Das erste Bild stammt aus dem Jahr 1947. „Lee” – ein Porträt,
wie Ellis Jacobson sie zu jener Zeit mit Vorliebe malte. Ein
bisschen 50er Jahre, ein bisschen James Dean und sehr amerikanisch.
Zumindest für europäische Augen.
Die letzten Bilder – feine, zarte Collagen – nennt Jacobson
„Cánticos” – Lieder –, angelehnt an die „Chants d'Auvergne” von
Joseph Canteloube (1879 – 1959), an den Maler und Holzschneider
Hokusai (1760 – 1849), oder einfach nur „Lied mit ein bisschen
Blau”. Dazwischen liegt ein ganzes Künstlerleben. Nur schwer in
einem einzigen Rundgang zu fassen, selbst wenn Ellis Jacobson die
Führung übernimmt, charmant, ironisch, voller Widersprüche,
gesprächig und gleichzeitig schüchtern, überaus liebenswert und
manchmal ein wenig gerührt: „Es ist ein großer Tag für mich”, sagt
er.
Die Anthologie mit Werken des amerikanischen Malers Ellis
Jacobson, geboren 1925 im kalifornischen San Diego, wird an diesem
Freitag im Casal Solleric in Palma eröffnet. Sie ist Hommage an
einen Künstler, der einer der ganz Großen des 20. Jahrhunderts ist,
der seit 1962 auf Mallorca lebt und arbeitet, dessen Werk auch,
aber nicht nur durch die Insel geprägt wurde.
„Nach Ankunft auf Mallorca”, sagt Ellis Jacobson, „hat sich
meine Art zu malen verändert. Ich war auf der Suche.” Eines der
ersten Bilder, das hier entstand, war ein Porträt seiner Frau Nan,
die er auf Mallorca kennenlernte. Porträts nahmen in den frühen
Jahren breiten Raum im Werk von Ellis Jacobson ein, obwohl er sagt,
er habe sich schon bald von den akademischen Porträts entfernen
wollen.
1969 entstand dann doch noch eine bitterböse Galerie von
fiktiven Porträts – besser spräche man von Karikaturen: „Die
Generäle”. „Ich hasse alle Generäle dieser Welt”, sagt Jacobson,
„sie repräsentieren den Krieg. Jeder einzelne in dieser Arbeit hat
einen Titel, sie gehören zu verschiedenen Ländern, aber sie sind
eigentlich alle gleich.” Womit die Frage, ob denn seine Kunst auch
politisch sei, beanwortet ist.
Einige Jahre später greift er das Thema wieder auf mit dem Bild
„Der Tyrann”, das jetzt im Casal Solleric im plüschigen Goldrahmen
sitzt: „Das muss so sein. Alle Diktatoren haben einen schlechten
Geschmack.” Eines seiner liebsten Arbeiten ist das Bild „Coliseu”
(1953), das Kolosseum zu Rom im Abbruch begriffen. Warum er es
besonders mag? Er weiß es nicht: „Worte sind doch nur Worte.”
In den 60er und 70er Jahren entstanden Ölbilder und Aquarelle immer
auf dem schmalen Grad zwischen Abstraktion und Figuration. Bilder,
denen Jacobson meist keine Titel gegeben hat: „Das gefällt mir
sowieso nicht, das beeinflusst nur”, sagt er. „Damit mache ich für
den Betrachter immer eine Vorgabe, die er nicht mehr aus dem Kopf
bekommt. Ohne Titel müssen sich die Leute selbst zurechtfinden.”
Als er während des Rundganges gefragt wird, was ein bestimmtes Bild
bedeutet, sagt er: „Ni idea – das weiß ich doch nicht.”
Die Ausstellung umfasst ein ganzes Künstlerleben – abstrakte
Aquarelle, inspiriert von japanischer und chinesischer Kunst,
Bilder mit kräftigen Farbfeldern, mit denen sich Jacobson seit 25
Jahren beschäftigt. Die letzten Arbeiten werden immer reduzierter.
Für den Betrachter bleiben Fragen. Die vielleicht wichtigste: Wer
ist Ellis Jacobson? MM wird über ihn noch berichten.
Anthologie Ellis Jacobson. Casal Solleric, Palma, Passeig del Born
29. Vernissage Freitag, 26. November, 20 Uhr. Danach geöffnet bis
16. Januar von Dienstag bis Samstag von 10 bis 14 und von 17 bis 21
Uhr, sonn– und feirtags von 10 bis 13.30 Uhr. Außerdem im Casal
Solleric: Miquel Font – Fotografien aus Palma 1993 bis 2004 – und
eine Installation von Che Machesi „Lenticulars”.
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