Die kritische Frage der Ehefrau empfand Joseph Kreus (66) wie
eine kalte Dusche. „Wo hast Du denn d-e-n Fisch gekauft?”, rief sie
aus der Küche heraus. Seit drei Jahren hatte der Hobby-Angler immer
wieder einmal seine Angel auf Mallorca ins Meer gehalten – und nie
etwas gefangen. Nun war ihm das Glück das erste Mal hold gewesen.
Am Haken zappelte eine stattliche Goldbrasse, die er
freudestrahlend ausnahm und triumphierend seiner Gattin nach Hause
trug.
„Da ist ja noch der Preis dran”, scholl es erneut aus der
Küchenzeile der Ferienwohnung in Port de Pollença. Aufgebracht
stürzte Kreus an die Spüle, wo seine Frau mit dem Fisch zugange
war, und siehe da, unterhalb der Rückenflosse ragte ein kleines
Kunststoff-Anhängsel aus dem Fleisch des Tieres. Auf dem
Halm-artigen Fortsatz waren ein paar Zahlen zu sehen. Das
Plastiketikett war Kreus beim Ausnehmen des Fisches zuvor nicht
aufgefallen.
Mit der Lesebrille auf der Nase untersuchten die Eheleute das
mysteriöse Teil. Schließlich entzifferten sie „Pesca Premi 1213/DG”
samt der Telefonnummer 971-672 335. „Ok, du hast den Fisch nicht
gekauft”, gestand Anne Kreus ihrem Mann schließlich zu, „aber was,
bitte schön, ist dann das?!”
Die deutschen Urlauber aus Jülich bei Aachen, die kein Spanisch
sprechen, wandten sich schließlich an das Mallorca Magazin,
und des Rätsels Lösung war rasch gefunden. Hinter der angegebenen
Telefonnummer verbirgt sich die „Estació d'Aqüicultura”, die
Forschungs– und Zuchtstation für Fische und Wasserkulturen in Port
d'Andratx, die dem balearischen Agrarministerium untersteht. In der
Einrichtung werden wertvolle Speisefische wie Goldbrassen (Doradas)
und Wolfsbarsche (Lubinas) zu Tausenden aus Eiern aufgezogen.
Wenn die Tiere geschlechtsreif sind, werden sie an den Küsten
Mallorcas in die Freiheit entlassen. Häufig macht der
Fischereiminister einen kleinen Staatsakt daraus und wirft die
Tiere vor den gezückten Kameras der Presse in hohem Bogen
eigenhändig in die Wellen. Ziel des 1997 begonnenen Programms ist
die Wiederbevölkerung der überfischten Inselgestade mit den
begehrten Speisefischen.
Um die Entwicklung der Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu
verfolgen, werden sie seit Anfang 2001 mit dem Plastikschildchen an
der Rückenflosse markiert. Die Forscher erhoffen sich Rückschlüsse
über das Wachstum und die Wanderungsgewohnheiten der Fische.
Im Falle von Angler Kreus wollten die Mitarbeiter das Fangdatum,
Gewicht und Länge des Fisches wissen. Die Charge auf der Marke gab
weitere Aufschlüsse: Kreus' Fang war gemeinsam mit 400 weiteren
Doradas im November in der Bucht von Polleça ausgesetzt worden. Der
Rentner war nicht der erste, der einen der Fische erwischt hatte.
In den vergangenen Wochen gab es zahlreiche Anrufer, sagte die
Leiterin der Station, Elena Pastor, und riet: „Lassen Sie sich den
Fisch schmecken, er ist von guter Qualität.”
Die Fischmarke kann Kreus behalten. Für seine Mithilfe erhält er
zudem ein T-Shirt zugeschickt, mit einer Goldbrasse als Motiv. „Mit
diesen beiden Trophäen habe ich bei meinen Angel-Freunden in
Deutschland richtig etwas vorzuweisen”, freut sich Kreus. Erst kurz
vor der Rente war er zu seinem Hobby gekommen. Meist hatte der
frühere Angestellte mit mäßigem Erfolg nach Süßwasserfischen
geangelt.
Die Dorade ging indes den Weg alles Irdischen: Begleitet von
Salzkartöffelchen und grünem Salat.
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