Füllungen für den Kuchen – Fleisch, Gemüse oder Thunfisch –
waren teurer als Mehl und Zucker für Crespells oder Rubiols.
Osterhasen oder bemalte Eier, so Marti, habe es früher auf der
Insel nicht gegeben. Doch letzte Woche, so Marti, habe er seiner
Patentochter ein großes, gefülltes Schokoladenei zu Ostern gekauft,
ein Brauch, der schon vor Jahren aus Katalonien nach Mallorca
gelangt ist.
Auch ein Blick in Juan Martis Geschäft zeigt, dass sich die
Zeiten offensichtlich geändert haben. Blühende Forsythienzweige und
Osterglocken stehen in den Vasen. Die Schaufenster hat er zusammen
mit seiner Frau Esperanza Reynés so dekoriert, dass sie sich von
einem deutschen Ostergeschäft nicht unterscheiden. Bunte Eier sowie
Osterhasen und Hühner in allen Farben und Formen gibt es hier.
„Unser Angebot hängt natürlich auch mit den vielen deutschen
Kunden zusammen, die wir hier haben”, erklärt Esperanza, aber auch
die Mallorquiner würden von Jahr zu Jahr mehr Osterdekoration
verlangen.
Bei der Bäckerei um die Ecke sieht es ähnlich aus. Wo man vor
zehn Jahren das bevorstehende Osterfest noch an dem speziellen
Angebot aus der Backstube erkannte, stehen heute Schokoladenfiguren
aller Arten und Größen in den Regalen. Ob süße Eier, Hasen oder
Hühner, die „Monas de Pascua”, wie die kunstvollen
Schokoladengebilde auch genannt werden, werden vorwiegend von Paten
gekauft, um sie an die Kinder zu verschenken, so beteuern Verkäufer
und Kunden im „Forn de Son Rapinya”.
Der Brauch, so bekräftigen auch sie, stamme vom Festland, wo die
typische „Mona de Pascua” übrigens nicht überall eine
Schokoladenfigur ist. Fragt man einen Madrilenen nach diesem
Begriff, beschreibt er einen Hefekuchen, in dessen Mitte ein
hartgekochtes Ei eingebacken ist.
Womit wir wieder beim Ei wären, welches in Deutschland
bekanntlich vom Osterhasen gebracht wird. In der Nacht vor
Ostersonntag hoppelt er durch den Garten und versteckt Eier, die am
nächsten Morgen von den Kindern gesucht und eingesammelt werden.
Wer zufällig auf Mallorca eine solche Eiersuche beobachten sollte,
kann davon ausgehen, dass es sich nicht um Mallorquiner handelt,
denn dieser Brauch ist nach wie vor auf der Insel gänzlich
unbekannt.
„Bei uns gibt es nicht mal Schokoladeneier vom Paten”, sagt
Graciela Varela. Die gebürtige Uruguayerin ist seit 25 Jahren auf
Mallorca verheiratet, und in ihrer Familie, so erzählt sie, seien
die „Monas de Pascua” noch nicht angekommen. Viel leckeres Essen,
das typische Gebäck, Lammbraten und Ausflüge mit Picknick, das sei
für sie Ostern.
Doch in den Geschäften der Insel, so bestätigt auch die
Wahlmallorquinerin, breite sich das Osterangebot jedes Jahr mehr
aus. Musste man vor einigen Jahren für bunte Eier und Schokohasen
deutsche Läden aufsuchen, findet man die Leckereien heute in fast
allen mallorquinischen Geschäften.
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