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MM: Im Januar verabschiedete der Inselrat den Plan Territorial de Mallorca. Er schreibt vor, was und wieviel auf der Insel in den kommenden zehn Jahren gebaut werden darf. Das ist auch für Palma verbindlich. Dort werfen derzeit viele anstehende Projekte ihren Schatten voraus: Meeresfront, Kongresspalast, Bahnhofsverlagerung, Hafenausbau, Metro ... Wie wird Palma im Jahre 2015 aussehen?
Javier Rodrígo de Santos: Nun, ich bin kein Zukunftsforscher, aber das größte Vorhaben, die „Fachada Marítima”, also die Umgestaltung der zum Meer ausgerichteten Front Palmas, wird städtebaulich einen deutlichen Wandel bewirken – und zwar zum Positiven hin. Wir wollen die erste Linie der Stadt wiedererlangen und insgesamt aufwerten. Die Ortseinfahrt vom Ende der Flughafenautobahn bis zum Beginn der Avenidas ist das, was jeder Ankömmling von Palma zuerst zu sehen bekommt. Dieser Bereich hat einen städtebaulichen Wandel dringend nötig.

MM: Dort sehen die Pläne den Abriss des Gesa-Gebäudes vor.?
De Santos: Wir wollen das Erscheinungsbild der Stadt der Umgebung besser anpassen. Anstelle der bisherigen Bebauung wird es einzelne Gebäude und deutlich mehr Grünzonen geben. Dort sind auch der neue Kongresspalast samt Hotel sowie diverse Gebäude für Behörden, Ministerien und Wohnungen vorgesehen. Die Höhe der Bauten steigt stufenartig an. In der ersten Reihe dürfen sie nicht mehr als drei, in der letzten nicht mehr als sieben Stockwerke hoch sein. Damit wird die barrierenhafte Bauweise – hohe Gebäuderiegel direkt am Ufer – aufgebrochen. In zehn Jahren ist Palma dort eine Stadt, die sich dem Meer öffnet.

MM: Stichwort Meer, was geschieht an der Playa de Palma?
De Santos: So wie bei der Fachada Marítima verfolgen wir auch an der Playa de Palma ein Projekt, das, so hoffe ich, das touristische Zielgebiet in zehn Jahren deutlich verändert haben wird. Das Großvorhaben zur Umgestaltung des Küstenbereichs sieht vor, von Can Pastilla bis El Arenal die Infrastrukturen zu verbessern, die Bebauung zu entkernen, mehr Grünzonen zu schaffen, den Autoverkehr zurückzudrängen und die Straßen für Fußgänger attraktiver zu gestalten. Die erste Meereslinie ist bereits modernisiert. Jetzt braucht die zweite Linie Verbesserungen, vor allem unter ästhetischen und touristischen Gesichtspunkten.

MM: Wie soll das konkret erfolgen?
De Santos: Unser Referenzplan („plan de excelencia”) umfasst den gesamten Küstenabschnitt vom Strand bis zur Autobahn. In den rückwärtigen Zonen finden sich alte Steinbrüche Schutthalden, Brachland. Wir wollen diesen Bereich sanieren, etwa für Golfanlagen, Tennisplätze und weitere sportliche wie kulturelle Einrichtungen. Damit wollen wir den Golf– und den Aktivtourismus stärken. In den Plan fließen Erfahrungen aus US-Küstenorten wie Miami ein. Für das spanische Tourismusministerium hat das Projekt Pilotcharakter.

MM: Wie weit werden die beiden Großprojekte in zehn Jahren gediehen sein?
De Santos: An Palmas Meeresfront werden der Kongresspalast, das Hotel und die öffentlichen Behörden stehen. Die privaten Wohnprojekte werden zu 80 Prozent realisiert sein. An der Playa wiederum werden die großen Infrastrukturmaßnahmen, die das touristische Zusatzangebot verbessern sollen, ebenfalls verwirklicht sein.

MM: Das sind aber nicht die einzigen Großprojekte, die die Stadt verändern werden.?
De Santos: Von großer städtebaulicher Bedeutung ist das Vorhaben, den Bahnhof und die Gleise unterirdisch zu verlegen. Die Trennung der Stadtteile wird aufgehoben. Die Grünzone im Park kann um ein Drittel erweitert werden. Ein solcher Zuwachs im Herzen der Stadt ist Luxus. Einmal ganz abgesehen von den 130.000 Quadratmetern des Sa-Riera-Parks, der derzeit entsteht. Mit Glück können wir dort schon den Frühling 2006 genießen. Ich bin überzeugt: Das wird ein sehr dynamischer Park sein, mit kulturellen Veranstaltungen unter freiem Himmel. Der Park wird eine weitere touristische Attraktion Palmas.

MM: Mit der Untertunnelung der Gleise kommt auch die Metro?
De Santos: Ja. Die Untertunnelung der Schienen bis zur Vía Cintura wird bis 2007 abgeschlossen sein. Ein Jahr später wird die Bahn das Industriegebiet Son Castelló erreichen und noch ein Jahr später bis zur Universität rollen.

MM: Wird es 2015 auch eine Straßenbahn geben, die Arenal mit Santa Ponça verbindet?
De Santos: Das ist nicht ausgeschlossen, das Projekt ist Teil des balearischen Transportplanes. Es hat aber derzeit nicht dieselbe Priorität wie der Bau der Metro. Möglich, dass die Straßenbahn in das Metro-Projekt einbezogen wird.

MM: In den vergangenen Jahren ist in Palma sehr viel gebaut worden. Wie geht es weiter?
De Santos: Der Territorialplan hat die Flächen, auf denen noch gebaut werden kann, auf rund 200 Hektar beschränkt. Das ist sehr wenig für eine Stadt wie Palma. Das noch freie Bauland befindet vor allem im Norden der Stadt, bei Son Vida, Son Xigala. Kleinere Flächen sind darüber hinaus in El Molinar oder bei Son Ferriol vorhanden. Insgesamt könnten so rund 30.000 Wohnungen entstehen.

MM: Braucht man so viele neue Wohnungen angesichts eines Leerstandes von rund 44.000 Wohnungen in Palma?
De Santos: Die Neubauten verkaufen sich alle. Die Nachfrage besteht, das ist ganz klar.

MM: Bedeutet dies, dass die Bevölkerungszahl weiter steigt? Auf der Internetseite des Rathauses wird sie mit 379.898 Einwohnern (Stand 1. Januar 2004) angegeben.
De Santos: Ja, die im Territorialplan zugrunde gelegten Erwartungen sehen für Palma weiteres Wachstum vor.

MM: Mit wie vielen Einwohnern rechnen sie in 2015?
De Santos: Wenn man bedenkt, dass sich die Bevölkerungszahl in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt hat, dürfte ich mit einer halben Million Einwohner nicht falsch liegen.

MM: Bremsen oder fördern Sie mit Ihrer Städtebaupolitik die Zunahme der Bevölkerung?
De Santos: Weder noch. Die Einwanderung und die demographische Entwicklung kann eine Verwaltung nicht bestimmen, und ein Rathaus noch viel weniger. Es kann die Zuwanderungspolitik nur begleiten. Die Kompetenzen in Sachen Migration liegen beim Staat. Die Menschen, die kommen, um hier zu leben, fragen an der Pforte des Rathauses nicht nach.

MM: Kann eine Stadt wie Palma eine halbe Million Einwohner verkraften?
De Santos: Ich hoffe doch, ja. Unsere Infrastrukturen wie Krankenhäuser, Schulen, Gesundheitszentren, Bibliotheken sind ausgelegt für unsere Bevölkerung und deren Wachstum in den einzelnen Stadtvierteln. Derzeit hinken wir mit der Versorgung hinterher. Die Zunahme der Bevölkerung war in den vergangenen Jahren vielleicht übertrieben. Aber die Stadtverwaltung hätte schwerlich etwas anderes machen können.

MM: Was wollen Sie gegen die Unterversorgung mit Infrastruktur machen?
De Santos: Wir fordern eine Anerkennung Palmas als Kapitale, nach dem sogenannten Gesetz der „capitalidad”. Palma hält mit seinen Kliniken, der Universität, den Regierungs–, Verwaltungs, Handels– und Industrieeinrichtungen sowie dem Flug– und Seehafen Dienstleistungen bereit, die nicht nur den Bürgern der Stadt, sondern weit mehr Menschen zugute kommen. Daher benötigen wir mehr finanzielle Ausgleichszahlungen und Fördermittel vom Staat.

MM: Stichwort Hafen, auch hier sind diverse Pläne präsentiert worden. Die Kompetenzen liegen indessen bei der Hafenbehörde. Wie sehen Sie die Entwicklung?
De Santos: Die Alte Mole wird nicht mehr einzig dem reinen Hafenbetrieb zur Verfügung stehen, sondern stärker in das städtische Leben eingebunden werden. Freizeit und Sporthafen in einem, etwa so wie in Puerto Portals.

MM: Was passiert mit dem Paseo Marítimo?
De Santos: Auch er wird sich wandeln, hin zu einer fußgängerfreundlichen Flaniermeile, mit weniger Verkehr. Die Fahrbahnen werden mit Sicherheit in Tunnel tiefer gelegt; wenn nicht auf ganzer Länge, so doch in Abschnitten. Ganz ähnlich wie in Barcelona. In zehn Jahren sind diese Pläne Wirklichkeit.

MM: Wagen Sie eine zusammenfassende Prognose: Wie wird die Stadt 2015 aussehen?
De Santos: In zehn Jahren ist Palma eine viel stärker dem Meer zugewandte Stadt, mit einer attraktiven Seefront und einer gewandelten Playa de Palma. Die Stadt wird über bessere Infrastrukturen und moderne Transportmittel wie der Metro verfügen. Und Palma wird eine begrünte Stadt sein mit viel mehr Parks. Ungeachtet aller Modernisierung: Die Altstadt bleibt Altstadt. Wir haben bei den Vereinten Nationen beantragt, das historische Zentrum zum Weltkulturerbe der Menschenheit zu erklären.

Mit Javier Rodrígo de Santos sprach Alexander Sepasgosarian.