Die Welle, die die Welt in Angst und Schrecken versetzte,
beunruhigt auch Mallorca. Viele der an der Küste wohnenden Menschen
fragen sich besorgt, „kann das bei uns auch passieren?”.
Theoretisch, da gibt es in der Geophysik keinen Zweifel, kann
die Erde überall beben. Über und unter Wasser. Allerdings gibt es
Zonen, die mehr, und andere, die weit weniger von Erdstößen
gefährdet sind. Voraussagen lassen sich Erd- und Seebeben nicht.
Die Wahrscheinlichkeitsberechnungen der Wissenschaft liegen in
einem Bereich von mehreren hundert Jahren.
Fest steht jedoch: Auch das Mittelmeer ist vor Seebeben nicht
gefeit. Wenngleich in dieser Schwere zuletzt im Jahre 1303 der
Meeresboden gebebt hat. Damals, so Heiko Woith, Geologe bei der
Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft in Potsdam, habe sich ganz
Kreta verschoben. Die Insel sei um bis zu acht Meter angehoben
worden und seitlich gekippt. Die entstandene Flutwelle habe weite
Teile der Nordafrikanischen Küste verwüstet.
Die Möglichkeit, dass so etwas auch mit Mallorca passiere, sei
aber wenig wahrscheinlich, da sich unter der Insel keine
afrikanischen Erdplatten hindurchschieben.
Tsunamis sind im Mittelmeer selten, aber bei weitem kein
unbekanntes Phänomen. Erst im Mai 2003 wurde Mallorca von einer
Tsunamiwelle getroffen. Ein Beben in Algerien mit Epizentrum in
Küstennähe löste einen Tsunami aus. Rund 100 Boote sanken durch die
Gewalt des Meeres in mallorquinischen und menorquinischen Häfen
oder wurden an Land gespült. Palmas Paseo Marítimo stand
stundenlang unter Wasser. Menschen kamen auf den Balearen nicht zu
Schaden.
Generell sei die Bedrohung durch Tsunamis im Mittelmeerraum
extrem gering. „80 Prozent aller bisher registrierten Tsunamis”,
relativiert Emilio Careño vom Nationalen Geografischen Institut in
Madrid die gesammelten Daten seiner Behörde, „breiten sich im
Pazifik aus.” Die letzte Monsterwelle im Atlantik, die Spanien
heimgesucht habe, sei durch das verheerende Erdbeben ausgelöst
worden, das 1755 Lissabon zum Einsturz brachte. Damals war unter
anderem Cádiz stark zerstört worden.
Nicht jedes Seebeben verursacht auch einen Tsunami. Um dieses
gefährliche Naturphänomen hervorzurufen, bedarf es einer vertikalen
Verschiebung von Erdmassen, die von Beben oder Vulkanausbrüchen
ausgelöst wird. Soll sich die Wellenbildung optisch auch bemerkbar
machen, bedürfe es einer Erdbebenstärke von mindestens fünf auf der
internationalen Richterskala.
Dann gehe aber alles sehr schnell. „Tsunamis erreichen leicht
Geschwindigkeiten von 700 und mehr Kilometern pro Stunde und können
mehrere hundert Kilometer lang sein”, weiß Careño. Die
Höchstgeschwindigkeit hänge von der Wassertiefe ab. Bei einem Beben
in vier Kilometern Tiefe werden Werte von um die 720
Stundenkilometer erreicht.
Eine Tsunamiwelle kommt selten allein. Viele Menschen wähnen
sich nach den ersten verheerenden Wassermassen in Sicherheit. Dass
noch eine zweite oder dritte tödliche Wand im Abstand von zehn bis
15 Minuten auf sie zurast, merken sie erst, wenn es fast oder
bereits zu spät ist.
Obwohl weltweit Erdstöße schnell erfasst werden und die
Richtungen, Geschwindigkeiten und Zielgebiete von Tsunamis mit
Früherkennungssystemen rasch berechnet werden können, bleibt in der
Praxis oftmals wenig Zeit, die Betroffenen zu warnen und zu
evakuieren. Bei der aktuellen Naturkatastrophe scheiterte es auch
an den dafür nötigen Infrastrukturmaßnahmen, über die kaum eines
der armen Länder verfügt.
Sollte es im relativ kleinen Mittelmeerraum tatsächlich einmal
zu einem ähnlich starken Seebeben wie dem im Indischen Ozean
kommen, wären die Auswirkungen fatal. „Wir brauchen im günstigsten
Fall etwa zwölf Minuten, um ein Beben zu lokalisieren und die
möglichen Auswirkungen zu berechnen”, versucht Careño ein mögliches
Horrorszenario zeitlich aufzudröseln. Sollte ein Tsunami von
Nordafrika auf Mallorca zurasen, blieben 20 bis 30 Minuten Zeit, um
die Bevölkerung zu warnen.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.