Der Siegeszug der digitalen Technik in der Fotografie ist nicht
aufzuhalten und nimmt stetig neue Dimensionen an. Im Jahr 2003
wurden auf dem Weltmarkt bei Digitalkameras Umsatzsteigerungen von
60 Prozent erzielt.
Nur noch wenige eingefleischte Fotoenthusiasten entschließen
sich zum Kauf einer Kamera, die mit Negativ- oder Diafilmen
bestückt wird. Die Preise für gebrauchte konventionelle Systeme
sind im Keller. Keiner, so scheint es, will sich mehr mit der
Technik von gestern belasten.
Auch wenn hochwertige Aufnahmen auf Filmmaterial im
professionellen- und Hobbybereich aufgrund des noch bestehenden
Qualitätsgefälles zu Lasten der Digitalfotos noch einige Jahre ihre
Nische haben werden, ist der Trend zum digitalen Bild vollzogen.
Auch auf Mallorca. Einheimische und Urlauber haben Zelluloid längst
gegen Chips eingetauscht.
„Wir verkaufen vielleicht noch einmal im Monat eine herkömmliche
Kamera”, ist in der Fotoabteilung des Corte Inglés zu hören. Selbst
Kinder bekämen bereits zur Kommunion oder zu Weihnachten ihre
eigene Digitalkamera geschenkt. Durchschnittlich geben die
Corte-Inglés-Kunden um die 300 Euro für eine digitale Kompaktkamera
aus. Die Verbreitungsgeschwindigkeit von Digitalkameras auf
Mallorca, meint eine Fachverkäuferin, sei durchaus mit dem
Handyboom zu vergleichen.
„Ich rühre die Dinger nicht an und will auch gar nicht wissen,
wie sie funktionieren, darum kümmert sich ausschließlich mein
Sohn”, meint Sebastián Vila. Für den 82-Jährigen, der buchstäblich
in den Fotohandel hineingeboren wurde, ist Fotografie immer noch
unzertrennlich mit Film und Papier verbunden. „Als mein Vater 1922
das Geschäft gründete, hieß es noch Drogeria Casa Vila und war
eines der ersten Läden auf der Insel, die sich mit Fotografie
beschäftigten. Damals haben wir noch Kontaktabzüge mit Sonnenlicht
hergestellt.” Auch wenn Sebastián Vilas Blicke hin und wieder
wehmütig über hunderte, im ersten Stock eingelagerte
Glasplattennegative im beindruckenden 13x18-Zentimeter-Großformat
gleiten, auf denen die ersten Autos der Insel oder steif in die
Kamera blickende Hochzeitspaare abgelichtet sind, der Zahn der Zeit
hat auch vor seinem Ladengeschäft in der Jaume III. nicht halt
gemacht und kräftig genagt.
Der Wandel von konventionell zu digital habe sich aber nicht
ruckartig von heute auf morgen, sondern schleichend, im Laufe der
Jahre vollzogen. Jeden Tag ein bisschen mehr. „Inzwischen verkaufen
wir fast keine richtigen Kameras mehr”, sagt Vila, während seine
knorrigen Finger liebevoll eine alte Leica umschließen.
Genaue Zahlen darüber, wer von dem Einzug der digitalen
Fototechnik profitiert, und wer den Kürzeren gezogen hat, gibt es
auch auf dem überschaubaren Markt der Insel nicht. Fest steht nur,
dass Unternehmen, die Digitalkameras verkaufen und zusätzlich einen
Laborservice anbieten, weniger Sorgen haben als jene, die sich
ausschließlich auf die Weiterverarbeitung geschossener Fotos
spezialisiert haben.
„Unser Auftragsvolumen ist deutlich zurückgegangen”, ist die
knappe Auskunft bei einer Filiale der Laborkette Minit Colors, die
sich der Schnellentwicklung von Fotoabzügen im Stundenrhythmus
widmet.
Bei den Stundenlabors an der Playa de Palma winkt man gleich ab.
Die meisten Urlaubsmotive werden auch in diesem Jahr digital
fotografiert, eine Notwendigkeit, die Erinnerungsbilder vor Ort zu
entwickeln, besteht kaum. Die Sofortkontrolle der Aufnahmen erfolgt
am Monitor der Kamera, Fotos für die Urlaubsbekanntschaften werden
nicht als Papierabzug ausgetauscht, sondern per E-mail.
Von den besten digitalen Urlaubs-Schnappschüssen werden
üblicherweise die Papierabzüge im Herkunftsland erstellt, falls
überhaupt. Nicht weil die Preise in Spanien teurer sind als
beispielsweise in Deutschland, wo für einen Abzug im
Postkartenformat, von Angeboten abgesehen, ebenfalls um die 20
Eurocent fällig sind. „Ich schaue mir zu Hause die Fotos in Ruhe am
Rechner oder am Fensehbildschirm an, freue mich nochmal über den
Urlaub und wähle dann aus, ob ich vielleicht das eine oder andere
Bild einrahmen und aufhängen möchte”, beschreibt Manfred Walther
aus Berlin den Umgang mit seinen fotografischen
Mallorcaerinnerungen.
Ob ihr Umsatzrückgang bei der Bilderentwicklung auf die digitale
Technik zurückzuführen sei, wollte man bei Foto Kamal, unweit des
„Ballermannstrandes”, weder bestätigen noch ausschließen. „Es gibt
einfach weniger Touristen. Und die, die kommen, geben kein Geld
aus.”
Mit hohen Investitionen in High-Tech-Scanner und Plotter
reagierte das in Profi-Kreisen bekannte Labor Cliche auf den
fotografischen Wandel. „Früher kamen Hotel- oder Regattafotografen
mit Hunderten Diafilmen zum Entwickeln. Die arbeiten heute alle
digital. Wir entwickeln jetzt weniger, können aber durch die neuen
Druck-Techniken wesentlich größere Abzüge anbieten.”
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