Die historische Altstadt ist für Palma Fluch und Segen. Die
jahrhundertealten Straßenzüge und kleinen Gässchen laden Millionen
Touristen zum Bummel, doch die City ist den Anforderungen des
Verkehrs einer Großstadt des 21. Jahrhunderts schon lange nicht
mehr gewachsen.
Erschwerend kommt hinzu, dass angesichts der Küstenlage eine
ringförmige Zirkulation nur sehr eingeschränkt möglich ist.
Außerdem ist der Druck der Landgemeinden in die Inselhauptstadt
enorm, Alternativen im öffentlichen Personennahverkehr sind nur
mäßig entwickelt. Immer wieder behindern zudem Großprojekte den
Verkehrsfluss – weitere stehen vor der Realisierung. Jetzt soll
wenigstens die Altstadt entlastet werden.
Ab dem 10. April weist die Stadt neun verkehrsbeschränkte Zonen
(Acire) aus. Die Zufahrten werden mit versenkbaren Pollern
gesperrt, nur die Anwohner und dort ansässigen Händler bekommen
Chipkarten, um zu ihren Wohnungen und Läden zu gelangen.
Gleichzeitig soll das städtische Transportunternehmen EMT eine neue
Linie für die neuen Fußgänger wider Willen einrichten.
„Die Leute müssen ihre Gewohnheiten ändern”, sagt José Ramón
Ortá, der Mobilitäts-Beauftragte der Stadt Palma. Die hat im
vergangenen Jahr rund 180.000 Euro für eine Studie investiert, um
den Problemen auf den Grund zu gehen und Wege zur Lösung
aufzuzeigen. Die Zahlen beeindrucken: Täglich 87.000 Fahrzeuge
quälen sich durch das Zentrum, davon haben aber 30.000 die City
nicht als Ziel. „Sie nutzen nur eine Abkürzung. Das sind die, die
wirklich stören”, sagt Ortá. Auch der Anteil der Einkäufer ist
gering: Die Studie beziffert sie gerade auf sieben Prozent. Und
selbst die Besucher von außerhalb machen das Kraut nicht wirklich
fett. Sie machen 30 Prozent der Zentrumsnutzer aus.
Den Hebel, das ist klar, muss die Stadt beim motorisierten
Individualverkehr ansetzen. Der macht 55 Prozent aus, der Anteil
des ÖPNV liegt nur bei 23 v.H., der Rest bewegt sich zu Fuß oder
mit dem Rad. „Unser Ziel ist es, eine Drittelung zu erreichen”,
sagt José Ramón Ortá. Dazu muss der ausgeprägte Hang zum Automobil
gebrochen werden. Auch hier zwei Zahlen aus der Studie: Auf 1000
Einwohner kommen in Palma 900 Fahrzeuge – das ist Weltspitze. Und
70 Prozent der Fahrten könnten mit einem Fußweg von 20 Minuten
erledigt werden.
Erreichen läßt sich das Ziel längst nicht mehr mit Appellen an
die Vernunft, sondern nur noch mit „Gewalt”. Die konsequente
Sperrung der Altstadtgassen durch die Pylone ist solch ein Mittel.
„Andere europäische Städte sind da wesentlich radikaler gewesen”,
sagt der Mobilitätsbeauftragte, „aber man muss hier Zugeständnisse
an die Händler und Anwohner machen. Wir wollen kein totes
Zentrum.”
Weil nur 30 Prozent der Citywohnungen bewohnt sind und die
Verwaltung eine Belebung anstrebt, fürchtet man, dass eine
Vollsperrung diese Bemühungen konterkarieren könnte. Auch das
Parken könne man deshalb nicht völlig untersagen, argumentiert
Ortá: „Die meisten Häuser in der Innenstadt haben keine
Garagen.”
Mit der halbseitigen Sperrung des Passeig des Borne hat die
Stadt eine Art Versuchsballon für die Umsetzung der Empfehlungen
aus der Studie steigen lassen. Mit mäßigem Erfolg. Durch die
Kaufmannschaft ging ein deutliches Murren, die Zahl der Fahrzeuge
nahm gerade um fünf Prozent ab. Wenigstens die Fußgänger und die
Cafés freuen sich über den neuen Freiraum.
Mit den nächsten Schritten, der einseitigen Sperrung der Carrer
Jaume III und des Linksabbiege-Verbots vom Passeig Maritim im
Richtung Passeig des Borne will man sich nun noch ein Jahr Zeit
lassen, bis neue Parkflächen vor dem Gebäude des Energieversorgers
Gesa und auf dem Festplatz am Camí de Jesús hergerichtet sind.
„Natürlich sind wesentlich radikalere Maßnahmen denkbar”, sagt José
Ramón Ortá, „aber schließlich sind im kommenden Jahr Wahlen.”
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