Der Wandel ist längst vollzogen. Aus dem Spanien, das seine
Arbeiter zu Hunderttausenden im Ausland verteilte, ist ein Spanien
geworden, das seine Grenzen vor dem Ansturm williger Neubürger zu
schützen versucht. In keiner anderen Region machen das die Zahlen
derart deutlich wie auf den Balearen: 2002 schloss mit fast 25
Prozent mehr Zuwanderern als das Vorjahr.
Politik und Gesellschaft vermitteln den Eindruck, auf dieses
Phänomen nicht vorbereitet zu sein. Auf Mallorca spricht man
beispielsweise seit geraumer Zeit davon, den Zuzug mit politischen
Mitteln begrenzen zu wollen. Doch wie soll das geschehen? EU-Bürger
haben das verbriefte Recht, ihren Wohnort frei wählen zu dürfen;
und im Falle der Nicht-EU-Ausländer ist das alleinige Sache der
Zentralregierung. Viel Rauch um nichts also.
Ängste werden insbesondere durch den drohenden Verlust der
Identität – gemeint ist damit vor allem die mallorquinische Sprache
– geschürt. Das ist durchaus verständlich, schon deshalb, weil die
Menschen hier eine völlige neue Entwicklung hautnah miterleben.
Andererseits laufen die selbsternannten Sprachhüter langfristig
Gefahr, sich selbst ins Bein zu schießen.
Bevölkerungsexperten sind sich einig, dass nur ein Bruchteil der
Zuwanderer sich ernsthaft mit Catalán beschäftigen wird. Gelernt
oder (von den immer zahlreicheren Südamerikanern eh schon)
gesprochen wird Hochspanisch. Durch stures Festhalten am Catalán
werden Einwanderer bewusst am Rande der Gesellschaft gehalten. Auf
der anderen Seite beklagt man sich gerne über die mangelnde
Integrationsbereitschaft der Neumitbürger. Demographen und
Soziologen warnen bereits vor einer Gesellschaft, in der mehrere
Kulturkreise aneinander vorbeileben.
Die Inseln werden sich in den kommenden Jahren ihr neues Gewand
schneidern. Die Frage ist nicht mehr „Wie viele lassen wir noch
rein?”, sondern „Wie lässt sich am besten zusammenleben?” Dabei
sollten sich alle Beteiligten öffnen, nicht nur die Balearen,
sondern auch all die Deutschen, die immer noch meinen, ohne
Sprachkenntnisse hier leben zu können. Diese Einstellung zeugt
einzig von Ignoranz und mangelndem Respekt gegenüber der neuen
Heimat.
Das Multi-Kulti-Projekt Balearen bedarf aber trotzdem der
Politik: Nicht existenter bezahlbarer Wohnraum und trübe
Jobaussichten treiben die Begeisterung gen Nullpunkt.
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