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MM: Herr Trittin, wie lange sind Sie schon auf der Insel?
Trittin: Ich bin bereits knapp eine Woche vor Beginn des informellen Umweltminister-Gipfels angereist und habe diese Tage zum Wandern genutzt.

MM: Haben Sie bereits die neue balearische Ökosteuer auf Übernachtungen entrichtet?
Trittin: Wir sind noch nicht darum gebeten worden, wahrscheinlich wird das am Ende abgerechnet. Aber ich hätte damit auch kein Problem. Bereits vor etwa 40 Jahren, als ich mit meinem Opa damals in den Harz fuhr, wurden wir mit einer Kurtaxe konfrontiert. Das ist völlig normal. Sie werden in Deutschland kaum einen Nord- oder Ostseestrand betreten können, ohne nicht mindestens einen Euro Kurtaxe zu bezahlen.

MM: Dieses Wochenende wurde auf der Konferenz erstmals über eine gemeinsame Bodenschutzpolitik der EU verhandelt. Was soll dabei herauskommen?
Trittin: Die Präsidentschaft und die Kommission sind beauftragt worden, bis zum nächsten regulären Treffen in vier Wochen ein koherentes Programm für eine euopäischen Bodenschutzpolitik vorzulegen. Dazu gehören verschieden Einzelmaßnahmen zu Punkten wie: Was darf im Klärschlamm enthalten sein? Die Überarbeitung der Richtlinie zu organischem Dünger und Aspekte der Bodenversiegelung.

MM: Was heisst das für Mallorca?
Trittin: Am Beispiel der Insel Mallorca lässt sich der letzte Aspekt Bodenversiegelung ja gut erkennen, denn der verfügbare Boden hat seine klaren Grenzen, bisweilen wird sogar Land weggespült. Bei diesem Thema hat es dieses Wo-chenende einen breiten Konsens gegeben. Zu-nächst muss aber erstmal die Bodensituation in ganz Europa erfasst und die Frage nach den Prioritäten geklärt werden.

MM: Lassen sich bereits erste Prioritäten erkennen?
Trittin: Die Länder im Süden haben andere Bodenprobleme als die nördlichen Staaten. Im Süden ist beispielsweise die Wüstenbildung ein sehr relevantes Thema, im Norden eher die Überdüngung mit organischem Material auf intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen. Danach muss der konkrete Reformbedarf benannt werden, sowie die Richtlinien für Klärschlamm und organischen Dünger überarbeitet werden.

MM: Spanien ist beim Umweltschutz nicht gerade immer ein Musterschüler...
Trittin: Es gibt grundsätzlich immer das Bemühen, gemeinschaftliche Lösungen zu finden. Bei der Klimaschutzpolitik hat Europa gesagt, wir wollen den Ausstoß von Treibhausgasen unterm Strich um acht Prozent verringern. Deutschland hat dabei 21 Prozent auf seine Schultern genommen, mehr als 18 Prozent haben wir bereits erreicht. Damit geben wir Ländern wie Spanien die Möglichkeit, bis auf weiteres 15 Prozent zusätzlich an diesen Gasen auszustoßen. Dummerweise liegt Spanien heute aber bei über 33 Prozent. Hier müssen wir gemeinschaftliche Instrumente finden, die es Spanien ermöglichen, seine Verpflichtung innerhalb des Gesamt-„Bubbels”, wie es so schön heisst, in Europa einzuhalten. In der Diskussion ist derzeit unter anderem das Instrument des Emissions-Handels.

MM: Wie sieht so ein Handel aus?
Trittin: Es soll einen europaweiten Handel mit Emissionsrechten für bestimmte Industrien geben. Dies ist notwendig, damit alle Länder ihr Klimaschutzziel überhaupt erreichen können.

MM: Ein umstrittenes Projekt ist der Nationale Wasserplan, bei dem Wasser aus dem Fluss Ebro über Kanäle in die regenarmen Regionen Valencias und Murcias umgeleitet werden soll. Dafür bemühen sich die Spanier derzeit um EU-Gelder. Zu Recht?
Trittin: Das ist eine Entscheidung, die innerhalb der EU von den Gremien insgesamt zu treffen ist. Dabei steht auch die Frage im Raum, ob dieses Projekt im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung auch das vernünftigste ist. Man sollte sich bei diesem Projekt auch fragen, ob mit den vorhandenen Wasserressourcen effizient umgegangen wird. Der Transport von Wasser in regenarmes Gebiet würde zudem nichts nützen, wenn dort weiter Wasser verschwendet würde. Wobei auch die Frage beantwortet werden sollte, ob es Sinn macht, Wasser über weite Stecken zu transportieren, da bei diesem Vorgang Wasser verloren geht.

MM: Auch Mallorca wurde über viele Jahre mit Wasser vom Festland versorgt, das Tankschiffe auf die Insel transportierten.
Trittin: Aber im vergangenen Winter hat es hier ja sehr viel geregnet. Wenn ich auf meinen Wanderungen das richtig sah, dann sind die Stauseen bis zum Rand voll. Selbst die Gebirgsbäche hier, die ich noch nie mit Wasser gesehen hatte, führen derzeit Wasser. Es ist richtig grün hier, und das ist sehr erfreulich.

MM: Lassen Sie uns ein wenig über die bevorstehende Bundestagswahl reden. Warum sollte man die Grünen dieses Jahr wieder wählen?
Trittin: Weil sich die Grünen innerhalb der Koalition als die Kraft erwiesen haben, die sich des Reformstaus in unserer Gesellschaft angenommen hat. Nicht nur im Bereich der Energiepolitik, sondern auch beim Naturschutz und der Klimapolitik. Dies gilt auch für die Sicherung von Bürgerrechten durch das neue Staatsbürgerschaftsrecht. Die Grünen wollen mit ihrer Politik Veränderungswillen und Sicherheit für die schwächeren Mitbürger verknüpfen.

MM: Das Regieren mit der SPD ist aber nicht immer einfach gewesen, es hat durchaus Reibungen gegeben. Was halten die Grünen von Innenminister Schilys harter Hand?
Trittin: Otto Schily ist eine starke Figur. Er macht mit seiner Politik der Opposition die Arbeit schwer. Die Gesamtbilanz der Koalition ist aber durchaus gut.

MM: Was meinen Sie damit?
Trittin: Wir haben die Engergiewende vollzogen sind damit auf einem guten Weg. Dazu gehört auch der Neueinstieg in erneuerbare Energien. Wir haben in den vergangenen vier Jahren beispielsweise die Kapazität der Windenergie verdreifacht und produzieren heute ein Drittel des Windstroms der Welt und rund die Hälfte in Europa.

MM: Mal abgesehen von der Umweltpolitik.
Trittin: Darüberhinaus haben wir das neue Staatsangehörigkeitsrecht durchgesetzt, bei dem nicht mehr die Abstammung, sondern der Geburtsort die entscheidende Rolle spielt. Dadurch wurden etwa eine Millionen junger Menschen in Deuschland zu Deutschen gemacht. Vorher gab es zwar immer mehr Ausländer in Deutschland. Das lag aber nicht an der Zuwanderung, denn diese Ausländer wurden in deutschen Kreissälen geboren.

MM: Die Umfragezahlen sehen aber nicht besonders gut aus für die Grünen.
Trittin: Das sehe ich anders. Laut meiner Erfahrung haben wir in den letzten drei Monaten bis auf eine Ausnahme immer bei etwa acht Prozent gelegen, also über den Werten von vor vier Jahren. Damals lagen wir vor der Bundestagswahl unter fünf Prozent und mussten uns auf letztlich 6'7 Prozent hochkämpfen. Unser Wahlziel für September ist acht Prozent plus x, und das halte ich für sehr realistisch.

MM: Dafür scheint sich Bundeskanzler Schröder durchaus für die FDP begeistern zu können.
Trittin: Diesen Eindruck habe ich nicht. Vor allem nach den letzten Eskapaden der Herrn Möllemann hat es eindeutige Äußerungen des Bundeskanzlers und des Generalsekretärs Müntefering gegeben. Es geht bei dieser Wahl um eine Richtungsentscheidung. Entweder weiter mit einer Politik verantwortlicher, sozialer und ökologischer Reformen mit Rot-Grün oder zurück zu den Zuständen von vor 1998.

MM: Machen Sie häufig Urlaub auf Mallorca?
Trittin: Ich bin jetzt das dritte Mal hier. Und wenn ich auf Mallorca bin, dann immer im Norden der Insel.

MM: Was machen Sie auf der Insel, liegen Sie am Strand?
Trittin: Ich nutze diese Zeit in der Regel zum Wandern. Jetzt geht es gerade noch, im Sommer ist es mir dann zu heiss.

MM: Haben Sie schon eine Lieblingsecke gefunden? Und stößt Ihnen irgendetwas unangenehm auf?
Trittin: Ich denke, alles hat seinen Platz. Insofern finde ich auch wenig unangenehm hier. Persönlich finde ich den Norden zum Wandern sehr schön, sowie guterhaltene Stadtstrukturen wie in Pollença. Aber ich stelle mich nicht über andere Geschmäcker. Denn auch andere Formen von Tourismus, oft verächtlich Massentourismus genannt, sind für Mallorca notwendig.

MM: Was lesen Sie gerade?
Trittin: „Straßenpizza” des jüdisch-texanischen Kriminalschriftstellers Kinky Friedman – „Roadkill” heisst das Buch im Original.

MM: Wie sieht es mit Ihren Spanischkenntnissen aus?
Trittin: Sehr bescheiden. Wenn ich es mal auf Spanisch versuche, bekomme ich schon mal die Antwort auf Deutsch.

Mit Jürgen Trittin sprach Reinhard Adel.