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Die Ereignisse könnten haarsträubender nicht sein. In der Nacht von Freitag auf Samstag brachte eine junge Deutsche in der Damentoilette der Hafenmeisterei im Real Club Náutico in Palma ein Kind auf die Welt und deponierte das Neugeborene im Klobecken. Im Anschluß an die Geburt verließ Jessica B. gegen 2 Uhr den Sanitärraum und überließ ihre Tochter ihrem weiteren Schicksal. Danach, so Augenzeugen, mischte sich die 26-jährige Frau aus dem Großraum Frankfurt scheinbar emotionslos unter die Schaulustigen.

Den beiden Frauen, die nach Jessica B. die Toilette aufsuchten, bot sich ein erschütterndes Bild. Der komplette Toilettenbereich einschließlich der Wände war mit Blut verschmiert. In der WC-Schüssel das nackte Kind, an dem noch die Nabelschnur hing. Wäre das Neugeborene nicht mit dem Kopf nach oben in die Kloschüssel gelegt worden, so die Ärzte der Säuglingsstation von Son Dureta, wäre es zu diesem Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits erstickt gewesen.

„Es war schrecklich”, erinnert sich Andrea Richter, die sich Viertel vor zwei in ihre Koje an Bord der „Triton” zurückgezogen hatte. „Kurz nach zwei Uhr rief mir völlig aufgelöst ein benachbartes Crewmitglied zu, ich möge ganz schnell zur Damentoilette kommen, da ich etwas Spanisch spreche.” Zu übersetzen gab es aber nichts. „Ich rannte im Schlafanzug hoch und sah zwei weitere deutschsprachige Frauen, eine etwas ältere und eine junge, im Waschraum. Zwischen Toilette und Waschbecken lag ein in ein T-Shirt eingewickeltes Bündel auf dem Boden, aus dem noch die Nabelschnur heraushing. Alles war voller Blut, das Kind eiskalt und schon ganz blau angelaufen”, erzählt Andrea Richter.

„Ich bin dann gleich wieder rausgerannt und habe so viele Pullis wie möglich zusammengeliehen, habe das Mädchen abgerieben und es in die Pullover gewickelt. Dann kam eine blonde Frau in den Waschraum. Die ältere der beiden anderen Frauen sagte zu ihr: ,Du bist doch die Mutter von dem Baby. Wir haben vor der verschlossenen Türe gestanden, die Schreie gehört und du hast uns nicht reingelassen. Das ist dein Kind!* Aber die beschuldigte Frau hat nur ganz gelassen geantwortet: ,Nö, bin ich nicht.* Außer dass sie bleich war, hat man ihr auch nichts angesehen. Aber bleich waren wir schließlich alle.”

„Ich bückte mich bei dem Baby auf den Boden und sah nur an den weißen Streifen der schwarzen Jogginghose hoch, die die blonde Frau trug. Erst am Sonntag habe ich dann aus der Zeitung erfahren, dass sie tatsächlich die Mutter des ausgesetzten Babys ist. Ich habe sie auch gleich auf einem abgedruckten Foto wieder erkannt”, berichtet die 42-Jährige aus Sindelfingen, sichtlich betroffen. „Wie kann man nur so etwas tun?” Das Neugeborene ist wohlauf und wurde von dem Personal der Säuglingsstation auf den Namen María del Mar getauft. Es wog nach der Geburt 3290 Gramm, hat blonde Haare und blaue Augen. „Ein richtiges Prachtexemplar”, so der behandelnde Arzt.

Bereits am Samstagmorgen wurde Jessica B. von der Guardia Civil vernommen. Zuerst als Zeugin, nach einer aufgrund widersprüchlicher Aussagen durchgeführten gynäkologischen Untersuchung dann als mutmaßliche Täterin. Der Gerichtsmediziner bestätigte, dass die Frau wenige Stunden zuvor ein Kind zur Welt gebracht haben musste.

Die Polizei geht nach ersten Ermittlungen davon aus, dass Jessica B. nur mit dem Ziel nach Mallorca gekommen ist, hier unauffällig zu gebären, die Geburt des Kindes zu vertuschen und wieder nach Deutschland zurückzufahren. Als Vorwand soll ein Segeltörn von fünf Freunden gedient haben, mit denen sie sich in Palma getroffen hat.

Laut Polizeiangaben ist Jessica B. am Freitag alleine auf Mallorca angekommen. Ihre Schwangerschaft wurde aufgrund ihrer Statur und der weiten Kleidung weder von der Fluggesellschaft noch von den Zeugen bemerkt. Abends habe sie, um nicht aufzufallen, noch mit ihren Bekannten eine Sause durch das Llonjaviertel unternommen und anschließend das Kind in der Toilette geboren. Auch sei sie es gewesen, die telefonisch die Polizei verständigt habe.

Jessica B. wurde auf richterlichen Beschluss in Untersuchungshaft genommen. Nach ersten Medienberichten verweigert sie die Aussage. Ein deutscher und ein spanischer Rechtsanwalt wurden mit ihrer Verteidigung beauftragt. Sie hüllen sich ebenfalls in Schweigen. Darüber hinaus ist die Mutter von Jessica auf der Insel eingetroffen, um sich um Tochter und Enkelkind zu kümmern. Auch der mögliche Kindsvater kam am Donnerstag nach Mallorca. Er will das Sorgerecht für das Baby beantragen.

Noch aber steht María del Mar unter dem Schutz des hiesigen Jugendamtes. „Erst wenn alles geklärt ist,” so Konsulin Karin Köller, „kann das Baby nach Deutschland gebracht werden.” Am Montag empfing María del Mar schon erste Besucher. Andrea Richter nutzte den Vorwand, die geliehenen Pullis abzuholen, um einen Blick auf das Würmchen zu werfen. „Ich musste sie einfach noch einmal sehen.”