TW
0

Ein Traum wird wahr. Angenehmes Klima, viel Sonne, Meeresrauschen, gute Laune und endlich Chef einer eigenen Gastronomie.” Mit diesen Worten begrüßt Ralph Schillinger die Besucher seiner Homepage (www. gastroline.net.). Im Frühjahr, wenn Mallorca sich für den Ansturm der Touristen rüstet, hat der Unternehmensberater und Vermittler von gastronomischen Objekten genauso wie seine deutschen und spanischen Kollegen auf der Insel Hochsaison. Denn den Traum vom eigenen Geschäft auf Mallorca haben viele Deutsche. Vor dem Start in die Selbstständigkeit werden sie aber in der Regel ganz schnell wieder auf den Boden der Tatsachen geholt: Wer auf der Insel einen Laden, ein Café oder Restaurant pachten will, muss erst einmal tief in die Tasche greifen, um den Traspaso, eine Ablösesumme an den vorigen Pächter, zu bezahlen. „Teilweise haben die Leute horrende Vorstellungen. Da wird für ein umgebautes Wohnzimmer schon mal 100.000 Euro verlangt”, klagt Schlillinger. Mancher Kunde, der solche Traspaso-Preise zum ersten Mal hört, glaube zunächst, es handele sich dabei um den Kaufpreis. Und staunt nicht schlecht, wenn ihm klargemacht wird, dass es dabei nur um eine Ablösesumme für ein leerstehendes oder renovierungsbedürftiges Lokal geht.

Generell sind die Ablösesummen für Lokale auf Mallorca wesentlich teurer als in Deutschland, so die Makler. Das hat verschiedene Ursachen. Die 1994 beschlossene Gesetzesänderung im Mietrecht, wonach Eigentümer einer gewerblichen Immobilie den Traspaso ausschließen können, greift erst in wenigen Fällen. Häufig liegen Altverträge vor, die mieterfreundlicher sind als die neuen Verträge. Nach altem Recht sind Mieter oder Pächter in Spanien so gut wie unkündbar, die Mieten waren auf lange Zeit weitgehend festgeschrieben. Das führt heute zu der kuriosen Situation, dass zwei Lokale in begehrter Lage ganz unterschiedliche Pachtpreise haben können: Wer heute an der Jaime III. einen Laden mietet, wird locker ein paar tausend Euro pro Monat bezahlen müssen, wer noch über einen alten Mietvertrag verfügt, kann mit einem Bruchteil dabei sein. „Die Übernahme einer niedrigen Miete ist ein wesentlicher Faktor für den Traspaso-Betrag”, sagt der Rechtsanwalt Klaus Beyer (Palma), der auf Rechtsfragen im Immobilienbereich spezialisiert ist. Entscheidend ist dabei die Dauer der verbleibenden Mietzeit bei einer Übernahme des Vertrags durch einen Nachfolgepächter.

Die Übertragung des Kundenstamms, so Beyer, sowie die Ausstattung des Lokals sind weitere Faktoren. Jürgen Lucht von der Getränkegroßhandlung Cowarsa in Llucmajor, der selbst eigene Objekte zur Pacht anbietet, betont, dass in ordentlichen Restaurants schon alleine die Küche 40.000 Euro kostet. „In Deutschland hat der Vermieter in der Regel Sicherheiten für die Einrichtung des Lokals.” Auf Mallorca, wo Rechtsstreitigkeiten einen langsamen Gang nehmen, müsse man sich als Vermieter über die Traspasosumme absichern. Allerdings hat auch er beobachtet, dass in einigen Fällen „hohe Summen für Schrott” verlangt werden. Mancher Deutsche verliere offenbar den gesunden Menschenverstand, wenn er den blauen Himmel auf Mallorca sehe: „Zum Kaufen und Verkaufen gehören schließlich immer zwei.” Sein Tipp: Angehende Pächter sollten sich vor Abschluss eines Vertrages von einem Anwalt beraten lassen. Der sollte auf jeden Fall abklären, ob das Lokal über die nötige Lizenz für das geplante Geschäft verfügt. Ralph Schillinger schätzt, dass etwa 40 Prozent der gastronomischen Betriebe „null Lizenzen” haben. „Wir legen Wert darauf, für unsere Kunden neue Verträge mit dem Eigentümer abzuschließen”, so Klaus Beyer. So könne man ausschließen, für die Schulden des Vorgängers (wie etwa Strom, Telefon, Lieferanten) zur Kasse gebeten zu werden. „Das Thema Traspaso ist eine heikle Materie, weil häufig Schwarzgeld im Spiel ist”, sagt Rechtsanwalt Dr. Burckhardt Löber (Frankfurt), der mehrere Spanien-Fachbücher herausgegeben hat. Denn eigentlich muss der Pächter, der seinen Vertrag an einen Nachpächter abgibt und dafür Traspaso fordert, 20 Prozent an seinen Vermieter abgeben. Das wird häufig umgangen, indem nur ein Teil der tatsächlichen Summe offiziell angegeben wird. Der Vermieter hat auch das Recht, die Miete nach einem Pächterwechsel um 20 Prozent zu erhöhen. Ist ein Makler an der Vermittlung von Objekten beteiligt, bekommt natürlich auch der eine Provision. Ralph Schillinger, der nach eigenen Worten fünf Prozent der Traspasosumme verlangt, warnt vor Kollegen, die „30 bis 40 Prozent draufschlagen und einen Reibach machen”.

Hohe Traspasosummen verschärfen ein Problem, das viele Geschäftsleute haben, wenn sie sich auf Mallorca niederlassen wollen. Sie bringen häufig zu wenig Kapital mit, um ihr Lokal umzubauen, zu renovieren oder neu einzurichten. „Häufig haben die Wirte kein Geld, um ihre eigenen Ideen zu verwirklichen”, hat Jürgen Lucht beobachtet. Die Folge sind vor allem in den Urlaubsorten Kneipen im Einheitsstil: Der Pächterwechsel wird vom Gast nur dadurch wahrgenommen, dass plötzlich ein anderes Gesicht hinterm Tresen steht. Anstatt ein eigenes Konzept zu erarbeiten, wird versucht, die Kundschaft über den Preis anzuziehen. „Eine Unart”, die sich auf Mallorca eingeschlichen habe, sei zum Beispiel die „Happy Hour”, sagt Jürgen Lucht. Der Getränkehändler findet es „eklig”, wenn der Wirt sein Bier verschenken müsse. Erst seit zwei, drei Jahren werde verstärkt in Objekte investiert.

Nicht nur auf Mallorca, auch in Deutschland sei die kleine Eckkneipe nicht mehr so angesagt wie früher, sagt Ralph Schillinger. An der Playa de Palma sei zu beobachten, dass die großen Betriebe boomen, während die kleinen Kneipen in den hinteren Reihen kaputtgehen: „Der Trend geht hin zur Erlebnisgastronomie”, sagt der Unternehmensberater. Auch nach Ansicht von Jürgen Lucht „laufen die Szenekneipen”, das heißt, solche, die neben Bier irgendeine Art von Unterhaltung und ein besonderes Konzept bieten. „Das Problem ist, dass es auf Mallorca zu wenig Wirte gibt.” Und zwar solche, die nicht nur mit Träumen, sondern auch mit Fachwissen den Sprung auf die Insel wagen. „Die Leute kommen der Sonne wegen nach Mallorca”, so Schillinger. „Und dann stellen sie in der Hochsaison fest, dass sie im dunklen Lokal stehen, während die anderen am Strand liegen. Wenn sie dann nachlassen und anfangen, morgens eine Stunde später zu öffnen oder abends früher zu schließen, ist das meistens der Anfang vom Ende.” Um auf der Insel Erfolg zu haben, müssen auch die Gastronomen in der Regel eher mehr denn weniger als in Deutschland arbeiten. „Von zehn, die hier ein Lokal aufmachen, gehen drei wieder nach Hause, weil sie nicht die nötige Energie hatten. Und zwar ohne Geld”, so Schillinger. Zwei von zehn hielten nicht durch, weil sie mit der Eingliederung in die mallorquinische Gesellschaft nicht klarkommen. Mancher, der mit 25.000 Euro in der Tasche auf die Insel komme, sei nach drei Monaten pleite: „Das sind dann diejenigen, die sich bei Nacht und Nebel aus dem Staub machen. Kein Wunder, dass deshalb mancher Vermieter die Pacht für ein Jahr im Voraus haben will. Was da abgeht, das ist nicht normal.”