Pech gehabt, der Wagen vor uns hat den freien Parkplatz
weggeschnappt. Also noch eine Runde um die Markthalle drehen, in
der Hoffnung, endlich irgendwo eine Lücke am Straßenrand zu
ergattern. Die mühsame Sucherei ist das einzige Ärgernis für
Besucher des Santa-Catalina-Marktes. Der Rest von „Sa Plaça”, wie
ihn die Einheimischen nennen, ist hingegen ein einziges
Vergnügen.
Dicht an dicht liegen sie nebeneinander: Cap Roig, Moll Vermell,
Rap, Bruixa und wie die Fische sonst noch heißen, die in den
Gewässern rund um die Balearen herumschwimmen. Am Fischstand von
Isabel findet man sie alle und noch mehr.
Jetzt vor Weihnachten herrscht hier Hochbetrieb. Auch was die
Preise betrifft. Warum der Fisch immer vor den Feiertagen so teuer
ist? Isabel lächelt etwas verlegen und meint entschuldigend: „Das
hängt auch davon ab, wie groß der Fang ausfällt.”
Der Stand von Isabel ist wie die meisten der übrigen 52
Verkaufsplätze im Catalina-Markt im Familienbesitz. „Meine Mutter
und meine Großmutter haben hier schon gearbeitet, und mein Vater
fischte früher noch selbst”, sagt Isabel.
Das gehört ebenso der Vergangenheit an wie die ursprüngliche
Bedeutung des ganzes Marktes. Früher diente die Halle der
Grundversorgung des ehemaligen Fischerviertels Santa Catalina, und
dementsprechend war auch das Angebot eher bodenständig.
Seit einigen Jahren hat sich das Bild des Marktes komplett
gewandelt. In dem länglichen gelben Flachbau dominieren heute
internationale und spanische Spezialitäten, die allmählich das
traditionelle Angebot verdrängen.
Es gibt Käse aus Frankreich und der Schweiz, deutsches
Sauerkraut, Ananas aus Costa Rica, Zitronengras aus Thailand,
Fische aus den Gewässern Galiciens oder den obligatorischen Jamon
Iberico, also diese spanischen Schinken-Kaventsmänner, die
dekorativ am Haken baumeln. Kurzum: Im Catalina-Markt gibt es
alles, was der Insel-Gourmet von Welt verlangt.
Das exklusive Angebot ist nicht zufällig. „Wenn wir überleben
wollen, müssen wir uns spezialisieren”, sagt Virgilio Izquierdo
Tarongí, Präsident der Händlervereinigung des Marktes. Hauptgrund
ist vor allem das veränderte Kaufpublikum. „Rund 80 Prozent der
Kunden kommen heutzutage nicht mehr aus dem Viertel um den Markt,
sondern aus allen Teilen Palmas und Mallorcas”, informiert
Virgilio. Ein gut Teil davon sind inzwischen Residenten und
Touristen.
Die veränderte Situation birgt aber auch Risiken. „Wenn der
Tourismus nicht funktioniert, geht es uns auch nicht gut”, sagt
Gemüse- und Obsthändler Salvador. Der 54jährige weiß, wovon er
spricht. Denn er hat auch andere Zeiten erlebt.
Noch vor wenigen Jahren krähte in Palmas ehemaligem
Fischerviertel nämlich kein Hahn nach feiner Paté, Bio-Honig,
Trüffel oder Fischspezialitäten vom Festland. Es kamen immer
weniger Kunden, und viele Stände verwaisten. Seit etwa Ende der
90er Jahre des vorigen Jahrhunderts erlebt der Markt genauso wie
das ganze Barrio neuen Glanz und Auftrieb. Freie Ladenflächen sind
Mangelware. Nicht zuletzt dank der „Ausländer” erlebte Santa
Catalina eine Renaissance, und heute ist es wieder schick, hier
einzukaufen.
Aber was heißt hier einkaufen. Wer den Santa Catalina-Markt
besucht, sucht auch eine gehörige Portion Erlebnis und Entspannung.
Nirgendwo gelingt das besser als im „Frau”, der ältesten Bar in der
Halle.
Das äußerlich schlichte „Frau” ist so was wie die Seele des
Marktes. Hier wird deutlich, dass Märkte nicht nur der
Lebensmittelversorgung dienen, sondern auch eine soziale Funktion
erfüllen. Im Frau verkehrt viel Stammpublikum, das „Frit Mallorquí”
und andere inseltypischen Tapas genießt, die Besitzerin Maria in
ihrer Winzküche kocht. Dazu sitzt der Kunde entweder an der Theke
oder an den drei kleinen Holztischen, die noch zwischen Wand und
Theke Platz gefunden haben.
Es lohnt sich aber auch, den Straßen um die Markthalle herum
einen Besuch abzustatten. Dort liegt die Plaça de la Navigació, die
mit einem großen Angebot an Cafés lockt. Zum Beispiel dem
„Zanzibar”, wo man bei schönem Wetter draußen einen Café con Leche
genießen kann. Oder wie wär's mit einem Besuch gleich nebenan in
der „Pasteleria, Cafetería, Salon de Té” mit seinen französischen
Produkten. Und wer seinen Hund dabei hat: Ein Hundefrisiersalon
verpasst dem Vierbeiner sicher einen trendigen Schnitt.
Szenenwechsel, die Innenstadt von Palma. Inmitten eines
geschäftigen Viertels, das geprägt wird von meist gesichtslosen
Bürohäusern, erhebt sich wie ein mediterraner Monolith der Mercado
Olivar. Der Olivar-Markt ist mit über 250 Ständen und rund 500
Händlern der größte und wichtigste Markt der Insel. Er wurde bis
Ende vergangenen Jahres renoviert. Das sieht man ihm aber von außen
bis auf die automatischen Glastüren nicht an.
Im Innern mutet der Markt im Gegensatz zu seinem Pendant in
Santa Catalina jedoch eher kühl an: graue Steinfließen, blaue
Kunststoffbaldachine über den Ständen, viel Glas, Beton und Metall
oder ein Laufband, das zu einem Supermarkt in der zweiten Etage
führt, versprühen mehr Sachlichkeit als heimelige Marktatmosphäre.
Von dem nüchternen Ambiente sollte man sich aber nicht beeindrucken
lassen. Denn im Olivar finden Feinschmecker, was das Herz
begehrt.
Ein paar Beispiele gefällig? In der Fleischabteilung empfieht
sich ein Blick auf den Stand von Antonia Zangera. Leicht zu
erkennen an der Hasenfigur mit geschulterter Flinte und
Patronengurt, die auf der Theke steht. Oder den Kaninchen, die noch
in vollem Fell am Haken baumeln. Etwas bizarr, aber Antonia bezieht
einen Teil ihres Wildes und Geflügels aus heimischer Jagd. Apropos:
Wer dort einkauft, sollte Vorsicht walten lassen. Es könnte sein,
dass er die eine oder andere Schrotkugel mitgekauft hat.
Wer Hülsenfrüchte mag, ist am Stand von „Pilar” gut beraten. Die
verkauft vorgekochte Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Kichererbsen
nebst Speck oder Würsten, mit denen man die Hülsenfrüchte
zubereiten kann.
Vorzeigeabteilung des Olivar ist aber die rund 1100 Quadratmeter
große Fisch- und Meeresfrüchtehalle. In acht langen Reihen
präsentieren dort 45 Händler das größte und beste Angebot der
Insel.
Auf den restlichen 4000 Quadratmetern bietet der Olivar-Markt
weniger Spezialitäten als die Konkurrenz von Santa Catalina. „Wir
haben hier ein bisschen von allem”, charakterisiert Antoní Crespí
das Angebot. Crespí ist der Präsident der Olivar-Händler und
besitzt selbst einen Gemüse- und Früchtestand, den er zusammen mit
Frau Margerita und Tochter Barbara betreibt.
Die Renovierung des Olivar-Marktes bezeichnet er als gelungen.
Auch der neue Supermarkt im Obergeschoss zieht seiner Meinung nach
zusätzlich Leute an. Weniger gut funktioniert dagegen die
Ansiedlung von zusätzlichen Geschäften in diesem Bereich. Es gibt
dort eine Bank, ein Computergeschäft sowie eine Außenstelle der
Stadtbücherei. Ansonsten aber stehen die meisten Geschäftsräume
leer. Niemand wollte sich bisher dort einmieten.
Aber um dem Negativen noch einen Pluspunkt gegenüberzustellen:
Der Olivar hat eine eigene Tiefgarage. Also kein Herumgegurke wie
in Santa Catalina. Und auch nicht wie beim dritten wichtigen
überdachten Warenumschlagplatz der Stadt: die Markthalle bei der
Plaça Pedro Garau.
Der gleichnamige Markt besitzt eine gänzlich andere Note als die
beiden bisher erwähnten. Besonders dienstags, donnerstags und
samstags. An diesen Tagen ist die Markthalle nämlich von Ständen
mit Billigklamotten im wahrsten Sinne des Wortes umzingelt. Und
zwischen ihnen verkaufen Landwirte Lebensmittel aus heimischem
Anbau.
Eine von ihnen ist Fanny Joy aus Llubí, die deshalb auffällt,
weil sie eimerweise lebende Schnecken anbietet. Alle im eigenen
Wald selbst gesammelt.
Wuselig geht es im Innnern der Halle zu. Im Gegensatz zu Olivar und
Santa Catalina herrscht hier wenig bis gar keine Systematik. So
kommt es auf engstem Raum zuweilen zu einer schrägen Gemengelage
aus Früchte-, Un terwäsche- und Tierfutterständen.
Positiv könnte man dies als die normalen Begleiterscheinungen
eines ungestylten, authentischen Marktes in einem „einfachen”
Stadtteil bezeichnen. Auch das Publikum im Pedro Garau weist
überhaupt nichts bohemehaftes auf: Die meisten sind Anwohner, die
hier einkaufen oder sich einfach zu einem Schwätzchen an einer der
Bars treffen.
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