TW
0

Ob die Balearischen Inseln in einer Wirtschaftskrise stecken, ist eine Frage, die nicht nur wegen des beginnenden Wahlkampfes auf dem Archipel kontrovers diskutiert wird. Viele Daten zeigen, dass es den Menschen gut geht wie nie zuvor. Andere wiederum lassen erkennen, dass eine Abwärtstendenz eingesetzt hat, von der einige Branchen besonders betroffen sind.

Durch die sehr positive Wirtschaftsentwicklung seit den 90er Jahren erreichte die Beschäftigung auf den Balearen mit durchschnittlich 390.589 Arbeitsverhältnissen im Jahr 2002 einen historischen Höchststand. Auch die Zahl von 343.581 Beschäftigten per Dezember 2002 war in diesem Monat noch nie so hoch. Die mittlere Arbeitslosenquote belief sich 2002 auf 6'55 Prozent, zwar ein Plus von 0'8 Punkten, aber immer noch eine der niedrigsten in ganz Spanien.

Nach einer Untersuchung der Sparkasse La Caixa liegen die Balearen im Spanien-Vergleich ganz vorne in Sachen Wohlstand, Einkommen, Beschäftigung, Umwelt und Klima sowie dem Angebot von Kultur und Freizeit.

Dass daran nicht alle Einwohner gleichermaßen teilhaben, zeigt ein Blick auf die staatlichen Renten. Deren Höhe beläuft sich auf den Balearen im Schnitt auf 465'37 Euro pro Person, weniger gibt es nur in den als „arm” bekannten Regionen Murcia, Extremadura und Galicien. Auch für Arbeitnehmer sind die Real-Einkommen gesunken, da die Lohnerhöhungen niedriger als die Inflationsrate ausgefallen sind. Noch hält sich der Konsum auf hohem Niveau, was auch daran liegt, dass die Kreditzinsen so niedrig wie nie sind.

Alles in allem mehren sich die Anzeichen, dass die Wirtschaft auf den Balearen in einer Krise steckt. Die Handelskammer für Mallorca, Ibiza und Formentera hat für 2002 einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0'5 Prozent diagnostiziert. Wie immer seit Beginn der „touristischen Zeitrechnung” auf den Balearen stimmt die Kurve der Besucherzahlen und die der Einnahmen aus dem Tourismus mit der des BIP überein. Laut Handelskammer ist die Zahl der Übernachtungen 2002 um neun Prozent zurückgegangen, bei den Einnahmen ist ein Minus von acht Prozent zu verzeichnen. In absoluten Zahlen sind das 510 Millionen Euro, die weniger in die Insel-Kassen geflossen sind.

Entsprechend hat das Finanzamt der Autonomen Region erstmals seit 1994 weniger Steuern eingenommen. 2002 kamen noch 267'79 Millionen Euro in die balearische Schatulle, 2001 waren es noch fast 274 Millionen. Allerdings sind die aktuellen Zahlen Licht-Jahre entfernt von den nur 92'26 Millionen von 1994.

Während der balearische Finanzminister Joan Mesquida (PSOE) mit Verweis auf die Beschäftigungszahlen erklärt, von Krise könne keine Rede sein, scheint sich im Bausektor, nach dem Tourismus der zweitgrößte Arbeitgeber auf der Insel, ein drastischer Einbruch anzukündigen. Denn nach einem Zuwachs von vier Prozent in 2002 ist die Zahl der Bauanträge im selben Jahr von 10.223 auf nur noch 6874 zurückgegangen. Wie Jaume Gibert Salamanca, Vorsitzender des Verbands der Bauleiter auf Mallorca, erklärt, werden noch die alten Aufträge abgearbeitet. „Da die Zahl der Nachfolgeaufträge deutlich gesunken ist, wird die Branche die Krise ab Mitte des nächsten Jahres mit Rückgängen der Bautätigkeit um 75 Prozent zu spüren bekommen.”

Esteve Bardolet, für die Handelskammer-Studie verantwortlicher Wirtschaftswissenschaftler, unterstreicht die Verzögerung, mit der eine rückläufige Wirtschaft auf die Beschäftigungszahlen durchschlägt. „Viele Firmen haben niemanden entlassen. Aber wenn es nicht bald zu einem Aufschwung kommt, halten sie das nicht mehr lange durch”, ist er überzeugt. Das belegt auch die Tatsache, dass die Zahl der Unternehmen, die ihr Kapital reduzierten, im vergangenen Jahr um die Hälfte gestiegen ist. Das heißt, sie haben Betriebsverluste aus dem Betriebskapital gedeckt. Grundsätzlich positiv ist zu vermelden, dass die meisten balearischen Unternehmen so gesund sind, dass sie eine Krise gut meistern können.

Ein weiteres Indiz dafür, dass es den balearischen Unternehmen schlechter geht, ist die steigende Zahl von unbezahlten Rechnungen, säumigen Kreditraten und geplatzten Schecks. Die ist um 8'3 Prozent auf 51.530 gestiegen, mit einer Gesamtsumme von 102'7 Millionen Euro (plus 18'9 Prozent). Auch diese Zahl ist weit entfernt von den 228.347 säumigen Zahlern 1992, die insgesamt 322'972 Millionen Euro schuldeten. Anfang der 90er litten auch die Balearen an der durch den Golfkrieg ausgelösten Krise.

Fazit: Noch scheint die Sonne auf die Balearenwirtschaft, doch am Horizont ziehen dunkle Wolken auf. Ob diese sich zu einem Gewitter auswachsen, wird in erster Linie davon abhängen, wie viel Geld die Touristen auf die Inseln bringen. Die Aussichten für dieses Jahr sind durchwachsen.

Aus Großbritannien kommen positive Signale. Nach einer Untersuchung von AC Nielsen Travel Track im Auftrag des balearischen Tourismusministeriums liegen die Buchungen im Vereinigten Königreich gegenwärtig mit 24 Prozent im Plus. Entscheidend für die Saison ist, wie die Monate Januar und Februar im Verkauf laufen. Die könnten trotz der guten Grundtendenz von dem drohenden Irak-Krieg verhagelt werden.

Schlecht sind die Vorhersagen aus Deutschland. Die Buchungen liegen bei den großen Reiseveranstaltern durchschnittlich um 15 bis 25 Prozent unter denen des Vorjahres – und da waren sie wegen der Nachwirkungen des 11. September ohnehin sehr niedrig.