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Deutsch-spanischer Kindergeburtstag in Palma, Roxana wird fünf Jahre alt und hat sowohl ihre Freundinnen aus der spanischen Vorschule als auch die Spielkameraden aus dem deutschsprachigen Bekanntenkreis der Eltern eingeladen. Außer Rand und Band toben die Kinder durch das Spielzentrum, wirbeln über die gepolsterten Rutschbahnen, landen im Meer aus Schaumgummibällen. Auch sprachlich geht es turbulent zu. Insbesondere die ausländischen Residenten-Kinder fallen vom Spanischen ins Deutsche und zurück ins Spanische, je nachdem, welchen Spielkameraden sie gerade am Wickel haben.

Es ist immer wieder verblüffend, mit welcher Natürlichkeit Residenten-Kinder, die von klein auf auf Mallorca aufwachsen, mit den Sprachen Deutsch, Spanisch und mitunter auch Catalán jonglieren. Womit sich erwachsene Sprachschüler mühevoll abplagen, das fliegt den Kleinsten spielerisch zu.

Und dennoch ist das Thema Spracherwerb der Kinder für deutschsprachige Mallorca-Residenten ein schwieriges Thema. Als Erziehende wollen sie keine Fehler machen. Und sind ihre Sprösslinge den Kindern in Deutschland nicht weit voraus? Schließlich wachsen sie hier mindestens zweisprachig auf. Aber lernen diese Kinder auf diese Weise die zwei bis drei Sprachen auch gleich gut? Oder beherrschen sie am Ende keine davon richtig? Sind diese Residentenkinder, wenn sie einmal groß sind, statt zweisprachig womöglich nur halbsprachig?

Was ist zudem mit der Schreibfähigkeit? Wenn keine der zwei auf Mallorca bestehenden deutschen Schulen – aus welchen Gründen auch immer – in Frage kommen, wie lässt sich dann sicherstellen, dass die teutonische Mutter– oder Vatersprache nicht nur in Wort, sondern auch in Schrift gut erlernt wird?

Für die deutschstämmigen Neu-Mallorquiner, die mit ein bis sechs Jahren erst am Anfang ihrer sprachlichen wie schulischen Laufbahn stehen, sind pauschale Patentrezepte rar. Zu unterschiedlich sind die Familienverhältnisse, die Lebensplanung der Eltern, ihre soziale Verwurzelung und Integration auf der Insel.

Bei bi-natiolen Elternpaaren ist die Zweisprachigkeit im Prinzip automatisch gegeben. Doch dieser Automatismus tritt nicht von alleine ein. Er muss intensiv gepflegt werden. Diesen Standpunkt vertreten zumindest die Autoren Bernd Kielhöfer und Sylvie Jonekeit. Ihr Buch „Zweisprachige Kindererziehung” (ISBN 3-923721-05-6) erschien erstmals 1983 und gilt heute als Klassiker. „Achten Sie darauf, dass beide Sprachen dem Kind mit ähnlich intensiver Zuwendung nahe gebracht werden”, lautet einer der Tipps im Zehn-Punkte-Katalog des Buches.

Die in dem Werk beschriebenen Elternpaaren verfolgten die bereits 1913 wissenschaftlich von Jules Ronjat beschriebene Spracherziehungsmethode „Une personne, une langue” (eine Person, eine Sprache). Danach sollen Eltern, etwa ein deutsch-spanisches Ehepaar, mit dem Kind jeweils nur in der eigenen Muttersprache kommunizieren, am besten ausgewogen zu gleichen Teilen.

Das lässt sich jedoch häufig nicht leicht in die Tat umzusetzen. Schon beim Baby hängt es davon ab, welcher Elternteil mehr Zeit mit dem Kind verbringt. Muss der Vater viel außer Haus arbeiten, fällt der sprachliche Einfluss der Mutter stärker ins Gewicht. Die dann vom Kind bevorzugte Sprache nennen Sprachwissenschaftler die „starke”, die zweite Elternsprache die „schwache” Sprache.

Weitere Faktoren, die das Verhältnis der starken und schwachen Sprache zueinander sowie die weitere sprachliche Entwicklung des Kindes beeinflussen, sind die Familiensprache (die Sprache, in der Eltern miteinander kommunizieren), die Umgebungssprache (Großeltern, Nachbarn, Bekannte), die Spielsprache (was die Spielkameraden sprechen) sowie die institutionelle Kindergarten– und Schulsprache.

Auf Mallorca kommt zur deutsch-spanischen Zweisprachigkeit mit Mallorquín (Catalán) eine dritte Sprache hinzu. So im Fall des kleinen Albert. Die Mutter ist Mallorquinerin, der Vater Deutscher. Untereinander sprechen die Eltern Spanisch, mit dem Sohn spricht sie Mallorquín, er bisweilen Deutsch. Gleichwohl bevorzugt Albert Castellano, also die gemeinsame Familiensprache. Was dem Vater nun Sorgen bereitet, ist, dass das Kind in der Vorschule jetzt ausschließlich in Mallorquín unterrichtet wird. „Ich will, dass Albert am Ende sowohl richtig Spanisch als auch Deutsch kann.”

Bei Marc (4) ist der Fall ähnlich gelagert. Die deutsche Mutter und der mallorquinische Vater verständigen sich auf Spanisch. Die Spielsprache und die vorrangige Unterrichtssprache in seiner Vorschule ist meist Castellano. Obgleich Marcs Vater Wert auf Mallorquín legt, scheint sich der Junge vor allem auf Castellano festzulegen.

Anders sieht es wiederum bei Familien aus, in denen zu Hause ausschließlich Deutsch gesprochen wird. Hier erfolgt die zweisprachige Erziehung durch die Umgebung, die Vorschule, Nachbarn und Spielkameraden. Das mag insbesondere in der Anfangszeit zu Problemen führen. Als Robin (5) vor zwei Jahren in die Vorschule nach Deià kam, wo nahezu ausschließlich Mallorquín gesprochen wurde, verstand er zunächst kein Wort, fühlte sich ausgegrenzt und wollte nicht mehr zum Unterricht. Erst mit der Zeit kam das Kind zurecht. Seine Mutter engagierte einen 16-jährigen Schüler, der sich mit Robin dreimal die Woche zum Spielen traf und dabei nur Mallorquín sprach. „Das hat einen Riesenschub gebracht”, sagt die Mutter, „heute ist Robins Spielsprache nur noch Mallorquín.”

Damit der Junge auch Deutsch schreiben lernt, hat seine Mutter bereits Schulbücher der ersten Klasse aus Deutschland besorgt. Gemeinsam mit anderen deutschsprachigen Familien in Deià will sie ab September 2004 jeden Samstag zwei Stunden Unterricht in der Muttersprache organisieren. Dabei wollen sich die Mütter abwechseln. Neben Schreiben und Rechnen sollen auch Lieder gesungen werden. „Wir spielen dann Schule.”

Die Probleme der jungen Eltern auf Mallorca sind alles andere als neu. Schon vor 20, 30 Jahren gab es deutschsprachige Einwanderer, die sich auf Mallorca niederließen und ihre Kinder großzogen. Horst Abel, einer der dienstältesten Inselresidenten, rief damals mit Gleichgesinnten einen Schulverein ins Leben, der deutschstämmigen Schülern muttersprachlichen Unterricht erteilte. Interessant ist dabei, dass die meisten Schüler jener Generation zwar durchaus ihre Deutsch-Lektionen verinnerlichten, sich heute allerdings durch und durch als Mallorquiner betrachten (siehe den MM-Artikel „Die zweite Generation: Deutscher Kopf, spanisches Herz”, MM 52/2002). Hierbei handelt es sich um ein psychologisches Phänomen, das in der Migrationsforschung hinlänglich bekannt ist. Ein Trost bleibt mit der dritten Generation, den Enkeln. Bei ihnen ist das Interesse an der exotisch-deutschen Kultur der Großeltern wieder deutlich ausgeprägt.