Dass das Gesetz vor Landesgrenzen trotzdem nicht Halt macht, hat
erst vergangene Woche ein 55-jähriger Deutscher erfahren müssen.
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hatte den mutmaßlichen
Millionenbetrüger europaweit über Interpol und dem
Schengen-Informations-System (SIS) zur Fahndung ausschreiben
lassen. Bei einer Routinekontrolle, in der sich der Gesuchte mit
seinem Reisepass auswies, ging der Mann der spanischen Polizei in
Can Pastilla ins Netz. Seit vergangenen Donnerstag sieht er nun
seiner Auslieferung entgegen.
Auf Mallorca war das in diesem Jahr der erste deutsche
Staatsbürger, der auf Basis eines internationalen Haftbefehls
festgenommen wurde. Dass es bei diesem einen Fall nicht bleiben
wird, gilt als sicher. Laut Auskunft der Nationalpolizei in Palma
traf im vergangenen Jahr 14 Deutsche das gleiche Schicksal.
„Auffällig dabei ist, dass der Anteil an Fällen von
Wirtschaftskriminalität von Jahr zu Jahr steigt”, sagt der Chef der
Abteilung Internationale Kriminalität.
Schengen steht nicht nur für mehr Freizügigkeit, sondern auch
für eine Reihe von Ausgleichsmaßnahmen. Um die Koordinierung
zwischen den Polizei–, Zoll– und Justizbehörden zu verbessern,
richteten die Mitgliedsstaaten das bereits oben angesprochene SIS
ein. Deutschland gehörte 1985 zu den fünf Gründungsländern, Spanien
trat dem Abkommen 1991 bei. Das SIS ermöglicht neben einer engeren
Zusammenarbeit auch raschere Auslieferungsverfahren.
Am Anfang steht in jedem Fall zunächst ein nationaler
Haftbefehl, heißt es aus dem Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden.
Als nächsten Schritt tragen die entsprechende Staatsanwaltschaft
und das BKA die Daten in das Schengen-Info-System ein. Derzeit 15
Staaten (13 Mitgliedsstaaten plus Norwegen und Island) haben ab
diesem Zeitpunkt elektronischen Zugriff auf den Haftbefehl. „Damit
reicht oft schon eine Verkehrskontrolle, um einen Gesuchten zu
identifizieren und festzunehmen”, sagt der Pressesprecher des BKA.
Zur besseren Koordination mit den spanischen Ermittlern hat das BKA
in Madrid zwei ständige Beamte sitzen. „Fast alle, die auf der
SIS-Fahndungsliste stehen, werden irgendwann geschnappt.” Eine Zahl
der in Spanien oder gar auf Mallorca vermuteten Straftäter lasse
sich aber nicht ermitteln. Grundsätzlich, so der BKA-Sprecher,
stehen Urlaubsorte mit vielen Deutschen bei Justiz-Flüchtigen hoch
im Kurs.
Eine Einschätzung, die der Chef der Abteilung Internationale
Kriminalität der Nationalpolizei teilt. „Je mehr Landsleute sie
antreffen, desto einfacher können sie sich unbemerkt bewegen.”
Entgegen dem Besuchertrend sei die Zahl der auf Mallorca
Untergetauchten in den letzten Jahren gestiegen. Bevorzugte
Aufenthaltsorte seien ländliche Gebiete, beispielsweise abgelegene
Fincas ohne genaue Adresse und unüberschaubare Urbanisationen.
Weiter wollen die spanischen Fahnder beobachtet haben, dass die
Justiz-Flüchtlinge häufig den Aufenthaltsort wechselten und trotz
vorhandener Geldmittel einen unauffälligen Lebensstil führten.
Hierzulande straffällig werde dieser Personenkreis nur in ganz
seltenen Fällen. Wie sie letztendlich doch die Aufmerksamkeit der
spanischen Fahnder auf sich ziehen, will der Beamte nicht verraten.
Nur soviel: „Wir werten verschiedene Datensätze aus, die der
Gemeinden, Hotels und Autovermieter, Telefonrechnungen und so
weiter.”
Neben dem Schengen-Informations-System gibt es noch die
internationale Fahndungsliste von Interpol. Im Unterschied zum SIS
erfolgt hier die Datenweitergabe weltweit. Nationale Zentralstellen
der 1914 gegründeten Kooperation grenzüberschreitender
polizeilicher Zusammenarbeit sind in Deutschland das BKA und in
Spanien die Nationalpolizei. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft
stellt Interpol den internationalen Haftbefehl aus. So machte die
Nationalpolizei auf den Balearen im vergangenen Jahr neben den 14
deutschen Gesuchten beispielsweise auch einen Amerikaner und eine
Russin dingfest.
Die Rolle des deutschen Konsulats auf Mallorca beschränkt sich
in erster Linie auf die Betreuung der Häftlinge, sagt Vizekonsul
Helge Holleck. Im Auslieferungsverfahren, über das ein Gericht in
Madrid entscheidet, sei das Konsulat nicht involviert. Von den
spanischen Behörden werde man lediglich über die Festnahme eines
Deutschen informiert. Laut Holleck sitzen derzeit in Mallorcas
Gefängnis 20 deutsche Staatsbürger ein. Allerdings betreffe das
Gros Straftäter, die sich wegen eines begangenen Delikts in Spanien
in Untersuchungshaft befinden oder bereits verurteilt sind.
Gefasste Straftäter, die partout nicht nach Deutschland
ausgeliefert werden möchten, können gegen den meist positiven
Bescheid des Madrider Gerichts Einspruch einlegen. Allerdings gilt
in der Regel: aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
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