An der Playa de Palma bietet sich in diesem Sommer ein paradoxes
Bild: Weder die balearische Regionalregierung noch der Hotelverband
der Zone wollen billige Sauftouristen. Weil sie bei Ihren
Bemühungen, deren Exzesse einzuschränken, aber viele eigentlich
gerngesehene Besucher abgeschreckt haben, müssen die Besucher mit
teils massiven Sonderangeboten angelockt werden. Diese Kunden sind
daher oft einkommensschwache junge Leute, wie Jordi Cabrer,
Präsident des Hotelverbandes Playa de Palma, beobachtet: „Zurzeit
kann man viele Jugendliche sehen, die schon tagsüber auf offener
Straße Alkohol konsumieren”.
Nach seiner Ansicht sind die Kneipen dafür viel leerer: „Die
Schänken in Bier– und Schinkenstraße waren in den guten Jahren
bereits am Vormittag gut besucht. Jetzt ist dort erst am Nachmittag
geöffnet.” Besser scheint es den Tränken in erster Meereslinie zu
gehen.
Diesen Strukturwandel konstatiert auch Chris Marlow, seit acht
Jahren Discjockey der Kult-Kneipe Bierkönig: „Dieses Jahr sind
weniger Touristen da.” Gerald Arnsteiner, Geschäftsführer des
Mega-Parks, assistiert: „Und die, die da sind, geben pro Kopf
deutlich weniger Geld aus.”
Bei der Beurteilung dieser Entwicklung sind sich Hotelier und
Feier-Profis einig: „Das die Trink-Touristen ausbleiben, finde ich
nicht so schlimmt, aber in diesem Jahr fehlt es aus allen Sektoren,
und das trifft uns hart”, meint Cabrer. „Auf längere Sicht geht die
Party an der Playa kaputt, wenn immer mehr Urlauber kommen, die
sich nicht benehmen können”, sagt Marlow. „Exzesse schrecken die
Leute ab, die überwiegende Mehrheit will Freude, Ausgelassenheit
und auch Trinken, aber da, wo einige anfangen, Bierkrüge zu werfen
oder in die Ecken zu pinkeln, hört für sie der Spaß auf”, ergänzt
Arnsteiner.
Wenn es den Anschein hat, dass auf der Straße und am Strand
weniger los ist, stimmt das: „Das Geschehen hat sich von draußen
nach drinnen verschoben”, hat der Mega-Park-Chef beobachtet. Dort,
wo es nicht jeder Passant gleich sehen kann, geht die Party nach
wie vor ab, wie ein Blick in die Chat-Rooms der Internet-Site
„Volle-Pulle-Mallorca” zeigt. „Bin gerade zurück aus dem Paradies
und es war einfach supergeil dort”, findet „Partynator”; und
„Mallorca lebt auf jeden Fall. Es ist einfach der Wahnsinn, was
dort los war, Party rund um die Uhr.”
Erstaunlicherweise beklagen sich auch die Ballermänner beklagen
über das schlechte Image: „Malle ist so schlecht geredet worden”,
kommentiert „Balnearia”, „gut, dass wir uns mittlerweile überzeugt
haben, dass es nach wie vor supercool dort ist”. An dem „schlechten
Image sind in hohem Maße die Medien schuld, in den Berichten von
RTL2 , Sat1 etc. wird doch maßlos übertrieben”, so ein weiterer
Chatter.
So scheint sich der Party-Tourismus an der Playa de Palma wieder
in die Richtung zu bewegen, wo er vor von Anfang an war: Friedlich
feiernde Kegelbrüder und Ballerschwestern, „sie schwanken, aber sie
schwanken diszipliniert”, wie „Ultima-Hora”-Klatschreporter Pedro
Prieto vor Jahren treffend formulierte. Ein Indiz dafür ist auch
der andauernde Erfolg von Müller-Touren. Der
Spezialreiseveranstalter für Feier-Fahrten von Vereinen bringt seit
Jahrzehnten etwa 30.000 Deutsche an die Playa, „und in diesem Jahr
haben wir sogar ein leichtes Plus”, so Inhaber Heinz Müller.
Doch so gut die Party momentan auch sein mag, gibt es doch jede
Menge Probleme. „Es kommen immer mehr Urlauber, die sich nicht
benehmen können”, findet DJ Chris Marlow, „das liegt daran, dass es
so viel umsonst gibt”. Die Kneipen machen sich mit Gratis-Getränken
die Gäste abspenstig, die mit etwas Geschick mit Gutscheinen von
Lokal zu Lokal ziehen können, ohne die Urlaubskasse zu belasten.
Marlow hält das für den falschen Weg: „Statt etwas zu verschenken,
sollte man sich lieber über die Preise Gedanken machen. Wenn die
auf einem vernünftigen Niveau sind, dann geben die Leute ihr Geld
auch wieder aus.”
Hotelpräsident Jordi Cabrer bemüht sich seit längerem um
Verbesserungen an der Playa. „Wir wollen seit Jahren von dem
Ballermann und Saufe-Image wegzukommen, weil das alle anderen
Urlaubergruppen abschreckt. So gesehen könnte diese Saison mit den
rückläufigen Besucherzahlen eine reinigende Wirkung haben.” Es sei
eine gute Gelegenheit für Politiker und Unternehmer, darüber
nachzudenken, wie künftig vorgegangen werden soll. „Wir haben
nichts gegen die Ballermänner”, so Caber, „aber es darf nicht sein,
dass sie das Image einer ganzen Destination bestimmen. Mallorca ist
nicht die Playa de Palma, und die Playa de Palma ist nicht der
Ballermann.”
Vor allem will man den Familientourismus, der in diesem Jahr
nicht nur an der Playa besonders stark eingebrochen ist,
verstärken. Gegenwärtig denken die Hoteliers laut Caber über
Sonderangebote für Kinder nach. Das könnte etwa auf eine Anhebung
des Alters hinauslaufen, in dem der Nachwuchs in den Genuss von
Vergünstigungen kommt, zum Beispiel auf 14 oder gar 16 Jahre; oder
auf All-inclusive für Kinder, die dann den ganzen Tag Limonade
trinken und Eis schlecken können, ohne die Kasse der Eltern
zusätzlich zu belasten.
Neben diesen finanziellen Anreizen dürfte aber auch das
Ballermann-Image Familien nicht abschrecken. So hart dieses Jahr
auch sein mag, man müsse es als Übergangsjahr sehen. Dieser Wechsel
vom alles vereinnahmenden Sauftourismus hin zu einem Angebot, das
auf eine breitere Basis gestellt ist, könnten aber durchaus noch
ein paar Jahre vergehen. Er hat auch nichts dageben einzuwenden,
dass dabei einige Hotels aus dem Markt gehen. Was sich in den
Boom-Jahren noch problemlos vermarkten ließ, stelle sich jetzt als
zu teuer und zu schlecht heraus. „Da trennt sich jetzt die Spreu
vom Weizen”, ist er überzeugt, „und wer sagt denn, das wir nicht in
ein paar Jahren statt 40.000 nur noch 30.000 Hotelbetten an der
Playa haben?”.
Der Eigner des Hotels Manau betont, dass man sich bereits seit
längeren auch mit Infrastrukturmaßnahmen um eine Verbesserung des
Images bemühe. An den Balnearios sollten beispielsweise
Kinderpspielgeräte aufgestellt werden, um den Anspruch als
Familienreiseziel zu unterstreichen. „Jetzt hat die
Regionalregierung zwar ein paar Sachen aufstellen lassen, doch ist
das noch nicht das Gelbe vom Ei”, sieht er Nachbesserungsbedarf.
Nach Ende der Hauptsaison im September hofft er, werde der
Beschluss zum Bau einer Promenade in zweiter Linie gefasst, so dass
die Öffentliche Ausschreibung beginnen kann. Außerdem sollen noch
im September die ersten Sicherheitskameras installiert werden, um
den Kleinkriminellen das Handwerk zu legen und die allgemeine
Sicherheit zu erhöhen. Gegenwärtig untersuche man, wo die zehn bis
zwölf Kameras aufgestellt werden sollen.
Ungefragt betont Jordi Cabrer, dass allen Mallorquinern klar
sein müsse, was sie dem Tourismus zu verdanken haben. „Wir haben
sehr gut vom Tourismusgelebt, vor allem von unseren deutschen
Freunden. Jetzt müssen wir wieder lernen, hart zu arbeiten, denn
der Erfolg kommt nich von alleine. Das gilt nicht nur für die
Tourismusbranche, sondern für die gesamte Bevölkerung der
Insel.”
Bis die Playa de Palma eine für alle Sektoren – von der Familie
mit Kind bis hin zum begeisterten Zecher – sowohl eine vernünftige
Struktur als auch ein annehmbarer Image bietet, vergehen nach
Meinung des Hoteliers noch einige Jahre. Bis dahin muss sich die
berühmteste Feiermeile Deutschlands wachsender Konkurrenz erwehren.
Vor allem das boomende Bulgarien oder das ebenfalls billige Ungarn
finden immer mehr Freunde: Balaton am Plattensee beispielsweise
oder der Goldstrand. „Saugünstig sowohl die Unterkunft als auch der
Alk”, meint etwa „Sweetpower” im Chat. Aber der niveauvollere
„Spasslars” findet das „in gar keiner Art und Weise 'ne
Alternative. Nur sternhagelvolle Zonen-Teenies”. Balaton statt
Ballermann? Nie!
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