Seit Jahrzehnten, wenn nicht sogar seit knapp einem Jahrhundert,
galt die Sóller-Bahn als eine der ganz wenigen Zugstrecken auf der
Welt, die schwarze Zahlen schrieb. Wenige Wochen nach dem 90.
Geburtstag des traditionsreichsten Verkehrsunternehmens Mallorcas
und eines der Hauptattraktionen für Touristen auf der Insel ist der
Nimbus dahin.
Wie der Vorsitzende des Aufsichtsrates der privaten
Aktiengesellschaft, Joan Puig, am Dienstag gegenüber spanischen
Tageszeitungen erklärte, befindet sich die Ferrocarril de Sóller
S.A. „am Rande der Aussetzung der Lohn– und Gehaltszahlungen”. Drei
Angestellte wurden bereits entlassen.
Der Betriebsrat und die Gewerkschaften bezichtigten die
Unternehmensführung indes der Lüge. Bahnmitarbeiter kündigten für
Juni und Juli Protestaktionen an (siehe Kasten). Der einstige
„Vitamin-C-Express”, der nach seiner ersten Fahrt am 16. April 1912
jahrelang die goldenen Orangen aus dem Sóller-Tal nach Palma
beförderte, ist erstmals in seiner langen Geschichte ernsthaft
krank.
Wie Puig dem „Diario de Mallorca” sagte, hat das Unternehmen das
Jahr 2001 erstmals mit einem Verlust in Höhe von 300.000 Euro
abgeschlossen. Hinzu kommt nach seinen Worten eine Schuldenlast von
1'8 Millionen Euro, die seit dem Ankauf von Lokomotiven aus
Portugal angefallen ist. Dem kürzlich zurückgetretenen Direktor der
Eisenbahngesellschaft, Rafael Sierra, warf Puig
„Unregelmäßigkeiten” und schlechte Geschäftsführung vor.
Sierra war vor einem Monat nach 18 Jahren Tätigkeit im Streit
aus dem dem Unternehmen ausgeschieden. Der Ex-Direktor widersprach
der Version der Unternehmensführung. Nach seinen Angaben hatte die
Gesellschaft das vergangenene Jahr mit einem Gewinn von 174.000
Euro abgeschlossen. Wie der Betriebsratsvorsitzende der
Eisenbahngesellschaft, Antoni Cifre, berichtete, hatte Sierra den
Aufsichtsrat gedrängt, für 2001 keine Dividende auszuschütten,
sondern das Geld zur Bezahlung der Investitionskredite aufzuwenden.
Das habe „den Krieg” eröffnet.
Auf einem Treffen mit Vertretern des balearischen
Verkehrsministeriums am Mittwoch warf der Betriebsrat der
Geschäftsführung vor, Geld aus der Gesellschaft herausziehen zu
wollen. Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter forderten den
Govern auf, dem Unternehmen vorzeitig die Konzession zu entziehen.
Die 1911 erteilte Betriebsgenehmigung ist auf 100 Jahre befristet.
Sie laufe ohnehin in neun Jahren aus.
Die Unsicherheit, wie es mit der Bahn nach 2011 weitergehen
werde, hatte bereits die Feierlichkeiten zum 90. Geburtstag
überschattet. Im Prinzip muss die Balearen-Regierung mit Blick auf
das anstehende Datum entscheiden, ob die private Sóller-Bahn in die
staatliche Eisenbahngesellschaft Servei Ferroviari de Mallorca
(SFM) integriert wird, die die Strecken nach Inca und Sa Pobla
bedient. Eine Alternative wäre, die Konzession für die Sóller-Bahn
zu erneuern.
Nach den Worten des Aufsichtsratsvorsitzenden Puig hatte sich
die wirtschaftliche Situation der Bahn durch Fehlinvestitionen
verschlechtert. Im laufenden Jahr sei der Anteil insbesondere der
touristischen Fahrgäste um 20 Prozent gesunken. Die frühe
Verbindung um 8 Uhr morgens sei völlig unrentabel, da Berufspendler
kaum noch die Bahn benutzten. Mit der Eröffnung des Sóller-Tunnels
und der Einrichtung einer schnelleren Buslinie habe die Bahn ihren
Dienstleistungscharakter für das Allgemeininteresse eingebüßt. Um
aus der Krise zu kommen, müssten die Tarife angehoben und Kosten
gespart werden.
Das Unheil, das sich über der Sóller-Bahn zusammenbraut,
kündigte sich bereits zu Wochenbeginn an. Das Unternehmen entließ
drei zuletzt eingestellte Mitarbeitern aus „betriebsbedingten
Gründen”. Die 104 Mann starke Belegschaft reagierte mit massivem
Protest. Solange die Firma noch Subunternehmer be– schäftige,
dürften feste Mitarbeiter nicht aus betriebsbedingten Gründen auf
die Straße gesetzt werden. Einsparungen verringerten die Sicherheit
der Fahrgäste. Die Antwort der Mitarbeiter fiel eindeutig aus: Sie
werden bestimmte Zugverbindungen ausfallen lassen. Davon wären vor
allem Touristen betroffen.
Von den angekündigten Protestaktionen der Sóller-Bahnmitarbeiter
– sollten sie tatsächlich erfolgen – ist vor allem der bei
Touristen beliebte „Tren turístico” betroffen. Der Clou dieses
Zuges auf dem Weg von Palma nach Sóller: Nach der Durchquerung der
Tramuntana-Tunnels hält der Zug für zehn Minuten an einer
Aussichtsplattform mit Panorama-Blick auf Sóller.
Die Arbeitsniederlegung der Bahnmitarbeiter ist jeweils für
Dienstag und Donnerstag der Monate Juni und Juli vorgesehen.
Betroffen sind in Palma die Abfahrten um 10.40 Uhr (tren turístico)
sowie um 15.15 Uhr. Das Unternehmen wollte diese Angaben jedoch
nicht bestätigen. Es ist also ratsam, sich vor Fahrtantritt bei der
Bahngesellschaft zu erkundigen. Telefon: 971-752 051.
Fahrpreise: Hin– und Rückfahrt mit dem Touristik-Zug kosten 7'20
Euro. Die reguläre Zugfahrt ohne Panorama-Stopp kostet 4'80
Euro.
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